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GroKo findet Gesetz zur Versorgungsstärkung super

Autor: Michael Reischmann, Foto: Deutscher Bundestag/Marc-Steffen Unger

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Das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz tritt am 1. August in Kraft. Es trägt seinen Namen zurecht, meinen Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe und die GroKo-Fraktionen. Als Stärkung der Patientenrechte sehen sie die künftigen KV-Terminservicestellen und das Zweitmeinungsverfahren bei mengenanfälligen Operationen.

Mit den Stimmen von Union und SPD, bei Enthaltung der Fraktion die Linke und gegen die Stimmen von Bündnis 90/Grüne hat das VSG die letzten Hürden genommen. Der Gesetzesentwurf mit seinen etwa 180 Einzeländerungen wurde kurz zuvor im Gesundheitsausschuss noch an einigen Stellen geändert.

So wurde z.B. die paritätische Stimmenverteilung der haus- und fachärztlichen Delegierten in der Vertreterversammlung bei Themen, die beide Versorgungsbereiche betreffen, auf die KBV – das Gremium für Grundsatzentscheidungen – beschränkt. Die KVen sind davon ausgenommen – zum Missfallen des Deutschen Hausärzteverbandes.

Weiterbildungsförderung auch für Facharztgruppen

Über rein haus- bzw. rein fachärztliche Belange stimmen nur die jeweiligen Vertreter der Bereiche in der KBV-VV ab. Beratende Fachausschüsse für angestellte Ärzte wird es bei KBV und KVen geben.

Gut findet die KBV, dass die Mindestzahl der zu fördernden Weiterbildungsstellen in der Allgemeinmedizin um 50 % auf 7500 erhöht wird und dass künftig auch 1000 fachärztliche Weiterbildungsstellen – insbesondere für Kinder-, Frauen- und konservativ tätige Augenärzte – gefördert werden sollen.

„Die Förderung von Weiterbildungsstellen nach dem Ich-auch-Prinzip hilft in der Versorgungsrealität kein bisschen“, meint Haus­ärzteverbandsboss Ulrich Weigeldt. „Solange 90 % der Weiterbildungen im fachärztlichen Bereich und nur 10 % in der Allgemeinmedizin abgeschlossen werden, muss die gesamte Konzentration darauf liegen, diesen Trend umzukehren.“

Dem Marburger Bund ist wichtig, dass „die Förderung von der Weiterbildungsstelle auf die im Krankenhaus übliche Vergütung anzuheben und an den Weiterzubildenden in voller Höhe auszuzahlen“ ist. Letzteres sei bisher nicht immer der Fall.

Auch die Selektivvertrags-Vorreiter AOK, Medi und Hausärzteverband in Baden-Württemberg sind jetzt mit dem VSG im Reinen. Sie hoffen, dass bei der Honorarbereinigung die bisherige Benachteiligung von Ärzten, die an einem Selektivvertrag teilnehmen, beendet ist.

Der Verband der Universitätsklinika freut sich, dass Hochschulambulanzen für Patienten mit schweren und seltenen Erkrankungen einen ambulanten Versorgungsauftrag erhalten. Ob die von der Politik in Aussicht gestellten 265 Millionen Euro „wirklich fließen“, hänge von den Verhandlungen mit KVen und Kassen ab.

Bedarf es gar noch einer Drittmeinung?

Der Gemeinsame Bundesausschuss klärt, bei welchen planbaren Eingriffen Patienten mindestens zehn Tage zuvor auf die Möglichkeit einer Zweitmeinung hinzuweisen sind. KVen und Krankenhausgesellschaft werden Listen mit Zweitmeinungsärzten vorlegen. Doch was passiert, wenn Erst- und Zweitmeinung nicht übereinstimmen, fragt man sich bei der Uro-GmbH Nord­rhein. „Darf der Patient sich die für ihn plausibelste Meinung aussuchen?“ Oder folgt die Drittmeinung?

Im Gesundheitsausschuss wurde die Marke geändert, ab der der Aufkauf des frei werdenden Praxissitzes zum Verkehrswert durch die KV in Betracht kommt – sofern nicht Versorgungsgründe oder Ausnahmetatbestände dagegensprechen. Statt eines Versorgungsgrads von 110 % sind es nun 140 %. Das betrifft theo­retisch fast 12 000 bzw. 9 % aller Arzt- und Psychotherapeutensitze, hat das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung ausgerechnet. Am stärksten betroffen wären Fachinternisten (3100 Sitze).

Ab aufs Land! Monetäre Anreize allein reichen nicht

Minister Gröhe verbucht solche Botschaften unter „Polemisieren“ einer Selbstverwaltung, die es selbst nicht geschafft hat, mehr Ärzte zur Niederlassung aufs Land oder in weniger schöne Viertel zu bewegen. Politiker von CDU, CSU und SPD betonen, dass versorgungsrelevante Sitze weiterhin nachbesetzt werden können. Doch mit Geld allein lassen sich Ärzte nicht aufs Land locken, weiß MdB Jens Spahn (CDU).

Die Förderung der Hausärzte, ein verbessertes Entlassmanagement der Kliniken, der Innovationsfonds, DMP für Rückenleiden und Depression, das Zweimeinungsverfahren zum Schutz vor unnötigen Operationen sowie die Terminservicestellen, die gesetzlich Versicherten zu Facharztterminen innerhalb von vier Wochen verhelfen – das sind Verbesserungen, für die die GKV-Mitglieder auch bereit sind, tiefer in die Tasche zu greifen, glaubt Professor Dr. Karl Lauterbach (SPD).

Gesetzesvorhaben lassen Zusatzbeitrag steigen

Auch wenn sich die Sozialdemokraten damit schwer tun, dass die GroKo den Arbeitgeberbeitrag auf 7,3 % eingefroren hat und nun die Mehrausgaben durch VSG, Krankenhausreform, Präventionsgesetz usw. allein von den Versicherten über einen höheren Zusatzbeitrag zu bezahlen sind, hält Prof. Lauterbach das für vertretbar. Wenn der Beitragssatz um 0,1 % steige, koste das einen Rentner einen Euro mehr im Monat, also 50 Cent mehr als im Fall einer paritätischen Finanzierung, so lautet seine Rechnung.

Die Opposition verweist auf andere Zahlen des GKV-Spitzenverbandes. Dieser verkündete bereits einen möglichen Anstieg der Zusatzbeiträge bis zum Jahr 2019 auf 1,4 bis 1,8 % (derzeit: 0,8 bis 0,9 %).

Das streitet der CDU-Politiker Spahn nicht ab. Er argumentiert aber, dass man die noch gut gefüllten Kassen jetzt nutze, um Strukturen effizienter zu machen. In den nächs­ten Jahren erwartet er allerdings die Diskussion, was noch beitragsfinanziert angeboten werden kann.

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