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Bessere Vorsorge, höhere Wertschöpfung

Gesundheitspolitik Autor: Michael Reischmann

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Allen Beteuerungen von Gesundheitspolitikern zum Trotz werden Vorsorgemaßnahmen hierzulande stiefmütterlich behandelt, beklagt Dr. Christa Maar von der Felix-Burda-Stiftung. Dabei ließen sich durch eine bessere betriebliche Gesundheitsvorsorge volkswirtschaftliche Kosten in Milliardenhöhe vermeiden, so eine Studie.

Seit zehn Jahren engagiert sich die Stiftung für die Darmkrebsvorsorge. Dabei fiel Dr. Maar auf, dass über (große) Unternehmen auch Menschen erreicht werden können, die nur selten beim Hausarzt auftauchen und deshalb dort nicht auf  Vorsorgemaßnahmen und Präventionsangebote aufmerksam gemacht werden können. Deshalb setzt sich Dr. Maar dafür ein, dass die Politik Vorsorgeangebote in Unternehmen mehr unterstützt – z.B. durch
 

  • mehr Information: Insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen, wo immerhin 70 % der Arbeitnehmer beschäftigt sind, seien die bestehenden Möglichkeiten unbekannt.
     
  • höhere Präventionsförderung der GKV: Der Ausgaben-Richtwert von 2,86 Euro pro Versicherten und Jahr sollte nur ein Mindestwert sein.
     
  • Ausbau der Arbeitsmedizin: Betriebsärzte sollen Impfungen oder Krebsvorsorgen vornehmen – was den Hausärzten neue Patienten für die kurative Behandlung bringt.
     
  • steuerliche Anreize für die Arbeitgeber: Die jetzige Möglichkeit des geldwerten Vorteils von 500 Euro pro Jahr, den ein Arbeitnehmer für Maßnahmen zur Verbesserung seines allgemeinen Gesundheitszustands (Stressbewältigung, weniger Suchtmittelkonsum, Bewegungsförderung) nutzen kann, sei bürokratisch und werde wenig genutzt.


Diese Vorschläge ergeben sich aus einer Befragung von über 20 gro­ßen deutschen Unternehmen durch die Strategieberatungsfirma Booz & Company. Vice President Rolf Frickler stellte die Ergebnisse der Befragung sowie Berechnungen zu den Kosten durch kranke Arbeitnehmer in Frankfurt/Main der Presse vor.

Die Zahlen klingen gewaltig. 12,8 Tage fehlte jeder Arbeitnehmer im Jahr 2009 krankheitsbedingt (davon 23 % bzw. 15 % wegen Krankheiten des Muskel-Skelett- bzw. des Atmungssystems, 12 % wegen Verletzungen und 11 % wegen psychischer Verhaltensstörungen). Das summiert sich auf 1,26 Mio. ausgefallene Erwerbsjahre. Bei einem durchschnittlichen Arbeitnehmerentgelt von 34 200 Euro beträgt der Produktionsausfall (Lohnkosten) 43 Mrd. Euro. Hinzu kommt eine geringere Wertschöpfung (75 Mrd. Euro).

Gesundheitsförderung als Managementaufgabe

Booz & Co. rechnet ferner mit doppelt so hohen Kosten für den „Präsentismus“ – kranke Arbeitnehmer am Arbeitsplatz, die fehlerbehaftet produzieren und deren Erkankungen chronifizieren. Der gesamte Produktivitätsausfall beläuft sich demnach auf 129 Mrd. Euro bzw. 46 % der deutschen Gesundheitsausgaben 2009. Und der Wertschöpfungsausfall von 225 Mrd. Euro entspricht 9 % des Bruttoinlandsprodukts, so Frickler.

Aus US-Analysen leiten die Booz-Experten ab, dass sich jeder in betriebliche Gesundheitsförderung investierte Euro 5- bis 16-fach auszahlen würde – durch weniger AU-Tage und vermiedene Kosten. Frickler geht davon aus, dass sich viele Unternehmen gut überlegen werden, ob sie sich pro krankem Arbeitnehmer jährlich 3600 Euro Kosten und Einbußen leisten können. Zumal der demografische Wandel mit alternden Belegschaften das Problem verschärft. Zudem können zusätzliche Leistungen wie ein betriebliches Gesundheitsmanagement helfen, besonders qualifizierte Kräfte zu gewinnen.

Aufgrund dieser Faktoren erwartet Frickler, dass die Unternehmen zwangsweise mehr für die betriebliche Gesundheitsförderung tun werden. Er sieht darin auch eine Managementaufgabe und spricht sich für entsprechende Führungsziele und Erfolgsindikatoren aus. Es bestehe allerdings noch ein erheblicher Forschungsbedarf, so fehlten z.B. Langzeituntersuchungen zu den Effekten der Gesundheitsvorsorge.
Wie Dr. Maar sieht auch Frickler die Politik am Zug, nach den vielfältigen Lippenbekenntnissen zur Prävention nun zügig die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen.

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