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Die Sprach-Verwirrung ist völlig hausgemacht

Autor: Dr. Robert Oberpeilsteiner

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„Es gibt inzwischen Krankenhäuser, in denen kaum noch ein Arzt richtig Deutsch spricht“, beschwerte sich kürzlich, Dr. Frank-Ulrich Montgomery, das liege an den vielen ausländischen Ärzten. MT-Kolumnist Dr. Robert Oberpeilsteiner fand ganz andere Ursachen für die Sprach-Verwirung.

Es gibt zu wenige Pflegekräfte. Das ist klar wie Kloßbrühe. Da wir Älteren immer noch älter werden wollen, brauchen wir sie. Aber wo hernehmen und nicht stehlen? Als  Lösung wird angeboten, die Bedeutung der Pflegeberufe müsse aufgehübscht werden. Durch Abitur, akademisches Studium, mehr Kohle. Dabei ist es ohnehin, unabhängig von den Bedarfsplanungen, doch kein Geheimnis: Eine Pflegerin, ein Pfleger könnte für manchen von uns einmal der wichtigste Mensch im Leben sein.


Und spätestens dann, wenn wir selbst alles gerade noch so weit in die Reihe kriegen, um zu schimpfen – „her mit der Schnabeltasse, aber dalli!“ – wird es eine vergleichsweise untergeordnete Rolle spielen, ob er oder sie Abi­tur hat. Viel wichtiger ist in diesem Moment, dass uns das Wort „Tasse“ endlich wieder eingefallen ist.


Die Bedeutung des Pflegeberufs bereitet mir daher kein Kopfzerbrechen. Eher schon ein anderer Punkt: Immer mehr medizinisches Personal kommt aus einem uns fremden Sprachraum. Ja, ja, ich weiß, was viele jetzt frotzeln. „Ihr braucht am Königssee ja nur endlich hochdeutsch zu lernen.“ Jetzt macht mal halblang, liebe Preußen. Hört euch nur mal um! In den Heimen der Republik wird geschwätzt und gebabbelt bis zum Kann-nit-Verstan.

»Berliner 
Schnauze überfordert Bayern«

Kürzlich war wieder einmal eine neue Schwester in dem Altenheim, das ich mitbetreue. Ich bitte sie also routinemäßig freundlichst, doch bei der alten Frau R. nachzusehen. Daraufhin passiert erst einmal nichts. Dann sieht sie mich an, als sei ich der Weihnachtsmann oder hätte ihr ein unsittliches Angebot gemacht. Oder beides. Nach einer längeren rhetorischen Pause ergeht schließlich ihre Aufforderung an mich, ich solle mir doch eine andere Schwes­ter suchen, sie selbst verstehe den hiesigen Dialekt nicht. Aber, hallo! War ich denn schon in Urlaub?


Ich war so verblüfft, dass ich zu fragen vergaß, auf welche Art und Weise sie denn hier üblicherweise kommuniziere, wenn ihr die Sprache unserer Region als Kontaktmedium verschlossen sei. Mein bestes Harry-Valerien-Deutsch, das man in Shanghai zuletzt sogar auf Englisch verstand, sollte ihr nicht genügen? Aber vielleicht sind einfach bestimmte Mundarten miteinander nicht kompatibel.


Sie selbst parlierte nämlich in jenem Slang, der einer Landsfrau von ihr kürzlich, als diese einen Flug nach Porto buchte, ein Ticket nach Bordeaux einbrachte. (Vermutlich hatte sie dummerweise über ein Münchner Reisebüro gebucht.) Ich stelle dies alles lediglich wohlwollend fest. Vorurteilsfrei. Ich liebe nämlich die zunehmende babylonische Sprachvielfalt. Ihre Kollateralschäden müssen wir wie Nebenwirkungen eben in Kauf nehmen.


Das ändert freilich nichts daran, dass es wie beim Turmbau zu Babel landauf, landab Probleme gibt. Das Älterwerden ist ja an sich schon ein riskantes Unterfangen. Vieles wird zu einem fragilen Gleichgewicht. Und kleine Störungen können manchmal große Folgen haben. Nehmen wir doch beispielsweise einen Altenheimbewohner, der zunehmend schwer hört, dessen Demenz vielleicht fortschreitet, dessen Wortschatz sich immer mehr reduziert. Er ist besonders darauf angewiesen, dass man verständlich, deutlich mit ihm spricht.


Der wird jetzt plötzlich in feinstem Kiezdeutsch gefragt von dem Pfleger, der rechts einen Ring trägt, nicht am Finger, sondern an der Nase: „Na Alda, was geht denn mit dir ab?“ Wer weiß, vielleicht gefällt es dem Alten, wenn er mal einen anderen Zungenschlag wahrnimmt. Immer noch besser als der Fernseher den ganzen Tag. Dass er etwas nicht kapiert, daran hat er sich schon lange gewöhnt. Aber wirklich verstanden fühlt er sich auch nicht. Eher glaubt er, man habe ihn bereits aus wirtschaftlichen Gründen in einem europäischen Billiglohnland endgelagert.

»Über ausländische Ärzte und Pfleger sollten wir froh sein«

Kann man den alten Leutchen helfen? Was hat der medizinische Dienst für Kriterien? Und wie weit ist Kommunikation überhaupt abfragbar und prüfbar? Man könnte natürlich für Alte und Behinderte einen kommunikativen Standard verlangen, der ihnen die obengenannten Sorgen abnimmt. Doch das hieße wohl, das Kind mit dem Bade auszuschütten.


Ist Ihnen etwas aufgefallen? Ich habe bisher nur von der Vielfalt unserer deutschen Mundarten in Altersheimen gesprochen. Nicht im Geringsten von Kliniken mit zunehmend ausländischem Personal. „Es gibt inzwischen Krankenhäuser, in denen kaum noch ein Arzt richtig deutsch spricht“, beschwerte sich kürzlich der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, in der „Welt“. Damit lieferte er eine Steilvorlage für Pöbeleien gegen „ausländische Billig-Mediziner, die kaum Deutsch sprechen und deshalb zu Fehldiagnosen und Fehlbehandlungen neigen“. So formulierte es die NPD – und zwar die im Freistaat Sachsen. Wie war das noch mit der Aussprache von Porto und der daraus resultierenden Fehlbuchung (siehe oben)?


Seien wir froh, dass Ärzte und Pflegepersonal aus dem Ausland die Lücken füllen und sich um unsere Alten und Patienten kümmern. Sie als Verursacher jeglicher Kommunikationsprobleme im Medizin- und Pflegebetrieb zu verunglimpfen, taugt nicht. Die babylonische Verwirrung schaffen wir auch ganz alleine – und zwar zuhauf.

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