Hausarztverträge In Bayern riecht’s nach Zoff

Gesundheitspolitik Autor: I. Dürr

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Nach den heftigen Auseinandersetzungen um die Hausarztzentrierte Versorgung (HzV) mit der AOK in Bayern vor wenigen Jahren, Drohungen mit dem Ausstieg aus dem KV-System seitens des Bayerischen Hausärzteverbands (BHÄV) und letztlich dem Rücktritt des BHÄV-Chefs Wolfgang Hoppenthaller war zwischen den Konfliktparteien so etwas wie eine angespannte Ruhe eingekehrt – immerhin sprach man wieder miteinander. Doch jetzt gießt die AOK Bayern wieder Öl in die schwelende Glut.

Bundesweit hat die Regierungskoalition durch einige Gesetzesänderungen der Hausarztzentrierten Versorgung den Weg geebnet. In fast allen Bundesländern wurden und werden seitdem neue Hausarztverträge abgeschlossen. Ausgerechnet in Bayern, einstmals Vorreiter in der HzV mit einem lukrativen Vertrag mit der AOK, der größten Kasse im Land, will es aber nicht so recht vorangehen. Zur Mitte des vergangenen Jahres hatte die AOK den bis dahin bestehenden HzV-Vertrag gekündigt und ein Schiedsverfahren musste daraufhin eingeleitet werden.

Schiedsspruch mit geteiltem Echo

Nun schien sich im Januar aus Sicht des BHÄV doch noch alles zum Guten zu fügen. Denn kurz vor Jahresende war endlich der Schiedsspruch ergangen. Die wichtigsten Inhalte waren:

Es soll einen unbefristeten Vollversorgungsvertrag ab dem 1. April 2015 geben.Für die beteiligten Hausärzte und Versicherten soll eine lückenlose Fortführung des Vertrags gewährleistet sein. Eine automatische Beendigung der Teilnahme der Patienten werde trotz der Kündigung durch die AOK nicht erfolgen.Die bisherige Honorarstruktur mit kontakt-

unabhängiger Strukturpauschale sowie Grund- und Chronikerpauschalen soll beibehalten werden.

Der BHÄV zeigte sich mit dieser Entscheidung zufrieden, weil der Schiedsspruch sowohl die versorgungspolitischen Ziele des BHÄV berücksichtige als auch die Finanzplanungsinteressen der AOK Bayern. Außerdem sei beiden Vertragsparteien zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten eingeräumt worden, über die man nun rasch miteinander verhandeln könne.

AOK will Geld zurück

Doch die AOK Bayern sieht das offenbar ganz anders. Nach ihrer Meinung ist der Schiedsspruch rechtswidrig und nicht umsetzbar. Insbesondere kritisiert die Kasse, dass die Schiedsperson ein Widerspruchsverfahren festgelegt hat, wonach alle bislang in der HzV eingeschriebenen Versicherten am neuen Hausarztvertrag teilnehmen, sofern sie nicht widersprechen. Dies beträfe allerdings das Verhältnis von Krankenkasse und Versicherten, und die Schiedsperson sei nicht befugt, dazu Regelungen zu treffen. Allein der Versicherte treffe die Entscheidung, ob er an einem Hausarztvertrag teilnehmen will. Die Schiedsperson habe dar-

über hinaus für den Vertrag eine Fortgeltungsvereinbarung festgesetzt, wonach bei Kündigung des Vertrags dieser unbegrenzt weiter gilt, bis ein neuer Vertrag finanzwirksam wird. Damit sei der Vertrag faktisch unkündbar für die AOK – und dies sei rechtswidrig. Ende Januar hatte die AOK Bayern daher folgerichtig eine entsprechende Stellungnahme an das zuständige Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege versandt. Man erwäge zudem, eine Klage beim Sozialgericht München einzureichen.

Für Dr. Dieter Geis, den Vorsitzenden des BHÄV, ist es nicht nachvollziehbar, weshalb die AOK immer noch auf Konfrontationskurs geht. Schließlich habe der Gesetzgeber die Hausarztverträge vor allem deshalb verpflichtend eingeführt, um die hausärztliche Versorgung nachhaltig zu sichern. Mit allen anderen Kassen pflege man gute Partnerschaften, nur die AOK Bayern wolle sich offenbar ihrer Verantwortung entziehen. Äußerungen von Bayerns AOK-Chef Dr. Helmut Platzer, die Hausarztverträge seien zu teuer und es gehe den Hausärzten lediglich um ein höheres Honorar, hält Geis für bloße Polemik. Denn ein Blick nach Baden-Württemberg zeige, dass sich durch die HzV nicht nur die Versorgung der Patienten verbessere, sondern die AOK dort auch noch Geld spare.

Die Fronten in Bayern sind also nach wie vor verhärtet. Verschärft wird die Situation dabei noch zusätzlich dadurch, dass die AOK rund 2 700 Hausärzte, die an der HzV teilnehmen, mit einer Rückforderung von 12,5 Millionen Euro für angeblich zu viel gezahlte Honorare überraschte. Die Einzelforderungen pro Praxis können sich hier auf bis zu 100 000 Euro belaufen. Eine Prüfung habe eine extrem hohe Zahl an fehlerhaften Abrechnungen in der HzV ergeben, so die AOK.

Der BHÄV hält dies für einen weiteren und unlauteren Versuch der AOK Bayern, die HzV in Misskredit zu bringen und den sozialen Frieden zu stören. Laut geltendem Vertrag sei die AOK gar nicht berechtigt, einzelne Hausärzte ohne Einhaltung des vertraglich vorgesehenen Prüfverfahrens zur Rückzahlung von angeblichen Korrekturbeträgen aufzufordern. Die Kasse hätte sich hierzu zunächst an den BHÄV wenden müssen. Erste Überprüfungen hätten zudem ergeben, dass viele der Vorwürfe der AOK nicht gerechtfertigt seien.

In Bayern bleibt es also weiter spannend. Und wie der Streit ausgeht, wird auch im Rest der Republik mit Interesse verfolgt. Ob die bayerischen Hausärzten in absehbarer Zeit doch wieder in etwas ruhigeres Fahrwasser gelangen können, was die HzV betrifft, hängt nun wohl auch an der bayerischen Gesundheitsministerin Melanie Huml. Und die zeigte sich bislang eher hausarztfreundlich.

Dr. Ingolf Dürr

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (4) Seite 28-29
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.

Dr. Helmut Platzer, AOK Bayern - „Für ein Honorarplus muss es auch mehr Leistungen für die Versicherten geben.“ Dr. Helmut Platzer, AOK Bayern - „Für ein Honorarplus muss es auch mehr Leistungen für die Versicherten geben.“ © AOK Bayern
Dr. med. Dieter Geis, BHÄV-Vorsitzender - „Für die wenig konstruktive Haltung der AOK Bayern fehlt mir jedes Verständnis.“ Dr. med. Dieter Geis, BHÄV-Vorsitzender - „Für die wenig konstruktive Haltung der AOK Bayern fehlt mir jedes Verständnis.“ © BHÄV