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Dare to Care – Der Equal Care Day und was er bedeutet

Autor: Liesa Regner

Der Aktionstag Equal Care Day findet am 29. Februar statt und soll auf die geringe Wertschätzung und unfaire Verteilung von „Care-Arbeit“ aufmerksam machen. Der Aktionstag Equal Care Day findet am 29. Februar statt und soll auf die geringe Wertschätzung und unfaire Verteilung von „Care-Arbeit“ aufmerksam machen. © klische*esc e.V./MT
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Füreinander sorgen, sich kümmern sind lobenswerte Tätigkeiten. Dennoch begegnet unsere Gesellschaft ihnen mit wenig Anerkennung und geringem Lohn. Der Equal Care Day soll darauf aufmerksam machen.

Was haben die Pflege von kranken oder alten Menschen, Kindererziehung und der 29. Februar gemeinsam? Ein Schalttag, der nur alle vier Jahre stattfindet und sonst übergangen wird und Tätigkeiten, die zwar dauerhaft durchgeführt, jedoch nicht gesellschaftlich honoriert werden. Das ist kein Zufall. Der Aktionstag Equal Care Day findet am 29. Februar in Schaltjahren und in allen anderen Jahren am 1. März statt und soll auf die geringe Wertschätzung und unfaire Verteilung von „Care-Arbeit“ aufmerksam machen, die zu 80 % von Frauen geleistet wird. Dabei handelt es sich um Tätigkeiten des Kümmerns und Pflegens anderer Personen.

In der Medizin sind wir dauerhaft von solchen Beschäftigungen umgeben, sei es in Form von bezahlten Care-Arbeiter/innen, wie Pflegepersonal oder Sozialarbeiter/innen, oder von Personen, die unbezahlte Care-Arbeit wie die Pflege von Angehörigen leisten. Gerade im Vergleich mit dem Beruf des Arztes werden diese Tätigkeiten, wenn überhaupt, meist schlechter bezahlt und erfahren geringe gesellschaftliche Anerkennung. Zu diesen Umständen trägt maßgeblich die zunehmende Privatisierung der Care-Arbeit bei. Diese ist von wirtschaftlichem Interesse geprägt und gleichzeitig eine hilflose Reaktion auf den Pflegenotstand. Nach Angaben des Bundesministeriums für Gesundheit fehlen aktuell in allen Pflegeberufen Fachkräfte. Zahlen der Bundesagentur für Arbeit zeigen, dass 2018 alleine in der Altenpflege über 12.000 Stellen für Fachkräfte unbesetzt blieben. Eine Erhöhung der Attraktivität von Pflegeberufen, Anwerben von Pflegekräften aus dem Ausland, aber auch die Privatisierung der Pflege sind Lösungsansätze für diese aktuelle Notsituation.

„Pflege kann jeder“ vermittelt die zunehmende gewinnorientierte Privatisierung im Pflegebereich und unterstreicht damit die Herabwürdigung professioneller Care-Arbeit. Aber Pflege kann eben nicht jede und so ist eine Unterversorgung pflegebedürftiger Menschen die Folge. Durchschnittlich werden in deutschen Krankenhäusern ca. 13 Patienten/innen durch eine Pflegekraft betreut, in den Niederlanden sind es nur halb so viele. Bei dieser enormen Arbeitsbelastung bleibt gerade einmal Zeit für die essenziellen Aufgaben. Tätigkeiten wie das regelmäßige Umlagern von Patienten oder Wechseln von Schutzhosen bleiben hierbei auf der Strecke.

In anderen Arbeitsbereichen liegt eine Privatisierung viel ferner. So würden Sie sicher niemanden Ihre rechtlichen Belange klären lassen, der noch nie ein BGB aufgeschlagen hat. Groteskerweise scheint jedoch gerade bezüglich pflegerischer Tätigkeiten die Hemmschwelle der Abgabe dieser Aufgaben in wenig ausgebildete Hände äußerst niedrig zu sein.

Jeder hat ein Recht auf professionelle pflegerische Versorgung, doch solange geforderte Fachlichkeit nicht bezahlt und große Verantwortung nicht wertgeschätzt wird, befinden wir uns in einer Abwärtsspirale auf Kosten pflegebedürftiger Menschen.

Ein Umdenken muss her. Was ist Ihnen die Pflege wert, die Ihre Patienten oder auch Angehörige erfahren? Wie sollte die Gesellschaft Menschen begegnen, die täglich diese physisch und psychisch fordernden Tätigkeiten verrichten, die sich maßgeblich auf die Lebensqualität anderer Menschen auswirken? Im Klinikalltag sind von ärztlichen Kollegen auch heute noch Aussagen wie „Wir Ärzte haben ja auch mehr Verantwortung“ zu hören. Gerade wir, die junge Ärzte-Generation, sind in der Verantwortung, veraltete Rollenbilder hinter uns zu lassen und den Weg für mehr Gemeinschaftssinn und Gleichberechtigung frei zu machen. Für Klassendenken ist in der Medizin kein Platz. Unterschiedliche Expertisen bilden das Gerüst für eine erfolgreiche Behandlung. Sei es eine fehlerhaft angeordnete Medikation oder ein schlecht versorgter Wundverband, Verantwortung lastet auf allen Schultern gleich. Für Wertschätzung sollte dies auch gelten.

Liesa Regner hat ihr Medizinstudium an der Universität des Saarlandes abgeschlossen und ist in der Neurologie des Universitätsklinikums Münster als Assistenzärztin tätig. Als Berufseinsteigerin schreibt sie für die Medical Tribune über Themen, die junge Ärztinnen und Ärzte bewegen.
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