Warkens große Aufgaben BMG-Entwurf der Notfallreform fällt bei der KBV durch

Gesundheitspolitik Autor: Michael Reischmann

KBV fordert mehr Mitwirkung und eine konsequente Reform von Krankenhaus, Notfallversorgung und Patientensteuerung. KBV fordert mehr Mitwirkung und eine konsequente Reform von Krankenhaus, Notfallversorgung und Patientensteuerung. © MohamadFaizal – stock.adobe.com

Die KBV würde gerne mehr Gehör bei der Bundesgesundheitsministerin finden. „Ich hoffe, man wird uns im neuen Jahr nicht weiter vertrösten oder mit Scheinlösungen kommen“, sagt KBV-Chef Dr. Andreas Gassen.

Die KBV würde gerne mehr Gehör beim BMG finden. Schließlich hat sie schon viele Reformideen aufgeschrieben bzw. eine dezidierte Meinung zu laufenden Vorhaben und den Vorschlägen anderer Akteure. „Ich hoffe, man wird uns im neuen Jahr nicht weiter vertrösten oder mit Scheinlösungen kommen“, sagt KBV-Chef Dr. Andreas Gassen.

Krankenhausreform, Notfallreform und Patientensteuerung – das sind die großen Themen, die jetzt zu Ende gebracht werden müssen, erklärt KBV-Vize Dr. Stephan Hofmeister. „Diese drei gehören zusammen, sie greifen ineinander, bedingen sich geradezu gegenseitig.“

Allerdings: Die Anpassung der Klinikreform ist noch nicht vollzogen. Die Erwartung, dass es 2026 einen diskussionsreifen Gesetzentwurf zur Primärversorgung geben wird, wurde aus Unionskreisen gedämpft. Und für die Notfallreform, hat das BMG nach Ansicht von KBV-Vorstand und -Delegierten einen untauglichen Entwurf vorgelegt. Die Vertreterversammlung lehnt ihn ab.

Der BMG-Entwurf sei nicht konsequent genug, heißt es. Versicherte könnten weiterhin ohne eine vorherige medizinische Ersteinschätzung eigenständig eine Notaufnahme aufsuchen. Solange sie nicht in Mitverantwortung für eine unbedachte oder unbegründete Nutzung der Akut- und Notfallversorgung genommen würden, werde auf diese Weise das Lenkungsziel verfehlt.

Die Vertreterversammlung fordert eine durchgängige, sektorenunabhängige Patientensteuerung, insbesondere über die 116 117. Es müsse ein bundesweit einheitliches Ersteinschätzungsverfahren geben. Die so ermittelte Zuweisung nach Dringlichkeit in die gebotene Versorgungsebene müsste für Rettungsdienste, Krankenhäuser, KV-Notdienste wie auch Patientinnen und Patienten verbindlich sein.

Die geplanten KV-Angebote von 24/7-Video- und 24/7-Telefonsprechstunden sowie aufsuchenden Diensten seien mangels Kapazitäten an das Machbare anzupassen. „Doppelte Versorgungsangebote während der regulären Praxisöffnungszeiten in den  Notfalldiensten sind abzulehnen!“ Auch die Rolle der Integrierten Notfallzentren während der Praxisöffnungszeiten bleibe vage. Die an den regionalen Erfordernissen ausgerichtete Struktur sei von den KVen als Verantwortliche des Sicherstellungsauftrages in den Ländern zu organisieren. Die BMG-Verantwortlichen sollten sich z. B. die Modelle in Niedersachsen und Bayern anschauen.

Da die KVen künftig wohl mehr Personen für den Bereitschaftsdienst rekrutieren müssen, fordern sie die Gleichstellung aller (Pool-)Ärztinnen und Ärzte mit den Kolleginnen und Kollegen im Rettungsdienst, also die „vollständige und unzweifelhafte“ Befreiung von der Sozialversicherungspflicht. 

Bessere Arzneiversorgung im Bereitschaftsdienst

Die Vertreterversammlung der KBV wünscht sich gesetzliche Regeln, die es den KVen ermöglichen, mit Apotheken regionale und digitale Lösungen zu entwickeln. Gedacht wird etwa an eine telepharmazeutische Beratung, Dispensierautomaten, die Bestückung des fahrenden Bereitschaftsdienstes oder die direkte Patientenbelieferung. Gerade in strukturschwachen Regionen könne so die Versorgung im Bereitschaftsdienst spürbar verbessert werden.

