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Bringt das neue Gesetz Hausärzte aufs Land?

Autor: Professor Dr. Klaus-Dieter Kossow

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Ob Minister Bahrs Versorgungsgesetz die Unterversorgung auf dem Land mildern kann? MT-Kolumnist Professor Dr. Klaus-Dieter Kossow hat erhebliche Zweifel. Er schlägt andere Ansätze vor.

Direkt nach der parlamentarischen Sommerpause wird der Bundestag den Regierungsentwurf zur Neufassung des fünften Sozialgesetzbuches beraten. Der Referentenentwurf war rund 160 Seiten stark. Für Hausärzte sind Neuregelungen vorgesehen, die die Bedarfsplanung, Vergütung und Versorgung insbesondere in ländlichen Regionen sicherstellen sollen.

Es rächt sich nun, dass insbesondere die ärztlichen Körperschaften die hausärztliche Versorgung in den vergangenen Jahrzehnten stiefmütterlich behandelt haben. Die Ärztekammern haben viel zu spät die Pflichtweiterbildung in Allgemeinmedizin unterstützt. Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind nicht gerade durch eine hausarztfreundliche Honorarverteilung aufgefallen.

Nachwuchs neigt zu Spezialgebieten und zur Kliniktätigkeit

Der Nachwuchs tendiert folglich zu Spezialgebieten und zur Kliniktätigkeit, auch weil die zahlreicher weitergebildeten Ärztinnen oft lieber im Angestelltenverhältnis und in der Stadt arbeiten. Dort finden die Kinder bessere Ausbildungsbedingungen vor und die Partner leichter Arbeit.


Nur mit Gesetzesvorgaben wird man diesen Trend nicht brechen können. Sowohl die Mitglieder der Krankenkassen als auch der KVen leben mehrheitlich in Ballungsgebieten und werden nicht gerade daran interessiert sein, Versorgungsansprüche und Geld in ländliche Regionen zu verlagern, um die dort entstandene Mangelsituation abzumildern.

Für die Kommunalpolitik resultieren aus dieser Konstellation erhebliche Konflikte: Die auf dem Lande lebenden Bürger zahlen Beiträge in die GKV ein wie die Städter. Aber eine dem Beitrag entsprechende Versorgung wird ihnen verwehrt.

Durch eine kleinräumigere Bedarfsplanung wird man daran auch dann nichts ändern, wenn man sie mit finanziellen Anreizen verknüpft. Auf dem Land wird nicht schlechter verdient als in der Stadt. Es muss für gleiches Geld aber ein höherer Sicherstellungsaufwand geleistet werden. Für Hausärzte ist die Arbeit auch deshalb schwerer, weil die Voraussetzungen zur Zusammenarbeit mit Fachärzten und Krankenhäusern ungünstiger sind. Daran ließe sich manches ändern, wenn man nicht auf planwirtschaftliche Methoden setzen und stattdessen die Versorgungsverträge von Hausärzten für Hausärzte aushandeln lassen würde – mit varia­blen Vergütungsregeln, die die regional unterschiedliche Arbeitsbelastung abbilden. Dieses Prinzip hat sich in Baden-Württemberg bewährt.

Zuverlässigste Bedarfsplanung im Einschreibesystem

Wenn Hausärzte ihre Verträge mit den Kassen selbst mitgestalten und ihrer Berufstätigkeit dadurch eine langfristige Perspektive geben können, wird auch der Nachwuchs die Chancen erkennen. Zudem liefert ein Einschreibesystem, das die Patienten einem verantwortlichen Hausarzt langfristig zuordnet, die zuverlässigste Bedarfsplanung. Solange die Patienten ihren Arzt finden, bei dem sie sich einschreiben können, ist noch kein eklatanter Mangel gegeben.


Das Versorgungsgesetz will den Bundesländern mehr Kompetenzen bei der Bedarfsplanung geben. Das ist der falsche Ansatz. Richtig wäre es, die Gestaltungsmacht der Kommunen zu stärken. Dies sollte aber nicht dadurch geschehen, dass man den Bürgermeistern Subventionen abverlangt, um Arztsitze neu zu besetzen. Die Mittel dafür kämen schließlich aus kommunalen Steuern und Umlagen. Und das wäre ungerecht, weil die Bürger auf dem Land ihren Krankenversicherungsbeitrag bereits bezahlt haben.


Richtig wäre es, den Landgemeinden ein nachgeordnetes Ausschreibungsrecht für Arztsitze zu geben, wenn z.B. ein Jahr lang KVen und Krankenkassen ihrem Sicherstellungsauftrag nicht nachgekommen sind. Dann könnten die Kommunen selbst Arztsitze ausschreiben und die Kosten dafür sollten die Bürger und Betriebe vom Krankenkassenbeitrag abziehen. Auch eine direkte Finanzierung durch das Bundesversicherungsamt wäre möglich.


Auf diese Weise hätten insbesondere strukturschwache Landregionen die Möglichkeit, den Interessen der Versicherten und Ärzte in den Ballungsgebieten eigenes Handeln entgegenzusetzen. Ein verhängnisvoller Teufelskreis wäre durchbrochen, weil dann nicht mehr der Ärztemangel zur Landflucht beiträgt und die daraus resultierende Strukturschwäche den Ärztemangel verstärkt.

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