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Appell an BDRh-Mitglieder Erheben Sie Ihre Stimme!

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

Defizite in der Versorgung, insbesondere im ländlichen Raum, werden auch von der Deutschen Rheuma-Liga kritisiert. Defizite in der Versorgung, insbesondere im ländlichen Raum, werden auch von der Deutschen Rheuma-Liga kritisiert. © Marco2811 – stock.adobe.com
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Die ambulante Rheumatologie sieht sich einem gravierenden Versorgungsproblem gegenüber, denn ein Drittel der Ärzte wird in den nächsten fünf Jahren aus Altersgründen ausscheiden. Praxisnachwuchs lässt sich über Weiterbildungsstellen gewinnen, doch hier gibt es Defizite.

Circa 1,5 Mio. Erwachsene und etwa 40.000 Minderjährige in Deutschland leben mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen. Zählt man Menschen mit muskuloskelettalen Erkrankungen hinzu, sind es sogar 18 Mio. Betroffene, die einer lebenslangen Betreuung durch Rheumatologinnen und Rheumatologen bedürfen. Darauf hat das „Bündnis für Rheumatologie“ im November 2021 in einem Positionspapier hingewiesen. 

Wie eine Erhebung der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie zeigt, versorgt ein niedergelassener internistischer Rheumatologe statis­tisch 100.000 betroffene Erwachsene. Mit 1.350 Kollegen (zwei pro 100.000) wäre eine bedarfsgerechte Minimalversorgung machbar, mit 2.100 Kollegen (drei pro 100.000) ein medizinisch adäquates Angebot. Der Weg zur Angebotsausweitung wäre eine verbesserte ambulante und stationäre Weiterbildungssituation. 

Die Unterversorgung in der Rheumatologie war auch Thema beim 17. Kongress des Berufsverbandes Deutscher Rheumatologen. Dabei zeigte sich allerdings eine regional durchaus unterschiedliche Bedarfssituation. 

Eine erhebliche Unterversorgung in der Rheumatologie habe bei ihm bisher nicht auf der Agenda gestanden, sagte Dr. Burkhard Ruppert, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin. Berlin gehöre wie Hamburg und das Saarland zu den KV-Bereichen, wo alle Rheumatologen-Stellen besetzt seien. Es gebe laut bundesweiter Quotenregelung von 2019 für Rheumatologen eine Mindestquote von 8 % unter den Fachinternisten, in Berlin seien es mittlerweile 9 %. 

Er habe sich im Vorfeld auch die Zahlen aus der Terminservicestelle angesehen, so der KV-Chef. In den letzten vier Quartalen hätten sich rund 300 Patienten wegen eines Termins gemeldet. Nur ein Termin sei nicht vergeben worden. „Für die Berliner Situation kann ich, was die Bedarfsplanung betrifft, Entwarnung geben“, so Dr. Rupperts Fazit.

Als problematisch stelle sich jedoch die Situation in der Weiterbildung dar. Das gelte auch für andere Fachbereiche. Alle würden gern eine Ausweitung der Weiterbildungsförderung nach §75a SGB V sehen und statt der derzeit 2.000 Stellen eine unbegrenzte Zahl an geförderten Stellen gutheißen. Dies werde auch in der KBV diskutiert. Man werde über die Möglichkeiten der Ausweitung noch einmal sprechen müssen – auch die Altersstruktur der Ärzte sei dabei zu bedenken. Was, wenn der Versorgungsgrad bald unter 110 % liege? 

Den dringenden Blick auf die Altersstruktur bestätigte Dr. Silke Zinke, 1. Vorsitzende des BDRh-Bundesvorstandes. Ein Viertel der Ärzte seien bereits über 60 und in fünf Jahren würden 30 % der Rheumatologen fehlen. Man wäre schon froh, die jetzigen Zahlen halten bzw. minimal erhöhen zu können. „Zu verdreifachen, ja das wäre super, aber ich glaube, wir müssen viel, viel kleinere Brötchen backen.“ Und selbst, wenn die Weiterbildung sichergestellt sei: Die Ärzte müssten auch in die Versorgung kommen. 

