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Kommentar Gesundheit und Digitalisierung entscheiden über unsere Zukunft

diatec journal Autor: Prof. Dr. Dirk Müller-Wieland

Bieten die Krankenhausreform sowie weitere anstehende gesundheitspolitische Neuerungen die Chance für einen positiven Wandel in der Diabetesversorgung?
Bieten die Krankenhausreform sowie weitere anstehende gesundheitspolitische Neuerungen die Chance für einen positiven Wandel in der Diabetesversorgung? © peterschreiber.media – gettyimages
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Krankenhausreform, ePA, DMP – so einiges wird derzeit auf gesundheitspolitischer Ebene auf den Weg gebracht. Was dabei aus diabetologischer Sicht bedacht werden sollte, fasst Prof. Dr. Dirk Müller-Wieland zusammen.

Mit Blick auf den Themenkomplex Gesundheit und Digitalisierung kann der Sommer als „sonnig und regnerisch“ bezeichnet werden. Im Folgenden gehe ich auf die Krankenhausreform, weitere Entwicklungen zu Disease-Management-Programmen (DMP) und natürlich auch kurz auf die elektronische Patientenakte bzw. elektronische Diabetesakte (ePA/eDA) ein.

Krankenhausreform

Ein Dilemma der stationären und ambulanten Versorgung ist eine wachsende Zahl älter werdender Menschen bei weniger medizinischem Fachpersonal. Das heißt ganz einfach: Die Bevölkerung muss möglichst „gesund altern“ und parallel müssen – z.B. durch digitale Vernetzung – effiziente, flexible, flächendeckende transsektorale Versorgungsnetzwerke entstehen. Wer plant und steuert aber stationäre Versorgungssysteme bzw. was heißt duale Krankenhausfinanzierung? Das geschieht durch das Zusammenspiel unterschiedlicher Verantwortlichkeiten, z.B. Finanzierung für die Betriebskosten durch Kostenträger und Investitionen sowie Planung durch die Länder. Wobei der Preis für die Leistung (DRG bzw. Fallkostenpauschale) vom Bund festgelegt und nach durchschnittlichem Ressourcenverbrauch geregelt wird. Den tatsächlichen Bedarf seitens der Betroffenen bzw. Bevölkerung kennt eigentlich niemand. 

Vor diesem Hintergrund machte der Gesundheitsminister seinen Reformvorschlag Ende letzten Jahres, den er selbst als „Revolution“ ankündigte. Er vergaß dabei wahrscheinlich, wie viele Kompromisse er bis zum Sommer machen muss. Der Bund hat nämlich nur die Zuständigkeit für die Finanzierung der Fallpauschalen. Die politische Kunst wäre dabei gewesen, die oben skizzierten unterschiedlichen Gestaltungsebenen am Verhandlungstisch zueinanderzubringen, sodass eine wirkliche Reform auf die Schiene hätte gesetzt werden können.

Die initialen Vorschläge des Ministers gingen in die richtige Richtung. Sie setzen das Primat bei der Qualität der medizinischen Versorgung. Das war der Grund, neben die DRG noch Vorhaltekosten zu setzen. Denn die DRG können nicht alles abbilden und die Vergütung sollte Qualität und Aufwand mitberücksichtigen. Daher legte er einheitlich formulierte strukturelle Qualitätsstandards für die unterschiedlichen Ebenen (Levels) der Krankenhäuser fest. Letzteres ist aber Ländersache und so gab es vor der Sommerpause ein Eckpunkte-Papier zwischen Bund und Ländern. Siehe da, die Vorhaltepauschalen werden nicht mehr an die Krankenhausstrukturen gekoppelt, sondern wieder an den „DRG-Fall“. 

Was ist jetzt anders als bisher? Die Krankenhäuser bekommen 60 Prozent vorab die Vorhaltepauschale der Fälle und damit Planungssicherheit. Der ökonomische Druck soll somit wohl genommen werden, da man nicht mehr oder weniger Fälle im Jahr machen kann, als +/-20 Prozent. Neu ist: Die DRG werden eindeutig den von NRW vorgeschlagenen Leistungsgruppen zugeordnet. Dies gefährdet Querschnittsfächer bzw. Schwerpunkte wie Diabetologie, Infektiologie und Angiologie; Letztere wird bisher überhaupt nicht abgebildet (nur chirurgisch). Hier kämpfen alle Fachgesellschaften gemeinsam und die DDG hat dazu zahlreiche Treffen und Eingaben gemacht. Die Diabetologie inkl. ihrer beratenden Fachkräfte soll Bestandteil struktureller Mindestanforderungen werden. Dies würde zur Absicherung von personellen und strukturellen Mindestanforderungen in der Diabetologie führen.

