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Gesundheitskiosk Mehr Angebote für soziale Brennpunkte

Gesundheitspolitik Autor: Michael Reischmann

Bis die geplanten Gesundheitskioske tatsächlich öffnen, muss noch einiges geklärt werden. (Agenturfoto) Bis die geplanten Gesundheitskioske tatsächlich öffnen, muss noch einiges geklärt werden. (Agenturfoto) © alvarez/gettyimages
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Wie im Koalitionsvertrag angekündigt, bereitet die Bundesregierung das Errichten von Gesundheitskiosken gesetzgeberisch vor. GKV- und PKV-Vertreter kritisieren die Finanzierungspläne. Die AOK stört sich an weiteren Blutdruckmessungen.

Bundesweit sollen 1.000 Gesundheitskioske – einer pro 80.000 Einwohner – als niedrigschwellige Beratungsangebote für Patienten in sozialen Brennpunkten aufgebaut werden. Eine entsprechende Gesetzesinitiative kündigte Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach beim Besuch des beispielgebenden Gesundheitskiosks in Hamburg-Billstedt an.

Auch eine Betreuung im Bus ist denkbar

Künftig sollen die Kommunen eigenständig über den Aufbau einer solchen Anlaufstelle entscheiden. Von den Krankenkassen können sie den Abschluss eines schiedsamtsfähigen Vertrages über die Einzelheiten verlangen. Mobile Angebote, z.B. mit Bussen, sind ebenfalls möglich.

Die Aufteilung der Gesamtkos­ten stellt sich das Bundesgesundheitsministerium (BMG) so vor: Die GKV trägt 74,5 %, die PKV 5,5 % und die Kommunen übernehmen 20 %. Andere Sozialleistungsträger wie die Rentenversicherung können sich zusätzlich beteiligen.

Zu den Aufgaben der Kioske gehören u.a. das Vermitteln von Leistungen der medizinischen Behandlung, Prävention und Gesundheitsförderung samt koordinierter Inanspruchnahme sowie das Beraten und Unterstützen bei gesundheitlichen und sozialen Angelegenheiten. Vorgesehen sind auch einfache medizinische Routineaufgaben wie Blutdruck- und Blutzuckermessen, Verbandswechsel, Wundversorgung und subkutane Injektionen – veranlasst von Ärzten.

Stützpunkt für Community Health Nurses

Die Vernetzung mit anderen Stellen ist möglich. Das BMG nennt hier z.B. die Terminservicestellen der KVen. Der Hamburger Gesundheitskiosk wird von einem Netzwerk der dort praktizierenden Ärzte getragen.

Als Personal kommen examinierte Pflegefachkräfte – perspektivisch auch Community Health Nurses mit Heilkundekompetenz – infrage. Mit dem öffentlichen Gesundheitsdienst ist eng zu ko­operieren, z.B. bei Impfungen in den Räumen des Kiosks.

Die AOK Rheinland/Hamburg hat den Gesundheitskiosk in Hamburg-Billstedt und -Horn seit Beginn 2017 begleitet. Der Innovationsausschuss beim G-BA empfahl die Überführung des Konzepts in die Regelversorgung. Ähnliche Angebote gibt es bereits in einigen Städten in NRW.

Aus dem AOK-Lager, nämlich vom Bundesverband, kam auch postwendend Kritik an den Eckpunkten des BMG. Vorstandschefin Dr. ­Carola Reimann hält „angesichts der prekären GKV-Finanzlage“ die vorgesehene Beteiligung für nicht machbar.  Mindestens die Hälfte der benötigten Mittel sollten von der öffentlichen Hand aufgebracht werden. PKV-Verbandsdirektor ­Florian ­Reuther meint, dass diese Kioske eine genuine Aufgabe des öffentlichen ­Gesundheitsdienstes seien. Sie sollten „vollständig von Ländern und Kommunen finanziert werden“. Auch der Chef der KV Brandenburg, Dr. Peter Noack, warnt vor der einen Mrd. Euro, die 1.000 Kioske schätzungsweise jährlich kos­ten werden. Die Vertragsarztpraxen gewährleisteten bereits heute eine wohnortnahe ambulante Versorgung ohne zusätzliche Kosten.

Ein Initiativrecht der Städte und Gemeinden, verbunden mit schieds­amtsfähigen Verträgen, sei „teuer, bürokratisch und kann zu wenig sachgerechten und unflexiblen Regelungen vor Ort führen“, warnt AOK-Chefin Dr. Reimann. Sie rät  auch davon ab, die Anlaufstellen so eng an die Primärversorgung zu binden. „Wenn der Gesundheitskiosk primär als Verlängerung der Arztpraxis angesehen wird und auf deren Veranlassung tätig wird, gefährdet dies den niedrigschwelligen Zugang.“ Im Kiosk sollten medizinische Routineaufgaben wie Blutdruckmessen nicht im Vordergrund stehen. Hierfür müssten die Kassen – neben der vertragsärztlichen Versorgung – nun auch die Apotheken bezahlen. Dadurch werde die Versorgung weiter zersplittert. 

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