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Hantelbank-Sessions auf Rezept – nicht mit mir!

Autor: Dr. Frauke Höllering

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Reha-Sport - dafür schmeißen die Kassen kräftig Geld aus dem Fenster, kritisiert die Kolumnistin Dr. Frauke Höllering. Sie spielt da nicht mit.

Rehabilitation … Das klang für mich bis vor einer Weile nach hartem Training, um die Folgen einer Hüftoperation oder eines Herzinfarktes zu mildern. Jetzt hat das Wort aber einen zusätzlichen Klang gewonnen: In Kombination mit Leibesübungen wurde es zu „Rehasport“, den vom Mädchen bis zur Greisin fast jede(r) begehrt.


„Ich komme, um mir Fitness-Training aufschreiben zu lassen!“, sagte ein kerniger Jüngling zu mir, der mir als guter Fußballer bekannt war. „Warum?“, fragte ich, betont ahnungslos. „Das machen Kumpels von mir auch im Studio X“, erklärte er, „die gehen da an die Geräte, und die Krankenkasse bezahlt das.“

Nachtigall, ick hör dir trapsen: „Geht es um Rehasport?“, fragte ich, nur mehr rhetorisch. „Sie haben doch gar keine Rückenprobleme!“ Nein, die habe er höchstens nach einem harten Training. Aber das wäre ja egal, die anderen seien schließlich auch gesund.

Zwielichtige Studios ignorierten die Regeln


Nun hatte ich das Glück, dass die Rehasport-Richtlinien jüngst noch einmal klarer gefasst worden waren. Verschrieben werden Bewegungsübungen in Gruppen, aber keine Hantelbank-Sessions oder Geräteübungen. Zwar hatten in der Vergangenheit manche zwielichtigen Studios diese Regeln ignoriert und mit willigen Mittätern ihre Überkapazitäten im Gerätepark aufgefüllt, aber dies wurde nun abgestellt. „Wenn Ihre Kumpels immer noch auf Kassenkosten an Geräten üben, machen sie sich des Betruges schuldig“, sagte ich ganz klar. „Sie müssen gesehen haben, dass auf dem Verordnungsformular nichts als Gruppengymnastik stand!“

Mein Gegenüber sah ein bisschen frustriert aus. „Nee, zu Turnstunden habe ich keine Lust“, sagte er und suchte das Weite.

Mit Rehasport verschwenden die Kassen Geld


Er war nur einer von vielen, die im letzten Jahr um eine Rehasport- Verordnung nachsuchten, und ich wagte kaum, mir vorzustellen, wie Orthopäden bestürmt wurden. „So wird eine gute Idee zum Rohrkrepierer“, dachte ich mir damals. „Die werden so viel Geld rausgehauen haben, dass es bald für diejenigen, die diese Stunden wirklich gut brauchen können, keines mehr gibt.“

Hin und wieder trudelten auch Opfer einer gewissenlosen Studiopolitik bei mir ein: „Ich habe Gerätetraining gemacht“, erklärte mir eine ältere Dame, die eigentlich lieber in eine Gymnastikgruppe gegangen wäre, die man ihr aber nicht angeboten hatte. „Als der Kurs zu Ende war, hat man mir gesagt, ich sei jetzt für ein weiteres Jahr Mitglied im Studio, weil ich nicht rechtzeitig gekündigt hätte. Was soll ich nun bloß tun? Das kann ich mir gar nicht leisten! Auch habe ich noch mehr Rückenprobleme als vorher!“ Sie hatte blind unterschrieben, was man ihr vorgelegt hatte, nicht ahnend, wie man sie über den Tisch ziehen wollte. Erst mein ärztliches Attest befreite sie.


Eine Weile war es dann friedlicher geworden, bis die nächste Rehawelle auf uns zurollte: Sie kam aus den Seniorenheimen. Für alte Ladies, die sich kaum auf den Beinen halten konnten, oder demente Herren, die sich in der Waagerechten deutlich wohler als in der Senkrechten fühlten, kamen Anfragen in die Praxis. Rein rechtlich auf sicherem Pfad (die Kursleiterin war an eine akkreditierte Fitnesseinrichtung angeschlossen und Rückenschmerzen kann man wohl jedem Älteren von Zeit zu Zeit unterstellen), schienen mir diese Anfragen doch seltsam. Wie mochten die Kurse aussehen? Die Antwort war einleuchtend: Es handelte sich hauptsächlich um Sitzgymnastik im Stuhlkreis.

Sogar demente Senioren werden ausgebeutet


Jetzt kämpfte der ärztliche Gutmensch in mir mit der sparsamen Kassenärztin: Soll ich diese Verordnungen ausstellen, weil jede Bewegung und Abwechslung für unsere Senior(inn)en ein Highlight ist? Soll ich es tun, weil die Angebote für Bewegungsspiele in unseren Heimen sonst viel zu mager sind, unsere Geriater diese Kurse unterstüt­zen und deren Verordnung mein Budget nicht belastet? Kann ich mir dafür vielleicht sogar Krankengymnastik­rezepte sparen? Oder soll ich mich bockig verweigern, weil Reha­sport eigentlich ganz anders gedacht war?


In meinem Studio kräftigen die Kursteilnehmer(innen) ihren Rücken mit Pezziball, Dehnübungen, Therabändern, Flexi-Bar und allerlei Gymnastik zwischen Yoga, Pilates und „alter Schule“. Am Ende der Stunde sind alle erschöpft, aber gekräftigt und entspannt. Wie sehen Sie das: Hat die Kursleiterin in den Seniorenheimen das große Los gezogen – gutes Geld für wenig Anstrengung –  oder macht sie einen wichtigen Job, den ich mit Verordnungen unterstützen sollte?

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