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Danke, liebe KV-Hotline, jetzt bin ich entspannt

Autor: Dr. Robert Oberpeilsteiner

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Unser Kolumnist wird sich seines Alters bewusst und beschließt nur noch über angenehme Dinge zu schreiben. Als erstes Thema hat er sich die KV-Hotline heraus gesucht. Ob das wohl gut geht?

Bitte, es soll hier nicht um meine Befindlichkeiten gehen! Bestimmt nicht. Aber ich bin es langsam leid, mich immer nur aufzuregen. Was hab ich mir die Finger wundgeschrieben über stinkige Dauerthemen. Kritisiere ich die hirn- und seelenlose Arzthaftung für Medikamente, zieht sich mir jedes Mal sofort der Magen zusammen. Sinniere ich über eingebildete Kranke, verkrampft meine Nackenmuskulatur. Und bei Computerproblemen, da wird mir speiübel, wenn ich mitansehen muss, wie hilflos ich dieser geistlosen Kiste ausgeliefert bin.

Nein, ich werde auch älter und muss allmählich mehr an meine Gesundheit denken. Ich werde daher künftig nur noch Themen anfassen, bei denen ich mich garantiert nicht aufregen muss. So wie es Zeitungen gibt, die nur gute Nachrichten drucken, schreib ich nur noch über Angenehmes. Heute soll es um Hotlines gehen. Alle Wörter, die mir spontan mit „hot“ einfallen, haben mit höchst Erfreulichem zu tun.

Einen heißen Draht hat man ja gern zum Zahnarzt oder Automechaniker, aber zur KV?

Hotline heißt ja eigentlich „heißer Draht“. Den hat man gerne zum zartfühlenden Zahnarzt, einem günstigen Automechaniker oder geschickten Computertechniker. Keiner von uns aber käme auf die Idee, so was gleich eine Hotline zu nennen. Für manchen ist dieser Begriff aus dem Werbesprech, aufgrund sehr spezieller Erfahrungen, immer noch ähnlich beliebt wie Wohlstandsmüll, Rentnerschwemme und sozialverträgliches Frühableben.

Aber, ich wollte mich nicht aufregen. Ich für meine Person sehe das mittlerweile ohnehin ganz entspannt. Mein positiver Sinneswandel hat mit der bayrischen KV-Hotline zu tun. Ich brauchte sie kürzlich wegen eines Problems, das eigentlich keines sein hätte dürfen: der Quartalsabrechnung. Der Computer macht ja mittlerweile fast alles allein (man beachte: fast!). Doch zur Sicherheit und Identifizierung müssen wir höchstpersönlich in einer Art Sudoku-Spiel einige Kästchen ankreuzen. Dabei kann man eigentlich normal nichts verkehrt machen. Vorausgesetzt, du hast deine persönliche KV-Ident-Card (Nomen est omen).

Jetzt aber hatte ich einen Umzug hinter mir. Und als eine der Folgen war meine KV-Ident-Card in einem der unzähligen Kartons im Keller. Vergraben unter Wäsche, Büchern, Reinigungsmitteln. Also rief ich bei der KV-Hotline an, wollte mir eine neue Karte zusenden lassen und um Verlängerung der Abgabefrist meiner Abrechnung bitten. Bei Telefonaten mit Behörden verhalte ich mich ja stets sehr korrekt. Zurückhaltend und bei Bedarf auch freundlich.

Bei Telefonaten mit Behörden verhalte ich mich stets sehr korrekt. Bei Bedarf auch freundlich.

Es ließ sich auch gut an. Die Call-Dame klang erfrischend unkompliziert, trotz der Sommerhitze. Dennoch bekamen wir schnell ein Problem. Es gibt nämlich seit kurzem keine KV-Cards mehr. Ich bräuchte einen Token. Aha. Längere Gesprächspause. Ich wühlte in meinem Wortschatz. Fand aber keinen Begriff, der auch nur annähernd so klang. „Was brauche ich?“ fragte ich meine Gesprächspartnerin. Mit krächzender Stimme, schuldbewusst, wie ein Hauptschüler, der seine Hausaufgaben nicht gemacht hat.

Doch die IT-Spezialistin blieb erstaunlich locker. Sie nahm mich offenbar weiterhin ernst. Sie erklärte mir unbefangen, dass es sich dabei um einen elektronischen Schlüssel handle. Jetzt wurde ich doch neugierig. Ich las also bei Wikipedia nach. Liebe Kollegen, ich möchte Sie nicht langweilen. Aber ich möchte Ihnen andererseits auch nicht vorenthalten, was wir wissen sollten, wenn wir dieses Gerät einsetzen: In der Archäologie bezeichnet man mit Token frühgeschichtliche Rechensteinchen aus Ton. Aus dieser Sicht erscheint mir die neue Technik doch nur bedingt fortschrittlich.

Bei der Eisenbahn wiederum soll man mit einem Token einen eingleisigen Streckenabschnitt befahren können. Es kann auch die Münze zur Nutzung der New York City Subway gemeint sein. Und wem das immer noch nicht genügt, dem sei gesagt, ein Token ist ein Identifikationsmerkmal bei zustandslosen Protokollen. Comprende?

Ich bin endgültig mit mir und den Hotlines im Reinen.

Das mit den zustandslosen Protokollen habe ich noch nicht so ganz verstanden. Vor allem deren Bedeutung in meiner Praxis. Also, die freundliche und kompetente Beratung hat mir gut getan. Ich bin endgültig mit mir und den Hotlines im Reinen. Ich habe begriffen, dass die Damen und Herren auch nur ihren Job tun. Sie sind nicht verantwortlich dafür, dass wir zur Abrechnung Sudoku-Spielchen brauchen, die man leicht verlieren kann. Sie sind auch nicht schuld daran, wenn sie uns jetzt Gerätschaften zur Abrechnung zuschicken sollen, mit denen man in New York U-Bahn fahren könnte.

Wir Bayern sind ohnehin immer lieber auf der sicheren Seite. Und selbst für Telefon-Nervensägen mit der Stimme meines Navigationssystems bin ich gerüstet. In diesen Fällen werde ich künftig selbst die Initiative übernehmen. Genau. Ich flippe nie wieder aus am Telefon. Ich frage einfach: „Wie geht es Ihnen? Ihre Stimme hört sich gar nicht gut an. Spannen Sie doch ein paar Tage aus. Oder wechseln sie den Job. Versuchen Sie es doch mal bei der bayrischen KV. Die können was.“

Schau an! Ich fühle mich jetzt echt gut. Kein Magengrummeln, keine Kopfschmerzen. Positiv schreiben bringt doch was. Mal schau’n ob es dafür langfristig genügend Themen gibt. Im Notfall ruf ich bei der KV-Hotline nochmal an und lass mir was über zustandslose Protokolle in der Praxis erklären. Die werden sich bestimmt freuen!

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