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Die Fachsprache muss beherrscht werden

Autor: Ruth Bahners, Foto: thinkstock

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Die Fachsprache muss sitzen - ein Großteil der ausländischen Ärzte hat aber gerade damit Probleme und fällt im ersten Anlauf durch die Fachsprachenprüfungen der Ärztekammern in Nordrhein-Westfalen (NRW).

Seit zwei Jahren sind in Nordrhein-Westfalen die beiden Ärztekammern für die Fachsprachenprüfungen zuständig. 2014 waren es vor allem Ärzte, z.B. aus Griechenland, die angeworben wurden, um dem Ärztemangel in den Kliniken abzuhelfen. Heute sind es vor allem Flüchtlinge, vornehmlich aus den Krisenländern des Nahen Ostens.

Von den 78 000 Ärzten in NRW stammen rund 9000 Ärzte nicht aus Deutschland. Unter den Berufseinsteigern und Assistenz­ärzten in Westfalen-Lippe hat nach Angaben der Ärztekammer jeder zweite Arzt eine ausländische Staatsangehörigkeit.

"Ausländische Ärzte helfen uns, unsere Arzt-Arbeitszeitlücke zu schließen", meinte Bernd Zimmer, Vizepräsident der Ärztekammer Nordrhein (ÄKNo), bei einer Bilanzveranstaltung zur Fachsprachenprüfung in Herne. Durch die Übertragung dieser Prüfungen an die Kammern sei das Sprachniveau deutlich gestiegen. "Das ist Qualitätssicherung. Denn eine gute Sprache bedeutet Sicherheit für die Patienten, für den Kollegen selbst und auch für die anderen Kollegen", so Zimmer.

In den Prüfungen bekommen die Kollegen nichts geschenkt. Denn: "In der Medizin gibt es sehr, sehr knappe Grenzentscheidungen, deshalb ist eine präzise Fachsprache unverzichtbar", erläutert Dr. Patrick Boldt, bei der ÄKNo zuständig für die Fachsprachenprüfung.

Entscheidend im klinischen Alltag ist das Verständnis des Zurufs. "Zwei ungekreuzte, pronto!" z.B. könne lebenswichtig sein für den Patienten. In der Langfassung heißt das: "Können Sie bitte bei der Blutbank anrufen und zwei Blutkonserven der Blutgruppe 0 Rhesus negativ nicht zur sofortigen Lieferung bestellen, sondern jetzt. Auf das Ergebnis der Kreuzprobe können wir leider nicht warten, eine nachträgliche Bekanntgabe reicht. Ich bin mir des Risikos bewusst!". Für die Langfassung sei manchmal keine Zeit, so Boldt.

Wiederholungsprüfungen senken die Durchfallquote

Er bezeichnet die Fachsprachenprüfungen als die "transparentesten Prüfungen, die Ärztekammern durchführen". Sie bestehen aus drei Teilen, die dem ärztlichen Alltag entsprechen: einer simulierten Patientenbegegnung mit Anamnese; dem Schreiben eines Arztbriefes und dem Visitengespräch. Das Prüfungsziel: Der Kandidat soll sich sprachlich angemessen flexibel und dynamisch im Berufsalltag bewegen können gegenüber Patienten und Kollegen.

Es falle auf, dass etliche Kollegen in der Laiensprache gut unterrichtet seien, Kenntnisse der Fachsprache aber so gut wie nicht vorhanden seien, sagt Jürgen Herdt von der ÄK Westfalen-Lippe: "Deshalb fallen über 40 % durch." Durch Wiederholungsprüfungen reduziere sich die Durchfallquote mit der Zeit auf 3 %.

In Westfalen wurden bis Ende 2015 1794 dieser Prüfungen durchgeführt. Laut Boldt hat die Prüfpraxis gezeigt, dass selbst Kandidaten mit einem C1-Zertifikat der Sprachschule, die sie vorher zum Spracherwerb besucht hatten, den Ansprüchen an die Fachsprache nicht gewachsen sind.