Während die Infrastruktur bei Rettungsdiensten und Kliniken v. a. mit Mitteln des Sondervermögens für Infrastruktur und Klimaneutralität finanziert werden soll, sehe das BMG für den Ausbau der KV-Versorgungsplattform 116 117 keine Gegenfinanzierung vor, beklagt die KBV. Sie verlangt eine extrabudgetäre, kostendeckende Bezahlung aller neuen Leistungen sowie Investitionsmittel für die Verwaltung des Systems – zumindest aus den Einsparungen der Krankenkassen.

Bloß keine Doppelstrukturen mit neuen Schnittstellen!

Es ist aber nicht nur die Notfallreform, bei der die Interessenvertretung Verbesserungsbedarf benennt. Beim Apothekenversorgung-Weiterentwicklungsgesetz stören sie Pa­rallelstrukturen. Während die Pharmazeutenschaft vor einer „Apotheke light“ warne, falls Pharmazeutisch-technische Assistenten (PTA) zeitweise selbstständig eine Filiale leiten dürften, sei sie zugleich bereit, pharmazeutische Dienstleistungen oder das Impfen auf PTA zu übertragen.

Das „Gesetz zur Befugniserweiterung und Entbürokratisierung in der Pflege“ regelt, dass Pflegekräfte künftig bestimmte ärztliche Aufgaben übernehmen können. „Wir begrüßen dies grundsätzlich, sofern dies innerhalb bereits vorhandener Strukturen wie Arztpraxen geschieht und keine Doppelstrukturen mit neuen Schnittstellen geschaffen werden“, betont Dr. Hofmeister. Klare Zuständigkeiten seien unentbehrlich. Die Menschen müssten jederzeit wissen: „Wer versorgt mich und wer trägt die Verantwortung?“

KVen haben Arbeitsgruppe für den Krisenfall eingerichtet

Beim Gesundheitssicherstellungsgesetz vermisst Dr. Hofmeister einen Zeitplan. Deutschland sei nicht auf Krisensituationen vorbereitet. Schon der mehrtägige Stromausfall in Berlin-Treptow habe gezeigt, wie wenig resilient die Strukturen seien. Immerhin gebe es eine Arbeitsgruppe der KVen zum Thema „Sicherstellung der ambulanten Versorgung im Krisenfall“. Auch mit dem BMG sei man im Gespräch. „Am Ende müssen alle Akteure, zivile und militärische, in eine sinnvolle Struktur mit klaren Entscheidungswegen und Aufgabenverteilungen zusammengebunden werden“, so der KBV-Vize. 

Unzufrieden ist die Körperschaft mit ihrer Einbindung beim Thema GKV-Finanzen. Zusammen mit über 370 anderen Institutionen habe man Vorschläge bei der Kommission des BMG eingereicht. Dr. Gassen plädiert für mehr Versicherungstarife. Wer sich steuern lasse oder zusätzliche Leistungen wähle, könne das darüber gestalten. „Es geht nicht automatisch um Leistungskürzungen per se, sondern um die Frage, wer am Ende was finanziert“, sagt der KBV-Chef. Beitragserhöhungen seien nicht unendlich möglich.

„Wir müssen an die Ausgabenseite ran“, weiß Dr. Gassen. Er rückt den Fokus auf die Krankenhäuser. Für sie zahlte die GKV 2024 mehr als doppelt so viel wie für den ambulanten Bereich, obwohl dieser ungefähr 35-mal so viele Fälle versorgte. „Wir sind nicht der Kostentreiber im Gesundheitswesen und wir sind ganz sicher nicht der Bereich, wo sich große Summen einsparen lassen“, so der KBV-Chef. Darum wundert es ihn, dass die Kassen jetzt fordern, die Honorar-Entbudgetierung bei Haus- sowie Kinderärztinnen und -ärzten wieder rückgängig zu machen.

„Wir beschließen das Jahr an einem Punkt, an dem es längst nicht mehr um Gesundheitspolitik allein geht, sondern um die Zukunftsfähigkeit unseres Sozialstaates insgesamt“, betont Dr. Gassen. „Der Staat fordert Sparmaßnahmen in allen Bereichen, kommt aber seiner eigenen Fürsorgepflicht nicht nach, und das auf Kosten der Solidargemeinschaft.“

Quelle: KBV-Vertreterversammlung