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Gewalt in der Pflege: Wie die Gefahr erkennen und verhindern?

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

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Schlagen, physisch gemein werden oder nur zum Schein die Hand erheben – wenn die Betreuung zum Stress wird, ticken Pflegende gelegentlich aus. Die EU will jetzt gegensteuern. Die Länder sollen nationale Kontrollsys­teme installieren.

Gewalt gegen alte und pflegebedürftige Menschen ist ein soziales Problem, doch in den meisten Ländern der Europäischen Union gibt es bisher keine Strategie dagegen. Das „Monitoring in Long-Term-Care – Pilot Project on Elder Abuse“ (MILCEA) soll das ändern. Es ist ein EU-Projekt, das vom Medizinischen Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen koordiniert wird.

Deutschland, Luxemburg, die Niederlande, Österreich und Spanien arbeiten bei MILCEA zusammen. Ziel ist es, Gewalt in Pflegesituationen erkennen und verhindern zu können. „Wichtig ist, dass wir das Thema Gewalt gegen Ältere nicht länger tabuisieren oder verharmlosen“, sagt Projektleiter Uwe Brucker.

Konfliktberatung für Opfer und Täter

Erste Empfehlungen für ein Monitoringsystem liegen vor. Die Autoren sehen einen wichtigen Schritt zur Prävention darin, Personen, die mit möglichen Opfern von Gewalt in der Pflege in Kontakt kommen, für das Thema zu sensibilisieren. Dass Gewalt im eigenen Umfeld vorkommen kann, müsse erst einmal für möglich gehalten werden. „Solange man nicht glaubt, dass Gewalt gegen alte und pflegebedürftige Personen möglich ist, wird man Gewalt und Hinweise darauf auch nicht sehen“, erklärt Brucker. Informations- und Fortbildungskampagnen, insbesondere in den medizinischen, sozialen und pflegerischen Berufen, sollen das Verständnis fördern.

Wenn es bereits zu Gewalthandlungen gekommen ist, sollten aus Expertensicht sofort Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. Vorgeschlagen wird, für die betroffenen Pflegebedürftigen einstweilige Wohn-, Schlaf- und Pflegemöglichkeiten vorzuhalten – so wie in den Niederlanden, wo es bereits ein Monitoringsystem gibt. Zugleich soll Opfern und Tätern eine Beratung zur Konfliktlösung angeboten werden.

Aufgabe für Kommunen und Pflegestützpunkte

Die MILCEA-Experten halten es für erforderlich, rechtliche Möglichkeiten zu schaffen, um Täter von Opfern fernzuhalten. Bei Familiengerichten sollten zum Zweck schneller Entscheidungen spezielle richterliche Zuständigkeiten für häusliche Gewalt geschaffen werden. Für unabdingbar sehen sie an, die Verantwortlichkeiten zur Prävention von Gewalt gegen Pflegebedürftige zu bündeln und ein Notruftelefon einzurichten.

Ehrenamtliche, Angehörige und Nachbarn, aber auch alle, die beruflich mit pflegebedürftigen alten Menschen arbeiteten, sowie die Pflegebedürftigen selbst müssten wissen, wer Ansprechpartner für das Thema Gewalt in der Pflege ist. Projektchef Brucker geht davon aus, dass in Deutschland die Pflegestützpunkte, aber auch die Kommunen diese Aufgabe übernehmen könnten.

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