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Cannabisanbau für Eigenbedarf erlauben oder „null Toleranz“?

Autor: Cornelia Kolbeck, Foto: thinkstock

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„Eine neue Drogenpolitik ist nötig – in Deutschland und in Berlin.“ Das meint Thomas Isenberg, Sprecher für Gesundheitspolitik der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. Er will einen bundesweiten Diskurs anstoßen über eine zugelassene und kon­trollierte Produktion von Cannabis.

Thomas Isenberg, Sprecher für Gesundheitspolitik der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, sowie andere Berliner SPD-Landespolitiker streben eine Grundsatzdiskussion über die deutsche Drogenpolitik an. Wichtig sei „Aufklärung, Beratung und Prävention, statt nichts nützender Kriminalisierung der Gelegenheitskonsumenten“, sagte Isenberg in der Diskussionsrunde „Neue Wege in der Drogenpolitik“.

Dem Politiker geht es um einen Diskurs über eine zugelassene und kontrollierte Produktion von Cannabis, die reglementierte Abgabe an Erwachsene, den Konsum in lizensierten Coffee-Shops und ausgewählten Apotheken sowie über einen möglichen Anbau zum Eigenbedarf. „Dies müssen wir auch in Deutschland ohne Denkverbote diskutieren, denn viel spricht für einen solchen Weg“, meint er. Isenberg hofft, dass sich das Land Berlin in einer Bundesratsinitiative für entsprechende Änderungen einsetzt. Auch müssten die Mittel, die in Aufklärung und Prävention fließen, erhöht werden.

Legalisierung um Kriminalität zu vermindern

Unterstützung kommt vom Sprecher für Drogenpolitik der SPD-Bundestagsfraktion, Burkhardt Bienert. Man müsse den Gebrauch entkriminalisieren und der Nutzung von Cannabis im Betäubungsmittelgesetz „als Medikament bestimmte Wege öffnen“. Nur 300 bis 400 Menschen haben seinen Angaben zufolge hierzulande die Genehmigung für den medizinischen Gebrauch.

Legalisierung ist nicht der Anfang vom Chaos, sondern der Weg, um dieses einzudämmen, meint Sebastian Sperling, Lateinamerikaexperte der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung. Er prognostiziert, dass mit einer Legalisierung in Deutschland 3 % der Kriminalität wegfallen würde. Prohibition bewirke einen gigantischen Schwarzmarkt.

In 23 Staaten der USA ist laut Sperling Cannabis für medizinische Zwecke erhältlich, in Colorado und Washington ist es sogar legalisiert. Uruguay hat den „Krieg gegen die Drogen“ für gescheitert erklärt und als erstes Land der Welt seit Mai 2014 einen regulierten Markt für die gesamte Wertschöpfungskette von Marihuana. Im privaten Anbau sind sechs Pflanzen pro Haushalt erlaubt und eine Produktion von 480 Gramm jährlich.

Aggressiven Drogenhandel im öffentlichen Raum eindämmen

In Berlin sind fast alle Drogen zu bekommen. Den Dealern am Görlitzer Park in Kreuzberg steht die Polizei trotz wiederholter Razzien nahezu hilflos gegenüber. In der wöchentlichen Auflistung der Gerichtsverfahren haben Drogendelikte einen festen Platz. Passanten werden von den Verkäufern auf der Straße angesprochen. Dass die Polizei vorbeifährt, juckt längst niemanden mehr.

Benedikt Lux, innenpolitischer Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus, bezeichnet den Vorstoß der SPD-Fraktion für eine kontrollierte Cannabis-Abgabe als vernünftig. Damit könnten Probleme wie aggressiver Drogenhandel im öffentlichen Raum, gesundheitsgefährdende Verunreinigungen und exzessiver Konsum gemildert werden. Die Strafverfolgungsbehörden seien mit  viel unnötiger Arbeit belastet.

Bundesweit hat Berlin nach Angaben aus der CDU die meisten Cannabis-Konsumenten. Jeder fünfte Student kifft mehrmals pro Woche bis täglich. Ähnlich sieht es bei Berufsschülern und Auszubildenden aus. Die CDU-Senatoren Frank Henkel und Thomas Heilmann streben deshalb eine Null-Toleranz-Politik an.

In sogenannten drogenfreien Räumen, definiert von der Polizei, soll ab April der Besitz und der Konsum von Cannabis verfolgt werden – und zwar ab dem ersten Gramm. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler, kritisierte in der Zeitung „Die Welt“, dass es einen großen Spielraum gibt. Eigenbedarf bedeute in den meisten Bundesländern: Wer bis zu sechs Gramm bei sich hat, kann mit der Einstellung des Verfahrens rechnen. In Berlin werden sogar bis zu 15 Gramm hingenommen. Mortler ist für eine bundesweit einheitliche Sechs-Gramm-Schwelle.

Plan: Cannabis wird ab 2016 von der Kasse bezahlt

Die Drogenbauftragte macht sich zudem für eine gesetzliche Regelung stark, nach der ab 2016 schwer kranke Schmerzpatienten Cannabis auf Kassenkosten erhalten sollen.

Ihrem Vorschlag stimmt der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Jens Spahn zu: „Cannabis auf Rezept und von der Kasse bezahlt ist für bestimmte Patientengruppen sicher sinnvoll. Außerdem ist eine klare Regelung besser, als wenn sich jeder im Einzelfall gerichtlich das Recht auf Anbau im eigenen Garten erstreitet.“

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