Mindestanforderungen bzw. Merkmale einer Strukturqualität will der Minister dann durch das neue Transparenzgesetz öffentlich kontrollieren. Während Drucklegung dieser diatec-journal-Ausgabe wird der finale Entwurf der Krankenhausreform erwartet, der dann ggf. von der DDG und der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin wieder neu kommentiert werden wird.

Disease-Management-Programme (DMP)

DMP sind seit 2002 ein zentral organisiertes Behandlungsprogramm für chronisch kranke Menschen. Sie sollen evidenzbasierte Medizin als sog. strukturierte Behandlungsproramme gesetzlich krankenversicherten Personen zugutekommen. Derzeit gibt es in Deutschland DMP für Menschen mit Typ-1-Diabetes, Typ-2-Diabetes, koronare Herzkrankheit (KHK), chronische Herzinsuffizienz, Asthma, chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) und Brustkrebs. Im Moment wird ein DMP für Menschen mit Adipositas erarbeitet. Das DMP mit der höchsten Einschreibequote ist das DMP „Typ-2-Diabetes“; wobei auch in diesem nur ca. die Hälfte der Betroffenen in Deutschland eingeschrieben sind.

DMP werden regelmäßig alle fünf Jahre durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) aktualisiert. DMP adressieren primär die hausärztliche Versorgungsebene und verbinden andere Sektoren und Versorgungsebenen über definierte Schnittstellen. DMP sind nicht patientenorientiert, sondern indikationsbezogen gesetzlich verankert. Betroffene mit chronischen Erkrankungen haben aber häufig Komorbiditäten, d.h., ein Patient mit mehreren Erkrankungen kann in verschiedenen DMP eingeschrieben sein. Dadurch kann es für Betroffene zu belastenden Mehrfachuntersuchungen und deutlich erhöhten Aufwänden kommen. Die Kosteneffizienz für die GKV sinkt.

Daher wäre ein Gedanke, der sich insbesondere auch durch Digitalisierung effizient umsetzen ließe, dass es auf der hausärztlichen Versorgungsebene nur ein qualifizierendes Basis- bzw. „Chroniker-Programm“ gibt, für z.B. Patienten mit Komorbiditäten. Dies müsste wegen der gesetzlichen Grundlage als Krankheit genau definiert werden. Indikationsbezogene Ergänzungen für medizinisch vertiefende Betreuung auf der zweiten Versorgungsebene oder im stationären Bereich wären dann durch pauschalisierte Zusätze ergänzend zu vergüten. Dadurch könnten die Finanzmittel im DMP-Bereich wahrscheinlich gezielter, effizienter und patientenzentrierter eingesetzt werden. 

Hierbei würde eine Digitalisierung der DMP helfen und auch endlich dazu führen, sie umfänglich auswerten zu können. DMP waren bisher nicht Teil der ePA und ihrer Planung. Die neue Digitalstrategie des BMG sieht aber vor, dass es digitale Programme (dDMP) für Patienten mit Typ-1- und Typ-2-Dia­­betes geben wird. Hierzu gab es im laufenden Jahr schon zahlreiche Sitzungen der Gematik mit vielen Kolleginnen und Kollegen aus der Diabetologie. 

Neu ist die Finalisierung des DMP ­„Adipositas“ (die Kommentierungsphase ist abgeschlossen). Parallel dazu hat die DDG gemeinsam mit der Deutschen Adipositas Gesellschaft (DAG) u.a. ein neues Programm entwickelt für die Qualifikation als ­Adiposologen oder Adipositasberater (geschlechtsneutral gemeint) DAG-DDG. Der erste Pilotkurs startet unter Leitung von Prof. Jens Aberle und Dr. Anne Lautenbach im November in Hamburg.

Elektronische Diabetesakte (eDA) der DDG

Die eDA wird aus einer digitalen „Krankenakte“ und einem „Register“ bestehen. Für die Gestaltung und Implementierung der eDA wurde InterSystems GmbH aus Darmstadt ausgewählt. Die ePA und die eDA schließen sich dabei nicht gegenseitig aus. Die eDA der DDG ist eine sinnvolle fachliche Ergänzung zur ePA. Da die ePA als Opt-out und „individuelle Gesundheitsplattform“ für Patienten fungieren soll, ist sie auch ein wichtiges technisches Element bei der weiteren Ausgestaltung der transsektoralen Versorgung von Menschen mit Diabetes.

Positiv am Ende ist, dass der Gesundheitsminister sich nun auch um den Datenschutz und europäische sowie globale Datenräume konstruktiv kümmern möchte. Es geht nicht darum, dass man „naiv“ ist, wenn man den Datenschutz kritisiert. Sicherheit kommt nicht allein durch Vermeidung. Missbrauch muss hingegen kontrolliert und sanktioniert werden. Eine reguläre Nutzung, Entwicklung und Gestaltung hingegen dient der Innovation für Patientenversorgung und Forschung.

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