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IGeL-Kunde: „Ich wurde ins Gebet genommen“

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

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Seit drei Jahren lässt der Medizinische Dienst der GKV den Nutzen von individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) prüfen und berichtet im Internet darüber. Die Ergebnisse fallen nur selten zustimmend aus. Dabei geben gesetzlich Versicherte jährlich geschätzte 1,3 Milliarden Euro für IGeL aus.

Den Nutzen von 37 IGeL hat der MDS bislang für den IGeL-Monitor ermitteln lassen. Nur vier Leistungen wurden mit „tendenziell positiv“ bewertet. Das sind die Akupunktur zur Migräneprophylaxe,  die extrakorporale Stoßwellentherapie beim Fersenschmerz, die Laserbehandlung von Varizen und die Lichttherapie bei saisonaler Depression.

Das Prädikat „positiv“ erhielt gar keine Leistung. Positiv bedeutet, es könnte ein Antrag beim Gemeinsamen Bundesausschuss zur Prüfung der Aufnahme in den GKV-Leistungskatalog gestellt werden. Bei 13 IGeL ist laut MDS-Prüfung – basierend auf der Auswertung geeigneter Studien – der Nutzen unklar, bei 16 wird der Schaden größer als der Nutzen erachtet.

„Es gibt keinen Grund, sich drängen zu lassen“

Viele Versicherte fühlten sich auf dem IGeL-Markt allein gelassen und würden von Ärzten unter Druck gesetzt, berichtet MDS-Geschäftsführer Dr. Peter Pick. Er belegt dies u.a. mit Äußerungen von Versicherten gegenüber dem IGeL-Monitor.

  • Eine Frau schrieb: „Ich wurde zur IGeL genötigt. Meine gesetzliche Vorsorgeuntersuchung würde sonst abgelehnt. Mir wurde gesagt: Sie müssen wissen, was Ihnen Ihre Gesundheit wert ist. Ich fühlte mich geradezu gemaßregelt.“
     
  • Ein anderer notierte: „Es ist inzwischen schwierig geworden, einen Arzt zu finden, der nicht versucht, IGeL zu verkaufen. Ich fühle mich davon belästigt.“
     
  • Ein Dritter klagte: „Gleich bei der Anmeldung bekam ich einen Flyer für die Glaukom-Untersuchung in die Hand gedrückt. Kurze Zeit später wollte die Arzthelferin wissen, für welche der kostenpflichtigen Untersuchungen ich mich entschieden hätte. Nachdem ich abgelehnt hatte, nahm mich der Arzt ins Gebet. Aus dieser Schlinge kam ich nicht mehr heraus.“

Dr. Pick bezeichnet die Entwicklung auf dem IGeL-Markt als bedenklich. „Alternativen, die von den Kassen bezahlt werden, werden oft nicht genannt“, kritisiert er. Der  IGeL-Monitor sei eine Entscheidungshilfe.

Er rät Versicherten, in der Praxis auf Bedenkzeit, Informationen und einem schriftlichen Vertrag zu bestehen: „IGeL sind nie dringend. Es gibt keinen Grund, sich drängen zu lassen.“ Der MDS-Chef bedauert, dass die einst von der SPD vorgeschlagene 24-Stunden-Bedenkfrist nicht gesetzlich verankert wurde: „Wir halten diesen Punkt für sinnvoll und würden das nach wie vor befürworten.“

Mediathek, App und Merkblätter für Patienten

Dr. Christian Weymayr, Projektleiter des IGeL-Monitors, schätzt die Zahl der angebotenen IGeL auf „mehrere Hundert“. Er verweist auf die Monitor-Mediathek, in der Top-Seller erklärt werden, und auf die IGeL-App des MDS. Auch Merkblätter fürs Arztgespräch werden zur Verfügung gestellt. Im Merkblatt „Augenspiegelung mit Messung des Augeninnendrucks zur Glaukom-Früherkennung“ steht z.B. als Bewertung: „tendenziell negativ“, da Nutzen nicht belegt, aber Schäden möglich sind.

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