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Die KV ist tot! Es lebe die KV!

Autor: Dr. Günter Gerhardt

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Quo vadis, KVen? Über die Aufgaben und Sinnhaftigkeit der KVen wird hitzig diskutiert. Grund genug für MT-Kolumnist Dr. Günter Gerhardt das Thema zu beleuchten.

Die Zahl derer, die eine Abschaffung der KV oder zumindest eine Neuorientierung fordern, wird größer. Für den Einstieg in eine solche Diskussion erscheint ein kurzer Exkurs in die KV-Geschichte sinnvoll. Am 1.1.1932 wurden die KVen gegründet. Ein zermürbender Kampf zwischen Ärzten und Kassen war damit vorerst beendet.


Nach nur rund eineinhalb Jahren endete die Ära, im August 1933 wurde aus den KVen die Kassenärztliche Vereinigung Deutschlands mit einem Reichsärzteführer an der Spitze. Die kassenärztlichen Strukturen wurden zu Werkzeugen der nationalsozialistischen „Rassenpolitik“ mit dem Ziel des Ausschlusses jüdischer Ärzte aus dem System der kassenärztlichen Versorgung.


Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs organisierten ab Mai 1945 die KVen die medizinische Versorgung. Doch erst im Mai 1957 wurde ein neues Kassenarztrecht im Bundestag verabschiedet. Die 1950er- und 1960er-Jahre standen im Zeichen wirtschaftlicher Prosperität, wovon auch die Kassenärzte profitierten. Bis zur sog. Kostenexplosion in den 1970er-Jahren und dem ersten Kostendämpfungsgesetz 1977. Ab diesem Zeitpunkt jagte mit zunehmender Geschwindigkeit ein Gesetz das andere. Die KV mutierte fast ausschließlich zum Umsetzer dieser gesetzlichen Vorgaben, teilweise mit einer Gründlichkeit, die so von der Politik gar nicht gewollt war.

»Versuchen KVen sich aufmüpfige Ärzte gefügig zu machen?«

So wurde z.B. die Plausibilitätsprüfung zu einem Zeitpunkt eingeführt, als zahlreiche Vertragsärzte unter dem Verdacht des Abrechnungsbetrugs von Staatsanwälten und Sokos verfolgt wurden. Mit der Plausibilitätsprüfung wurde der Ärztehatz teilweise ein Ende gesetzt, indem die KVen – und seit 2004 auch die Kassen – die Arbeit des Staatsanwalts übernehmen, ihn aber bei Vorliegen bestimmter Tatbestände einschalten müssen.


Wenn KVen die Plausibilitätsprüfung aufblähen, verbreiten sie damit Angst und Schrecken unter den Ärzten. Es entsteht der Eindruck, als würde die KV versuchen, sich aufmüpfige Ärzte gefügig zu machen. Wenn sie dann noch Vertragsärzte in großer Zahl bei der Staatsanwaltschaft anzeigt, ist das, gelinde gesagt,  ein „Übers-Ziel-Hinausschießen“. Denn trotz ihrer Janusköpfigkeit gehört zu den Aufgaben der KV die Interessenvertretung, also die wirtschaftliche Existenzsicherung und nicht die Existenzzerstörung.


Also die KV abschaffen? Auf keinen Fall! So schnell würden wir es nicht mehr erreichen, uns – mit einer Verankerung im Gesetz – weitgehend selbst zu verwalten. Was wir dringend benötigen, ist eine Reform der ärztlichen Selbstverwaltung. Dazu bedarf es einer neuen Professionalität. Hier könnte der erste Schritt eine Reform der Vertreterversammlungen (VV) von KV und Kammer sein.


Wenige Vertreter müssen mit mehr Aufgaben betraut werden, die auch honoriert werden. Die Vertreter werden zu einem regionalen Knotenpunkt von KV und Kammer. Sie werden durch ihre regelmäßigen und zeitnahen Informationen zum Bindeglied zwischen Niedergelassenen/Krankenhausärzten und KV/Kammer (unter einem Dach!).

»Regionale ärztliche Knoten statt teurer Deoppelstrukturen«

Diese Lotsenfunktion gibt es schon, sie würde lediglich ergänzt und aufgewertet. Natürlich müssten diese VV-Ärztinnen und -Ärzte geschult werden. Aber wäre das nicht eine gute Investition? Denn diese regionalen Knoten könnten vielleicht ihr Aufgabenspektrum erweitern: Wer, wenn nicht diese Ärzte vor Ort, könnte frühzeitig einen sich abzeichnenden Ärztemangel erkennen und – in Tuchfühlung zu KV, Kammer und Landespolitik – reagieren?


Keine Frage, das wird nicht billig. Es bedürfte auch einiger unpopulärer Maßnahmen wie des Abbaus teurer Doppelstrukturen (die Zusammenlegung von Kammer und KV) samt Ersatz von regionalen Bezirks-/Abrechnungsstellen durch die beschriebenen regionalen Knoten. Von dieser Verschlankung wären auch die teuren Doppelstrukturen Kassenärztliche Bundesvereinigung und Bundesärztekammer betroffen. Heilige Kühe, ich weiß!


Zugegebenermaßen ist das alles noch nicht zu Ende gedacht. Aber sollen wir es einfach weiterlaufen lassen bis zum großen Crash? Nein, wir müssen uns professioneller/syn­ergistischer aufstellen und damit mehr Interessenvertretung wagen, ohne den Sicherstellungsauftrag und die Gewährleistungspflicht zu vernachlässigen.

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