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Jeder Zehnte erleidet Gewalt

Autor: Dr. Andrea Wülker; Foto: Wendy Townrow

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Gewalt gegen alte Menschen ist ein düsteres, oft tabuisiertes Thema. Gut möglich, dass auch einige Ihrer Patienten betroffen sind: Suchen Sie gezielt das Gespräch!

Vielleicht liegt die tatsächliche Zahl von Seniorenmisshandlungen noch deutlich höher als 10 %, denn in entsprechenden Umfragen wurden Patienten mit Demenz ausgeschlossen, schreiben die Wissenschaftler um Dr. Mark S. Lachs von der Cornell University, New York, im „New England Journal of Medicine“. Doch gerade Demenzpatienten tragen ein erhöhtes Risiko, Opfer von Misshandlungen zu werden. Ebenso erfahren ältere Frauen häufiger Gewalt als ältere Männer. Ehegatten und Kinder betagter Menschen werden am häufigsten zu Tätern. Und je mehr Personen in einem Haushalt leben, umso höher ist die Gefahr, dass ältere Menschen finanzielle Ausnutzung oder körperliche Gewalt erleben.

Täter sind meist Ehegatten und Kinder

Was genau fällt unter den Begriff „Altenmisshandlung“? In den vergangenen zehn Jahren haben Experten sich auf folgende Unterteilung in fünf Formen der Gewalt geeinigt:

  • körperliche Gewalt
  • verbale oder psychische Gewalt
  • sexuelle Übergriffe
  • finanzielle Ausbeutung 
  • Vernachlässigung


Die Misshandlung alter Menschen hat schlimme Folgen für die Betroffenen. Diese gehen weit hinaus über die offensichtliche traumatische Verletzung, die das Opfer möglicherweise erlebt hat. So ist bekannt, dass Opfer von Gewalt häufiger stationär in Krankenhäuser aufgenommen oder in einem Pflegeheim untergebracht werden müssen und dass sie ein erhöhtes Sterberisiko aufweisen – unabhängig von eventuell vorliegenden chronischen Erkrankungen.

Ältere Personen, die Gewalthandlungen erleben, verfügen häufig nur noch über wenige soziale Kontakte und haben kaum Gelegenheit, sich einer Vertrauensperson gegenüber zu öffnen. Daher kommt dem Hausarzt eine wichtige Rolle zu – quasi eine Überwachungsfunktion. Machen Sie sich mit den Warnsignalen vertraut, die auf mögliche Gewalthandlungen hinweisen können, und untersuchen Sie Ihre Patienten bei einem entsprechenden Verdacht sorgfältig, mahnen die Autoren. In untenstehender Tabelle finden Sie eine Auflistung möglicher Manifes­tationen und Vorschläge zur weiteren Abklärung.

Der Hausarzt sind oft die einzige Vertrauensperson für Alte

Und was tun Sie, wenn sich der Verdacht auf Misshandlung erhärtet? Die Autoren weisen darauf hin, dass das komplexe Problem der Altenmisshandlung am ehesten von einem multidisziplinären Team gelöst werden kann, bestehend aus Ärzten, Sozialarbeitern, juristischen Experten und weiteren Mitgliedern.


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Quelle: Mark S. Lachs et al., N Engl J Med 2015; 373: 1947-1956; DOI: 10.1056/NEJMra1404688

 

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