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Bundessozialgericht bestätigt Schiedsverfahren zur Erstattung bei gemischtem Zusatznutzen

Gesundheitspolitik Autor: Michael Reischmann

Wie hoch ist der Preis? Die Erstattungs­betragskalkulation kann schwierig sein. 
Wie hoch ist der Preis? Die Erstattungs­betragskalkulation kann schwierig sein. © Fotolia/kritchanut
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Die Mischpreisbildung für neue Arzneimittel ist rechtmäßig, sagt das Bundessozialgericht. Unabhängig davon haben die Vertragsärzte bei gleichem Nutzen das wirtschaftlichste Produkt zu verordnen.

Das Bundessozialgericht (BSG) widerspricht dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg und der Auffassung des GKV-Spitzenverbandes, der mit seinen Klagen gegen zwei Schiedssprüche zu Erstattungsbeträgen die Sache losgetreten hatte.

Nach dem Arzneimittelpreisrecht gelte grundsätzlich nur „ein“ Preis für ein Medikament, also auch ein festzulegender und von den Kassen zu zahlender Erstattungsbetrag, heißt es in einer Pressemitteilung zu den Urteilen des 3. BSG-Senats.

Die Bildung eines Mischpreises sei unerlässlich, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) den Zusatznutzen oder die zweckmäßige Vergleichstherapie für unterschiedliche Patientengruppen verschieden bewerte. Das geschehe in einem „von nur wenigen gesetzlichen Vorgaben flankierten Verhandlungsprozess“.

Mix-Erstattungsbeträge verstießen grundsätzlich weder gegen normative Regelungen samt Wirtschaftlichkeitsgebot noch gegen Verfassungsrecht, so die Richter. In dem Durchschnittswert, der die unterschiedlichen Nutzenbewertungen der Patientenpopulationen berücksichtigte, würden sich die teils zu hohen und teils zu niedrigen Erstattungen ausgleichen.

Ob und wann sich die Vertragsärzte einer Regressgefahr aussetzen, wenn sie ein Arzneimittel in der Patientengruppe ohne Zusatznutzen zum Mischpreis verordnen, bedürfe keiner Entscheidung, heißt es aus Kassel. Denn unberührt von der durchschnittlichen Wirtschaftlichkeit des Mischpreises hätten Ärzte im Einzelfall das bei gleichem medizinischen Nutzen wirtschaftlichste Arzneimittel zu verordnen.

KBV-Vorstandsvize Dr. Stephan Hofmeister wertete „die Entscheidung des BSG erst einmal positiv“, die schriftliche Urteilsbegründung sei noch abwarten. Die KBV verlangt allerdings weiterhin, eine „eindeutige und rechtssichere Feststellung, dass die Verordnung von Arzneimitteln mit Mischpreisen grundsätzlich als wirtschaftlich anerkannt wird“, damit Ärzte keine Regresssorgen haben müssen, wenn sie solche Arzneimittel indikationsgerecht verordnen.

Auch Verbände der Pharmaindus­trie äußerten sich zufrieden. Das BSG bestätige eine jahrelange Praxis. „Ein funktionierendes System gibt man nicht so einfach auf!“, meint Birgit Fischer, Hauptgeschäftsführerin des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller. Dr. Martin Zentgraf, Vorsitzender des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie, unterstreicht: „Eine wirtschaftliche Versorgung liegt damit in der Verhandlungsverantwortung von Krankenkassen und der Hersteller; zu Mischpreisen gibt es keine gangbare Alternative.“

Schiedsstelle nutzte zulässig ihre Möglichkeiten

Können sich Kassen und Hersteller auf keinen Erstattungsbetrag einigen, wird dieser durch eine Schiedsstelle festgelegt. Sie darf das unter „freier Würdigung aller Umstände des Einzelfalls“ tun, wie der 3. BSG-Senat erklärt. Dabei sind u.a. die Besonderheiten des Therapiegebiets, die Jahrestherapiekosten vergleichbarer Arzneimittel und die Abgabepreise in anderen europäischen Ländern zu beachten. Die von der Schiedsstelle konkret festgesetzten Erstattungsbeträge seien revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

BSG vom 4.7.2018, Az.: B 3 KR 20/17 R u. 21/17 R

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