Ist die Annahme von Kugelschreibern eine Straftat?

Autor: Anke Thomas, Foto: Anke Thomas

Das Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen wird aller Vor­aus­sicht nach spätestens zum 01.04.2016 in Kraft treten.

Ob Berufsordnung, Vertragsarztrecht, Wettbewerbsrecht oder Heilmittelwerbegesetz – es gibt bereits viele gesetzliche Regelungen, die Ärzten z.B. korruptives Verhalten verbieten, erklärt Manuel Maier, Justiziar der Bundesärztekammer Hessen. Hinzu kommt nun der neue § 299a – "Bestechlichkeit im Gesundheitswesen", der im Gesetzentwurf verankert ist und im Prinzip eigentlich nur eine Unterstreichung bzw. Wiederholung von bereits festgeschriebenen Regelungen ist.

Gleiche Spielregeln mit schärferen Sanktionen

So gesehen ändern sich die "Spielregeln" für Ärzte nicht; dennoch wird der neue Strafrechts-Paragraf die Sanktionstiefe verschärfen, ist Oberstaatsanwalt Alexander Badle überzeugt. Denn es werden voraussichtlich häufiger staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen Ärzte eingeleitet werden, die – egal welchen Ausgang sie nehmen – Reputationsschäden nach sich ziehen. Darüber waren sich die Experten auf der Informationsveranstaltung der KV Hessen "Neue Strafbarkeitsrisiken für Ärztinnen und Ärzte?" einig.

Die berufsgerichtliche Ahndung wurde mit dem § 299a entwertet und auf die Staatsanwaltschaft übertragen, lautet auch die Einschätzung von Alexander Gruner, Fachanwalt für Strafrecht und Medizinrecht.

Die Experten fürchten, dass insbesondere Krankenversicherungen das neue Strafantragsrecht für sich entdecken könnten. Auch bestehe künftig sogar Strafverfolgungsgefahr bei erwünschten Kooperationen, weil die Trennung, welche Zusammenarbeit im Sinne des Gesetzgebers bzw. im Sinne des Patienten, welche eher im Sinne des Arztes ist, in der Praxis häufig nur schwer zu ziehen sein wird.

Wie können Ärzte sich vor Strafverfolgung schützen? Bei Kooperationen ist immer zu prüfen: Wenn Geld fließt, ist das Honorar "angemessen"? Dazu erklärt der Oberstaatsanwalt: Wenn ein Arzt in einem Krankenhaus bei eigenen Patienten für Operationen deutlich mehr Geld erhält als etwa ein angestellter Arzt, der die gleiche Tätigkeit durchführt, könnte das kritisch werden. Denn hier liegt der Verdacht nahe, dass die höhere Vergütung mit den mitgebrachten Patienten einhergeht und auch dem Krankenhaus möglicherweise höhere Umsätze beschert.


Empfehlungen zur Vermeidung strafrechtlicher Risiken:

  • Auf die Einhaltung der einschlägigen Regelungen – insbesondere der Berufsordnung – achten

  • Prinzip der Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung zur Leitmaxime erheben

  • Angebote der Industrie kritisch hinterfragen – Grundsatz: "Kein Unternehmen hat etwas zu verschenken"

  • Kooperationen mit anderen Ärzten und sonstigen Akteuren im Gesundheitsmarkt immer auch unter dem Aspekt einer möglichen "Unrechtsvereinbarung" kritisch hinterfragen

  • Gefahr einer "Unrechtsvereinbarung" durch Problembewusstsein und Inanspruchnahme externer Beratung vermeiden


Quelle: Informationsveranstaltung KV Hessen


Bei allem geht es auch um die Angemessenheit der Vergütung. Hier stellt sich die Frage: Was ist angemessen und was nicht? Entscheidungen darüber können meist nur im Einzelfall getroffen werden. Ein Tipp von Rechtsanwalt Gruner: Halten Sie sich an EBM, GOÄ oder DRG! Schon ein Steigerungsfaktor über den 2,3-fachen GOÄ-Satz hinaus könnten Staatsanwälte hellhörig werden lassen, fügt Badle hinzu.

Entscheidend ist auch der Vergleich zu anderen. "Wenn Sie ein Steak versprochen bekommen und Ihre Kollegen essen stattdessen Brot mit Butter, wählen Sie lieber die einfachere Kost", rät Oberstaatsanwalt Badle.

Plant ein Arzt, eine Kooperation einzugehen oder einen Vertrag zu unterzeichnen, sollte er sich, so der Rat der Rechtsexperten, bei Beratern der Landesärztekammer und/oder der KV grünes Licht holen. In einem Ermittlungsverfahren kann der Arzt so nachweisen, dass er in gutem Gewissen gehandelt hat. Allerdings, warnt Oberstaatsanwalt Badle, ist auch zu unterscheiden, wie z.B. ein Vertrag ausgestaltet ist und wie er dann in der Realität gelebt wird.

Sind Ärzte unsicher, ob die bereits eingegangene Kooperation zweifelsfrei ist, sollten sie rechtlichen Rat einholen. Jetzt können Ärzte noch juristisch fragwürdige Tätigkeiten einstellen ohne, dass sie belangt werden. Wenn das Gesetz erst einmal in Kraft getreten ist, geht das nicht mehr und dann wird auch die Vergangenheit durchleuchtet, warnt Badle. Wird ein Arzt tatsächlich verur­teilt, ist auch seine Approbation in Gefahr, ergänzt Christof Diefenbach vom Hessischen Landesprüfungs- und Untersuchungsamt.

Werden Ärzte bald belangt, wenn sie einen Kugelschreiber annehmen? Und wie steht es mit der Haftung, wenn eine MFA ohne Wissen des Arztes Geschenke annimmt? – möchte eine Ärztin wissen. Wenn z.B. ein Pharmareferent Kugelschreiber verschenkt, will er sich damit Wohlwollen erkaufen, sagt Badle. Das ist kein Problem, denn dafür muss der Arzt im Gegenzug ja nichts tun. Sollte eine MFA Geschenke annehmen, sollte die Chefin oder der Chef klarstellen, dass dies nicht erwünscht ist, und das am bes­ten auch dokumentieren.



Quelle: KV Hessen – Veranstaltung: Neue Strafbarkeitsrisiken für Ärztinnen und Ärzte?