Die beiden Kammervertreter kritisieren deshalb: Die Zertifikate des vorausgegangenen Sprach­erwerbs würden häufig nicht den tatsächlichen Fähigkeiten entsprechen. Dadurch würden die Kandidaten ihre eigene Sprachkompetenz falsch einschätzen.

"Sprachinstitute spiegeln Serviceleis­tungen vor, dabei wollen sie Geld verdienen", so Boldt. Die ÄKNo prüfe, ob sie ein Verzeichnis von zu empfehlenden Instituten herausgeben kann. Vor allem aber müssten sich die Kandidaten mehr Zeit für die Prüfungsvorbereitung nehmen. Doch der finanzielle und familiäre Erfolgsdruck sei sehr groß, meint Herdt.

Durch Auswendiglernen von Fachbegriffen lasse sich die für einen Arzt notwendige Sprachkompetenz nicht erwerben. Es reiche z.B. nicht, Patienten während der Anamnese nur geschlossene Fragen zu stellen, die sie nur mit Ja oder Nein beantworten könnten. Er erinnert daran, dass Sprache in der Medizin nicht nur Medium der Kommunikation ist, "sondern zentraler Teil des Behandlungsprozesses, eben sprechende Medizin".

Kollegen auf Fehler sofort hinweisen

Fachsprachenkenntnisse ließen sich nicht nebenbei, etwa während eines Praktikums in einer Klinik, erwerben. Herdt empfiehlt den Kliniken, die ausländischen Kollegen im Klinikalltag "positiv kritisch" auf Fehler hinzuweisen und sprachlich zu korrigieren.

Durch "Sprachhospitationen" könnten die Krankenhäuser den Kandidaten helfen. Dabei sollten vor allem kontextrelevante Aspekte vermittelt werden. Als Beispiele nennt Herdt die Problematik ähnlich klingender Wörter, wie Vorfall – Verfall, Schlaf – schlaff, Unterleib – Unterlappen oder zusammengesetzte Verben, wie "ausstrahlen" und "bestrahlen". Allerdings dürfe man die Kliniken auch nicht überfordern.

 

Sprach- und Kenntnisprüfungen

 

Ausländische Ärzte müssen zur Erteilung der Approbation oder einer Berufserlaubnis nachweisen: ein Zertifikat der Stufe B2 über den Erwerb der deutschen Sprache sowie eine bestandene Fachsprachenprüfung.

Ärzte aus Nicht-EU-Ländern müssen eine Kenntnisprüfung in den Fächern Innere Medizin und Chirurgie sowie fächerübergreifende Fragestellungen in Form einer mündlich-praktischen Prüfung mit Patientenvorstellung ablegen.

Arbeitgeber beachten Ausbildungszeit nicht

Auch bei den sog. Kenntnisprüfungen gebe es "eine deutliche Zunahme der Durchfallzahlen", berichtet Felix Pleschinger, juristischer Referent für die Kenntnisprüfungen bei der Bezirksregierung Düsseldorf. Dabei werden Kenntnisse entsprechend dem dritten Teil des medizinischen Staatsexamens geprüft (sie­he Kasten). 2015 wurden in NRW 269 dieser Prüfungen abgehalten.

Viele Kandidaten hätten keine Zeit zu lernen, sondern würden "Tag und Nacht in der Klinik arbeiten", so Pleschinger. Dabei sei die befristete Berufserlaubnis dafür gedacht, Kenntnisse für die Prüfung zu erwerben. Manche Ärzte würden ihre Facharztweiterbildung beginnen, statt sich auf die Prüfung vorzubereiten.

Im Gegensatz zu den Sprachprüfungen haben die Kandidaten bei den Kenntnisprüfungen nur drei Versuche. Deshalb die Empfehlung auch hier: Zeit nehmen, gründlich vorbereiten und keine Prüfungstermine unentschuldigt versäumen.


Quelle: Medical-Tribune-Bericht

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