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Doping – die nie endende Horrorgeschichte

Autor: Ulrich Abendroth, Foto: thinkstock

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Der Arzneimittelmissbrauch zur sportlichen Leistungssteigerung ist nach wie vor ein Massenphänomen. Und: Erschreckend oft sind Ärzte involviert.

So mancher vermeintliche Dopingsünder im Spitzensport ist eigentlich ein Pechvogel, so wie Evi Sachenbacher-Stehle. Im Urin der Biathletin hatte man während der olympischen Winterspiele in Sotschi Spuren der dem Amphetamin ähnlichen Substanz Methylhexanamin nachgewiesen. Die Sportlerin gab an, ein Ernährungsberater habe ihr ein Diätetikum gegeben. Das war wohl verunreinigt. Schluss mit Olympia.

Synthol spritzen: dicke Arme ohne Kraftzuwachs

So mancher, der besonders imposant erscheinen will, pumpt seine Muskeln regelrecht auf. Vor allem jugendliche Möchtegern-Kraftmeier injizieren sich über Wochen oder sogar Monate Synthol in den Muskel, bevorzugt in den Bizeps oder den Trizeps.


Synthol ist ein Gemisch aus 85 % mittelkettigen Triglyzeriden sowie jeweils 7,5 % Lidocain und Benzylalkohol. Wird viel davon gespritzt, schwellen die Oberarme auf bis zu 65 cm Umfang an, was oft geradezu grotesk oder unförmig-schwabbelig aussieht.


Ein Kraftzuwachs wird durch das Öl nicht erzielt, dafür kann es zu Nervenschäden, Destruktion von Muskelfasern, Abszessen und Lungenembolien kommen.

Cotinin im Nichtraucher-Urin

Es kommt aber auch vor, dass Athleten, die pharmakologisch manipulieren, über ihre eigene Dämlichkeit stolpern, berichtete der in Hühnfed niedergelassene Internist Privatdozent Dr. Christoph Raschka.


Als Beispiel nannte der am Institut für Sportwissenschaft der Universität Würzburg lehrende Kollege den Fall eines Radrennfahrers, der sich vor der Dopingkontrolle Fremdurin in die Blase instilliert hatte, um seinen Missbrauch zu vertuschen.


Der Sportler war Nichtraucher, in der Urinprobe fand sich aber eine ordentliche Menge des Nikotin-Abbauproduktes Cotinin – Künstlerpech.

Jeder Vierte erhält seine Dopingmittel vom Doktor

Doch Doping ist keineswegs nur ein Phänomen des Spitzensports, im Freizeitsport ist es ebenfalls weit verbreitet, betonte Dr. Raschka. In einer 2013 erfolgten Befragung von 484 Sportlern in elf Fitnessstudios im Großraum Frankfurt gaben 12,9 % der Männer und 3,6 % der Frauen an, ein oder mehrere Medikamente zur Leistungssteigerung zu nehmen. Deutlich höher waren die Zahlen, wenn bei der Analyse nur die kommerziellen Fitness-Studios berücksichtigt wurden, nicht der Vereins- und Hochschulsport.

In den umsatzorientierten „Muckibuden“ konsumierten 26 % der Männer und 14 % der Frauen Stimulanzien, Anabolika, Somatotropin oder ähnliche Wirkstoffe.


Dabei, so hob der Sportmediziner hervor, waren diese Substanzen in etwa 28 % der Fälle ärztlich verschrieben worden. „Das ist wirklich ein Skandal!“


Bedarf an leistungssteigernden Mitteln haben vor allem Kraftsportler, die sich bereits seit zwei Jahren mit Hantelbank und Beinpresse quälen. Denn nach dieser Zeit intensiven Trainings ist ein Plateau des Muskelzuwachses erreicht. Um dann Bizeps & Co. noch weiter schwellen zu lassen, muss zu Pharmaka gegriffen werden, erklärte Dr. Raschka.

Die aktuelle WADA-Liste 
online beobachten

Die Liste der im Sport verbotenen Substanzen wird von der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) ständig erweitert. 2014 sind z.B. Releasing Factors, bestimmte Wachstumsfaktoren und Vasopressin-Antagonisten hinzugekommen. Ärzte, die Leistungssportler betreuen, sollten daher immer wieder nachschauen, ob die Liste verändert wurde. Sie finden das Papier stets in aktueller Fassung unter:


Auf der Seite der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA) gibt es auch Beispiellisten zulässiger Medikamente und einen Musterantrag für medizinisch begründete Ausnahmegenehmigungen.

Männer schlucken Tamoxifen gegen Anabolika-Brüste

Es gibt typische Stigmata, die auf einen Missbrauch hinweisen. Bei Androgenen/Anabolika sind das außer der bekannten Steroid-Akne z.B. eine Alopecia androgenetica, Exophthalmus und Quellmuskulatur. Bei Männern kommt es auch zur Gynäkomastie (die manche z.B. mit Tamoxifen zu verhindern suchen) zu Striae und zur Genitalatrophie. Bei Frauen deuten Schildknorpelhypertrophie, maskulines Breitenwachstum, Mammaatrophie und Klitorishypertrophie auf einen möglichen Anabolika-Konsum.


An Wachstumshormone ist zu denken, wenn die Haare eines Patienten an eine Drahtbürste erinnern. Gleiches gilt bei Stirnvorwölbung, Supraorbitalwulst, Nasenverlängerung, vergröberten Gesichtszügen, aufgeworfenen Lippen, Zahndistensionen sowie Karpaltunnelsyndrom, riesigen „Pratzenhänden“ und stark vergrößerten Füßen.


Außerdem hat das Doping auch orthopädische Folgen, betonte der Experte. Das Skelett sei dem Gewicht der Muskelberge vielfach nicht gewachsen. So hätten 92 % der DDR-Doping-Opfer Erkrankungen des Bewegungsapparates aufgewiesen. Auch knapp drei Viertel der Anabolika-User unter 2552 befragten ehemaligen US-Profi-Footballspielern hätten über Rückenschmerzen geklagt, während dies bei den Non-Usern nur zu knapp 55 % der Fall war.

Boosting – so dopen Rollstuhlfahrer

Querschnittgelähmte mit einer Rückenmarkläsion bei Th6 oder höher können durch nozizeptive Stimuli – etwa eine übervolle Harnblase – eine autonome Dysreflexie erleiden. Sie entspricht einer sympathischen Aktivierung – Blutdruck und Herzfrequenz jagen teils gefährlich hoch.
Diesen Mechanismus machen sich manche körperbehinderte Sportler zunutze. Vor einem Rollstuhlrennen brechen sie sich z.B. einen Zeh, versetzen sich Elektroschocks, klemmen sich die Hoden oder installieren spitze Schrauben in Sitzfläche oder Rückenlehne ihres Rollstuhls.


Dieses „Boosting“ genannte und im Behindertensport als Doping gewertete Prozedere bewirkt einen amphetaminartigen Effekt, erklärte Dr. Raschka. Auf einer Fahrstrecke von 7,5 km seien Rollstuhlfahrer dadurch knapp 10 % schneller. Eine anonyme Umfrage bei den Paralympics 2008 in Peking ergab, dass 17 % der infage kommenden Athleten diese unzulässige Methode nutzten.


Quelle: 120. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin

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