Ärzte-Communities Fachlicher Austausch auf hohem Niveau

Gesundheitspolitik Autor: Tom Renneberg

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Soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter & Co. gewinnen im modernen Leben immer größere Bedeutung. Auch zahlreiche Ärzte aller Fachbereiche nutzen inzwischen Social Media, um mit ihren Patienten und untereinander zu kommunizieren. Doch dabei können die Mediziner schnell in Konflikt mit der Schweigepflicht geraten. Für fachlich fundierte Diskussionen unter Kollegen und unter Ausschluss der Öffentlichkeit sind geschlossene Ärzte-Communities der geeignetere Ort.

Einer Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zufolge sollte ein Hausarzt für durchschnittlich 1 671 Einwohner verantwortlich sein. In unterversorgten Regionen wie dem niedersächsischen Munster sind es eher 2 900. Häufig wird der Ärztemangel allein aus Sicht der Patienten diskutiert. Aber was bedeutet es eigentlich für Ärzte, wenn sie in ihrer unmittelbaren Nähe kein Netzwerk von Fachärzten mehr haben, aus Angst vor einer mehrtägigen Abwesenheit und damit Praxisschließung keine Kongresse mehr besuchen oder selbst umtriebige Vertreter der Pharmaindustrie die weite Anfahrt scheuen? Kommunikation und Austausch? Fehlanzeige.

Soziale Netzwerke für Ärzte wie esanum, DocCheck und Hippokranet übernehmen für die Mediziner immer häufiger die Funktion einer zentralen Austauschplattform. Die Fachportale bieten den Ärzten Werkzeuge, um sich über Behandlungsmethoden, Weiterbildungen, Indikationserweiterungen und Leitlinienänderungen zu informieren – aber auch um sich ganz informell kennenzulernen bzw. über Kongresse oder nicht-medizinische Themen auszutauschen. Den Ärzte-Communities fällt dabei die Rolle von Aggregatoren zu, die verschiedenste Inhalte in ihrer Datenbank zur Verfügung stellen und die Ärzte selbst zur aktiven Verbreitung von Informationen anregen.

Das Internet ist ein wichtiger Informationskanal für Ärzte

Das Jahr 2014 stellte für die Online-Nutzung von Ärzten einen Wendepunkt dar: Berechnungen der Marketingagentur LBi Health zufolge gibt es inzwischen unter den europäischen Ärzten erstmals mehr sogenannte „Digital Na-

tives“ als „Analog Natives“. „Digital Natives“ sind diejenigen Ärzte, die ihre Ausbildung bzw. ihr Studium nach dem Beginn der Kommerzialisierung des Internets im Jahr 1995 abgeschlossen haben und damit bereits in ihrer gesamten Berufskarriere digitale Technologien nutzen.

Die aktuelle LA-MED API-Studie 2015 (API: Allgemeinmediziner, Praktiker und Internisten) belegt zwar, dass Fachzeitschriften, Kongresse sowie Fachbücher mit einer Nutzung von bis zu 94 % nach wie vor die wichtigsten Informationsquellen der Ärzte sind. Mit einem Anteil von 64,2 % gewinnt das Internet als Informationskanal inzwischen aber deutlich an Gewicht. Wichtig ist den Ärzten dabei, dass die bereitgestellten Informationen wissenschaftlich fundiert und inhaltlich in die Tiefe gehen, aber gleichzeitig eine hohe Relevanz für den Praxisalltag sicherstellen. Ärzte-Communities können dies liefern.

Vertraulichkeit gesichert

In Fach-Communities wie esanum und Hippo-

kranet basiert der Austausch auf Vertraulichkeit. Die Verschwiegenheitspflicht gilt zwar auch für Ärzte untereinander. Das Wissen, „unter sich“ zu sein, lasse die Ärzte aber offener werden und führe gleichzeitig auch zu einem professionellen Verhalten, weil sich alle ihrer Grenzen bewusst seien. Das sinnlose „Gezwitscher“ von Facebook, Twitter & Co. gebe es in Ärztenetzwerken nicht. Die Themen reichen vielmehr von neuen Gerinnungshemmern über Tipps für die Praxisübergabe bis hin zu Behandlungsmethoden beim Nierenkarzinom. Qualität regiert vor Quantität. Bei esanum kontrolliert zudem ein Redaktionsteam stichprobenartig Beiträge und Community-Kommentare auf Verletzung von Patientenrechten, so ein esanum-Sprecher.

esanum

Das Online-Netzwerk esanum (www.esanum.de) erreicht fachbereichsübergreifend mehr als 220 000 approbierte Ärzte und ist damit eines der größten sozialen Netzwerke für Mediziner in Deutschland und Europa. Neben Deutschland ist esanum auch in Österreich, der Schweiz, Spanien, Italien, Frankreich, Portugal und Latein- und Südamerika aktiv. (siehe auch Abbildung)

Auch die Industrie mischt mit

Eines muss man allerdings auch wissen: Die Pharmaindustrie ist auf Fachportalen ebenfalls aktiv. Das hat auch damit zu tun, dass die Unternehmen sich selbst einen Transparenzkodex auferlegt haben, um das Verhältnis zu den Ärzten offener zu gestalten. Das Antikorruptionsgesetz dürfte den Kontakt von Industrie und Ärzten zusätzlich erschweren. Die Unternehmen nutzen deshalb zunehmend Fach-Communities, um Ärzten beispielsweise Studien, Informationen zu Medikamenten und Therapieoptionen zur Verfügung zu stellen oder Umfragen durchzuführen. Ankündigungen zu Fortbildungsveranstaltungen und Bestellmöglichkeiten von Muster-Geräten oder Medikamenten sind weitere Kommunikationsinstrumente.


Autor:
Tom Renneberg
Geschäftsführer von esanum

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (16) Seite 34-37
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.

Anteil von Digital Natives unter den Ärzten Anteil von Digital Natives unter den Ärzten