Hausärztetag Der Verband fühlt sich stark
Noch bevor man sich auf dem Verbandstag in Berlin mit den eigentlichen hausärztlichen Themen befasste, ließ es sich Ulrich Weigeldt, der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbands (DHÄV), nicht nehmen, doch einige Worte zur derzeitigen Situation bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) zu verlieren. Dort liegt man derzeit im Clinch, statt sich mit Sachthemen zu beschäftigen, wirft man sich gegenseitig korruptes Verhalten vor. Mittlerweile wurde sogar die Staatanwaltschaft eingeschaltet, um mögliches Fehlverhalten einiger hochrangiger KBV-Leute zu untersuchen.
„Es gibt kein imperatives Mandat für die Mitglieder des Hausärzteverbandes“, so wies Weigeldt jede direkte Einflussnahme auf die aktuelle Situation in der Kassenärztlichen Bundesvereinigung durch die hausärztlichen Mandatsträger zurück. Dessen ungeachtet forderte er bei der Pressekonferenz zum Auftakt des 37. Deutschen Hausärztetages zusammen mit seinem Hauptgeschäftsführer Eberhard Mehl, die Alternativen zum KV-System weiter zu stärken und auszubauen. „Trotz der Fortschritte der letzten Jahre werden den Selektivverträgen immer noch Steine in den Weg gelegt, die dann mit viel Mühe wieder weggeräumt werden müssen. Mehr als je zuvor brauchen wir aber die bereits funktionierenden Alternativen zu dem maroden KV-System“, so sein Aufruf zur Geschlossenheit.
Knüppelwerfer
Weigeldt ist nach wie vor davon überzeugt, dass die „alten“ KV-Strukturen die hausärztliche Versorgung nicht mehr gewährleisten können. Dies liege auch daran, dass die hausärztlichen Interessen in vielen Kassenärztlichen Vereinigungen, aber auch in der KBV quasi keine Rolle spielten und benachteiligt würden. Die Tatsache, dass sich die Situation der hausärztlichen Versorgung in den letzten Jahren stabilisiert habe, sei „ausschließlich Verdienst der freien Verbände und der Kolleginnen und Kollegen in den Praxen“. Innerhalb der Selbstverwaltung würden den Hausärzten „nach wie vor Knüppel zwischen die Beine geworfen. Der Skandal um die Nichtärztliche Praxisassistentin (NäPa) ist nur die Spitze des Eisbergs“, beklagte sich der DHÄV-Chef bitter.
Hintergrund für die Verärgerung ist, dass der zwischen der KBV und dem GKV-Spitzenverband im vergangenen Jahr ausgehandelte Honorarabschluss dazu führt, dass ein großer Teil der für die Hausärzte vorgesehenen Honorare von knapp 120 Millionen Euro nicht abgerufen werden kann. „Extrem hohe bürokratische Hürden sowie die systematische Benachteiligung der Ärzte, die an der Hausarztzentrierten Versorgung teilnehmen“, seien die Ursache dafür. Trotz aller Widerstände habe sich die Zahl der eingeschriebenen Versicherten gerechnet vom Tiefstand 2011 mit knapp 2 Millionen Versicherten zwischenzeitlich auf aktuell 3,8 Millionen (III. Quartal 2015) erholt und damit fast wieder den Höchststand von 2010 mit 4,5 Millionen eingeschriebenen Versicherten erreicht.
„Intrinsische Korruption“
Angesichts der "zunehmenden Turbulenzen" im System der Selbstverwaltung fordert Mehl konkrete Schritte, um bestehende Alternativen zu stärken. „Die Selbstverwaltung ist Teil des Problems und es fällt schwer, sich vorzustellen, wie sie plötzlich Teil der Lösung sein soll. Wir müssen daher jetzt dafür sorgen, funktionierende Alternativen wie die Verträge zur Hausarztzentrierten Versorgung weiter zu stärken. Hierfür brauchen wir zum Beispiel einfachere Bereinigungsregeln. Über Bereinigungstricks versuchen die Kassenärztlichen Vereinigungen immer noch zu blockieren. Damit muss jetzt endlich Schluss sein“, ätzt der DHÄV-Hauptgeschäftsführer gegen die kollektive Obrigkeit. Scharfe Attacken reitet Weigeldt gegen die Selbstverwaltung im Allgemeinen und die KBV insbesondere angesichts der Vorgänge um den vormaligen Vorsitzenden Dr. Andreas Köhler und den Vorsitzenden der Vertreterversammlung Hans-Joachim Weidhaas mit dem Vorwurf, es gebe dort „die Neigung zur intrinsischen Korruption“. Doch auch die Bundesärztekammer (BÄK) kam nicht ungeschoren davon. Die Missachtung und damit Herabstufung der Primärversorgung sieht Mehl in der Eingliederung der Akademie für Allgemeinmedizin als bloße BÄK-Arbeitsgruppe. Damit werde eine eigenständige Hausarztversorgung von der BÄK ad acta gelegt, so lautet der Vorwurf.
Klares Votum
Die Wiederwahl des derart erfolgreichen Vorsitzenden war danach eine reine Formsache. So wird Ulrich Weigeldt mit 92 % der Stimmen für 4 weitere Jahre als Bundesvorsitzender die Geschicke des Deutschen Hausärzteverbandes lenken. Einen Gegenkandidaten gab es nicht. Als erster stellvertretender Vorsitzender ebenfalls wiedergewählt kann Dr. Dieter Geis aus Bayern 84 % der Stimmen auf sich vereinen. Dr. Berthold Dietsche (Baden-Württemberg) wird als zweiter stellvertretender Bundesvorsitzender gleichauf mit Weigeldt mit 92 % von den Delegierten erneut an die Front geschickt. Als dritte stellvertretende Bundesvorsitzende unterstützt Ingrid Dänschel aus Sachsen ausgestattet mit einem 89 %-Votum das männliche Führungstandem.
Lobgesang
Die Gratulationskur zu seinem 65. Geburtstag wird für Ulrich Weigeldt zur Kür. Auf dem Parkett im Tipi mit Rufweite zum Kanzleramt reicht der DHÄV-Ehrenvorsitzende Professor Dr. Klaus-Dieter Kossow den Dirigentenstab zunächst an Ulla Schmidt, die den Jubilar als „wichtigen Begleiter der Patienten im Haifischbecken des Gesundheitswesens“ würdigt, ohne den Eigenanteil zur Realisierung des § 73 b SGB V unter den Scheffel zu stellen: „All das, wofür wir so lange gestritten haben, ist heute selbstverständlich.“ Lutz Stroppe als Vertreter des im Rahmen der aktuellen Flüchtlingsversorgung verhinderten Bundesgesundheitsministers lobt das Verhandlungsgeschick Weigeldts als „ … auf die Zukunft ausgerichtet“. Als Geburtstagsgeschenk verspricht der Staatssekretär Nachbesserung bei der Einrichtung von weiteren Lehrstühlen für Allgemeinmedizin. Bei so viel Ehrenbezeigungen bleibt Weigeldt am Ende nur noch die artige Verbeugung vor der Basis: „Allein bringt man nichts hin.“ Mitkämpfer und Anhänger klatschen anhaltend Beifall und lassen den Chef hochleben.
Autor:
Hans Glatzl
Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (19) Seite 29-30
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.