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Berliner Chirurg ersteigert tonnenweise Hilfen für Syrien

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

C. Kolbeck C. Kolbeck
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"Ich bin kein politischer Mensch", sagt Chirurg Dr. Moustafa Mahjoub von sich selbst. Er denke nicht über kriegführende Seiten nach, er sehe nur, wenn Menschen Hilfe brauchen. Der Arzt schickt auf eigene Kosten z. B. Rettungswagen nach Syrien.

 "Wissen Sie – Syrien war einmal das sicherste Land der Welt und wunderschön." Bei diesen Worten lächelt Dr. Mahjoub, aber in seinen Augen ist Wehmut zu sehen. Der Arzt für Chirurgie hat seine Praxis in Berlin-Charlottenburg, nicht weit vom Kurfürstendamm entfernt.

Seine Ausbildung hat er in Deutschland und England absolviert. Er arbeitet auch als Belegarzt. Wochentags von neun bis 18 Uhr ist er für seine Patienten da.

 

Danach und an den Wochenenden ist "Sammelzeit". Dr. Mahjoub ersteigert und kauft viel im Internet, Krücken, Rollstühle, medizinische Geräte, Decken – alles, was er für Kriegsopfer für nötig hält.

Zahnarztpraxis-Ausstattungen aus Insolvenzversteigerung

Moustafa Mahjoub ist in Syrien geboren und aufgewachsen. Er kam als junger Mann nach Deutschland, um hier Medizin zu studieren. Fünf­einhalb Jahre wollte er bleiben, es wurden fast fünf Jahrzehnte – auch der Liebe wegen.

Seine Frau ist ebenfalls Ärztin, Haus­ärztin. Der Chirurg verfolgt ständig das Geschehen in seiner Heimat, er telefoniert mit Familienangehörigen und Freunden, informiert sich über die Lage vor Ort. Er sieht in den Nachrichten wie auch Krankenwagen zerstört werden.

"Ich muss da etwas tun, ich bin Syrer und ich fühle mich mit diesem Land sehr verbunden", sagt er. Und so sendet er wie schon einige Male zuvor jetzt wieder private Hilfslieferungen nach Damaskus.

Früher schickte er Lastwagen, heute Rettungswagen: "Ich will, dass den Verletzten geholfen werden kann." Mahjoub ersteigert die erst wenige Jahre alten und gut ausgestatteten Fahrzeuge bei der Berliner Feuerwehr.

Unbarmherzige Bürokratie

Auf der Rechnung der Reederei aus Rotterdam (keine deutsche war bereit für den Transport nach Syrien) stand für die letzte Lieferung: Von Hamburg nach Lattakia, 1 gebr. Ambulanz (beladen mit Hilfsgütern). Mit 469 Euro wird ein Kriegsrisikozuschlag angegeben.

Eigentlich wollte Dr. Mahjoub beide Rettungswagen verschiffen lassen, aber der zweite steht noch immer im Hamburger Hafen. Der Zoll gibt ihn nicht frei, denn im Inneren befindet sich auch ein Karton mit Medikamenten, vor allem Schmerzmittel und Antibiotika. Die Bürokratie ist unbarmherzig.

Laut einem Schreiben des Zolls soll der Arzt jetzt eine Liste erstellen, auf der für jedes Medikament eine Zollnummer angegeben ist. "Aber woher bekomme ich die?", fragt Dr. Mahjoub.

Auch die Kaufverträge für die sich im Wagen befindenden Gegenstände muss er nachreichen. Die Fahrzeuge waren voll bis unter die Decke, darunter Rollstühle, Gehstöcke und drei bei vier Insolvenzversteigerungen erstandene Ausstattungen von Zahnarztpraxen.

Krankenwagen passten wegen zwei Zentimetern nicht in einen Container

Der erste Wagen wurde nicht beanstandet. Wann der zweite Rettungswagen auf die Reise gehen wird, ist jedoch derzeit völlig ungewiss.

"Ich hätte die Krankenwagen gern im Container verschickt, aber sie haben nicht gepasst. Trotz aller Mühe, sie waren zwei Zentimeter zu hoch", sagt der Doktor. Deshalb wird der nächste bestellte Container, der auf dem Gelände der syrischen Botschaft zwischengelagert wird, in Kürze ausschließlich wieder mit anderen Hilfsgütern gefüllt werden.

Der hintere Teil von Dr. Mahjoubs Praxis, in dem früher eine Physiotherapie untergebracht war, lässt bereits erahnen, was alles auf die Reise geht. Unzählige vollgepackte Taschen und Koffer stehen hier.

Familie, Praxisteam und Patienten packen mit an

Bis an die Decke stapeln sich die Kartons mit bereits sortierter Kleidung. Es gibt auch noch große Mengen an unsortierten Pullovern, Jacken, Wollmänteln und Schuhen.

Ein Stapel originialverpackter Decken ist auf einem Schrank im Flur gelagert, auf einem Rollwagen stehen Pakete mit Nahrungsmitteln. Auch die vierte ersteigerte Einrichtung einer Zahnarztpraxis wartet noch auf den Abtransport.

Seine Familie und die Praxismitarbeiter unterstützen Dr. Mahjoub bei seiner Passion. Sie sortieren, verpacken, laden ein, transportieren. Auch Patienten stehen dem Arzt zur Seite.

Hilfe kommt zudem von Kollegen. Sie überlassen Medikamente und Verbandmaterialien, allerdings seltener und deutlich weniger als früher. Dr. Mahjoub erinnert sich, dass er vor Jahren einen Lastwagen mit einem Freund nach Syrien gebracht hatte, "der war ganz voll mit gespendeten Medikamenten".

Während die fünf großen Hilfsorganisationen der Vereinten Nationen, UNICEF, WFP, UNHCR, WHO und UNOCHA, zur Nothilfe für syrische Kriegsopfer aufrufen, hält sich die Bereitschaft dazu in Deutschland in Grenzen. Syrien ist ein Land im Bürgerkrieg. Das macht skeptisch, ob Hilfe auch bei denen ankommt, die sie brauchen.

Das Deutsche Rote Kreuz wollte Dr. Mahjoub erst unterstützen, als bekannt wurde, dass es um Syrien geht, wurde abgewunken. Dabei sendet Dr. Mahjoub seine Spenden direkt an die Partnerorganisation Roter Halbmond (Syrian Arab Red Crescent).

Allen Schwierigkeiten zum Trotz: Niemals aufgeben!

Aufgeben will der 70-jährige Mediziner trotz aller Schwierigkeiten niemals. Er geht davon aus, dass selbst nach dem Bürgerkrieg Syrien noch Jahrzehnte Hilfe beim Wiederaufbau brauchen wird.

Im Moment sucht Dr. Mahjoub weitere Sponsoren. Er hofft, dass Krankenhäuser oder Arztpraxen ihm vielleicht nicht mehr benötigte medizinische Geräte überlassen. "Ich weiß, dass meine Hilfe nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist, aber vielleicht tragen auch andere einen Tropfen bei."

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