Es sei durchaus sinnvoll, Abgeordnete – nicht nur in Berlin, sondern auch vor Ort – für die rheumatologische Versorgung zu gewinnen, riet Franz Knieps, Vorstandsvorsitzender des BKK Dachverbandes und ehemaliger Abteilungsleiter im Bundesgesundheitsministerium. Eine Quotenerhöhung von 8 % auf 10 % sei bereits beschlossen. Aber es helfe nicht, wenn man gar nicht wisse, wie viel von einer Quote in der Praxis letztendlich ankomme. 

Exodus Weitergebildeter in andere Gebiete vermeiden

Wenn ein in Berlin Geförderter nach Brandenburg gehe oder umgekehrt, könne man damit noch leben, nicht aber mit einem Exodus von vielleicht 20 % in andere Beschäftigungen als die Niederlassung. 
„Ich denke, wir müssen uns auch damit befassen, Verträge zu finden zwischen Krankenkassen und Rheumatologen“, erklärte der Verbandsvorsitzende. Selektivverträge halte er jedoch in der Rheumatologie für nicht geeignet, besondere Vereinbarungen aber durchaus. So gebe es in der Rheumatologie beeindruckende Zahlen aus der Ambulanten Spezialfachärztlichen Versorgung. Gehe man auf diesem Weg weiter, bestehe die Chance für mehr Aufmerksamkeit für die Rheumatologie und dafür, sie anschlussfähig zu machen an die hausärztliche-internistische Versorgung. Die Verbindung zwischen Erstanamnese und spezialisierter Versorgung müsse funktionieren.

Knieps riet den Anwesenden auch, bei der Konzeptentwicklung für hybride Fallpauschalen mitzuwirken. Diese sektorenübergreifende DRG-Variante ist im Koalitionsvertrag vorgesehen und wird in den nächsten Monaten in der politischen Diskussion präsent werden. 

Hierbei könne auf die Weiterbildung als drängendes Problem der Fachgruppe verwiesen werden. Rheumatologen müssten jedenfalls ihre Stimme erheben, damit das Ganze in die gewünschte Reichtung laufe, denn auch andere Fachgruppen würden Forderungen stellen.

„Wir werden das aufgreifen“, kündigte die BDRh-Vorsitzende an. Bisher habe das wegen der Budgetierung keinen Sinn gemacht. Dem widersprach Knieps: 48 % werde  budgetär und 52 % extrabudgetär vergütet. Auch darüber könne man reden, wenngleich Änderungen vielleicht „nicht gleich morgen“ umgesetzt würden. 

Verbesserungen in der Versorgung mahnte Rotraut Schmale-Grede, ehrenamtliche Präsidentin der Deutschen Rheuma-Liga, an. Heilung sei bei Rheuma unrealistisch, aber Remission sei möglich. Dafür brauche es aber beste Voraussetzungen. Es gebe zwar neue Erkenntnisse in der Medizin und die Patienten seien den engagierten Rheumatologen sehr dankbar. Am Versorgungsbedarf der Betroffenen werde sich derzeit aber nicht orientiert. Defizite gebe es insbesondere im ländlichen Raum. 

Sie bekomme auch viele Anrufe aus den östlichen Bundesländern von Patienten, die keine Chance hätten, zwecks Remission an eine Behandlung zu kommen: „Das kann doch nicht sein!“ Kritisch hob die Patientensprecherin auch die lange Wartezeit bis zum Erstkontakt mit dem Rheumatologen hervor. Telemedizinische Angebote zur Versorgung sieht sie hier nicht als Lösung: „Der Erstkontakt muss immer persönlich sein und Patienten brauchen auch einen Arzt, der einfach einmal zuhört.“

Quelle: 17. Kongress des Berufsverbandes Deutscher Rheumatologen

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