Meinungsbild Gute Noten für Ärzte

Gesundheitspolitik Autor: H. Glatzl

„German Angst“ ist ein Markenzeichen für das Gesundheitssystem der Bundesrepublik. Der Bürger ist im Zweifel. Einerseits ist er gegenwärtig zufrieden, andererseits treibt ihn die Furcht um, ob er auch zukünftig noch ausreichend versorgt wird. Privatversicherte sind hier signifikant skeptischer. Allerdings nur eine Minderheit stellt die Systemfrage. Die Patienten sind entgegen der politischen Zwangsvorgaben durchaus bereit, längere Wege und längere Wartezeiten in Kauf zu nehmen.

Die meisten Deutschen (75 %) sind zufrieden mit ihrem Gesundheitssystem, aber 9 von 10 sehen Reformbedarf. Damit ist die Stimmungslage nach den Verwerfungen von 2005/2006 stabil. Am meisten Angst haben Privatversicherte, vor allem, dass das Geld im Alter zur Beitragszahlung nicht mehr reicht. Das zeigt eine aktuelle Umfrage der Techniker Krankenkasse (TK) und des Meinungsforschungsinstituts Forsa. Die grundlegende Kritik am System nimmt kontinuierlich ab. 2006 war es noch jeder Vierte, der einen umfassenden Neubau für nötig hielt – heute sagen dies nur noch 13 %. Die Mehrheit der Menschen in Deutschland (52 %) ist dabei für mehr Wettbewerb auf allen Ebenen des Gesundheitssystems.

Wartezeitdebatte ist politisch aufgeblasen

Viele – vor allem Privatpatienten – fürchten um Finanzierbarkeit, Leistungsumfang und Versorgungsqualität. Die große Mehrheit der GKV-Versicherten in Deutschland rechnet damit, dass die Beiträge für die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) in Zukunft steigen werden. Zudem geht mehr als die Hälfte (54 %) davon aus, dass der Leistungsumfang in Zukunft eingeschränkt werden muss, und knapp jeder Zweite fürchtet eine sinkende medizinische Versorgungsqualität (47 %). Hier sind die Menschen auf dem Land deutlich pessimistischer als jene in der Großstadt.

Die Wartezeitendiskussion ist für Patienten offenbar weniger dringlich als für die Gesundheitspolitiker. 46 % der Befragten akzeptieren bei leichten Beschwerden einen Zeitraum von bis zu einer Woche. Weitere 29 % wären auch noch mit einer Wartezeit von 14 Tagen einverstanden. Ein Eingreifen durch den Gesetzgeber hält selbst TK-Chef Dr. Jens Baas deshalb für „unsinnig“.

Delegation stört kaum jemanden

Fast jeder Zweite in Deutschland ist zufrieden mit dem Netz an Haus- und Fachärzten, das ihm in seiner Umgebung zur Verfügung steht. Klar erkennbar ist dabei ein Stadt-Land-Gefälle: In größeren Städten und Ballungsräumen ist die Zufriedenheit mit 60 % sehr viel größer als auf dem Land (40 %). Für eine bessere Untersuchungs- oder Behandlungsqualität ist die große Mehrheit bereit, weitere Wege in Kauf zu nehmen – sowohl zu niedergelassenen Ärzten (90 %) als auch zu Krankenhäusern (84 %).

Für 3 von 4 Befragten wäre es unproblematisch, wenn bestimmte Routineaufgaben von nichtärztlichem Fachpersonal wie MFA, Krankenschwestern und -pflegern übernommen würden. Ostdeutsche sind dafür noch aufgeschlossener als Westdeutsche. Gut jeder dritte Deutsche (37 %) kann sich sogar vorstellen, mit einem Arzt per Videogespräch zu kommunizieren, wenn er dadurch längere Wege vermeiden und schneller Zugang zu einem Spezialisten bekommen kann.

Patienten noch besser aufklären

Insgesamt stellen die Deutschen ihren Ärzten ein gutes Zeugnis aus. Mit ihrem Arztbesuch waren 7 von 10 Befragten rundum zufrieden. Unterm Strich klappt also die Kommunikation zwischen Ärzten und ihren Patienten. Eine deutliche Mehrheit zeigt sich zufrieden mit dem Einfühlungsvermögen ihres Arztes und den Informationen, die er weitergibt. Die meiste Kritik äußerten die Patienten an der Aufklärung über Risiken und Nebenwirkungen von Medikamenten.

Anders sieht es aus, wenn es im Ernstfall um Chancen, Risiken und Behandlungsalternativen geht: Voll und ganz aufgeklärt fühlt sich dazu bei seiner letzten ernsteren medizinischen Behandlung – egal ob beim Arzt oder im Krankenhaus – nur jeder Dritte (36 %).


Autor:
Hans Glatzl

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2014; 36 (19) Seite 32-37
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.

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