Ambulante Versorgung Kassen wollen Hausärzte verschicken
Neben dieser Form der „Hausarztverschickung“ wird in dem GKV-Positionspapier auch auf die Möglichkeit der verstärkten Delegation oder Substitution ärztlicher Leistungen verwiesen sowie die Förderung von Zweig- und Filialpraxen, auch von der KV zu betreiben, und das Konzept mobiler Praxen aufgeführt. Der EBM und die Honorarverteilung sollen so umgestaltet werden, dass die sprechende Medizin gefördert und bestimmte hausärztliche Leistungen aufgewertet werden. Und die Überversorgung soll dadurch abgebaut werden, dass in den entsprechenden Regionen keine Nachbesetzungen mehr durchgeführt werden und den KVen die Pflicht zum Aufkauf dieser Praxen auferlegt wird. Es bleibt abzuwarten, wieweit dieses Papier zur Richtschnur des gesundheitspolitischen Handelns der Kassen wird – denn immerhin spricht hier das oberste gemeinsame Gremium der Gesetzlichen Krankenkassen.
Grundsätzlich ist es gut zu hören, dass die Erkenntnis von einer bestehenden hausärztlichen Mangelversorgung in bestimmten Gebieten und einer drohenden in weiten ländlichen Regionen bei den Spitzen der Krankenversicherungen angekommen ist. Und manches hört sich vernünftig an – gerade auch die Idee, dass Filial- und Zweigpraxen, eventuell sogar im mobilen Einsatz, die Versorgung dort sicherstellen können, wo sich eben kein Arzt mehr findet, der in Einzelpraxis die ganze Woche Tag und Nacht für seine Patienten da ist.
Die Ankündigung, der EBM müsse die hausärztliche Leistung stärker honorieren und die sprechende Medizin fördern, ist nicht neu, wird durch Wiederholung nicht realer und könnte nur durch entsprechende Mittel umgesetzt werden, da eine Umschichtung innerhalb des Honorars nur böses Blut macht und ohne Verteilungskampf nicht verwirklicht werden kann. Und mehr Geld ins System wird’s wohl nicht geben.
Vom Starnberger See in die Uckermark?
Erstaunlich praxisfern wird es mit der Verschickung von Kollegen aus überversorgten (oder so definierten) Regionen aufs unterversorgte Land. Einmal davon abgesehen, dass beispielsweise in Bayern noch keine Region vom Landesausschuss (den die Kassen ja paritätisch mitbesetzen) als unterversorgt anerkannt wurde. Sollen dann Starnberger Hausärzte für einen Tag pro Woche in die Uckermark fahren? Wie soll dies praktisch gehen?
Ein Kollege, der weder die Praxisabläufe noch die Patienten noch die Mitarbeiterinnen kennt, noch die regionalen Eigenheiten (der Fuß bezeichnet beispielsweise in der Oberpfalz eine weitaus größere Körperregion als dies im Anatomie-Atlas beschrieben ist), wird bei einmal wöchentlicher Präsenz eine lange Einarbeitungszeit benötigen. Und wer teilt hier die Kollegen den Praxen zu? Wie soll ein homöopathisch ausgerichteter Arzt mit den Patienten zurechtkommen, die von ihrem Doktor eine zupackende Schulmedizin gewohnt sind?
Richtig märchenhaft wird es dann, wenn der im unterversorgten Bereich hart arbeitende Landarzt zum Ausgleich vom Notdienst befreit werden soll. Wer übernimmt dann dort, wo ohnehin zu wenige Ärzte sind, diesen Part der Wochenendversorgung? Wird hier auch der Stadtdoktor zwangsweise hingeschickt? Der dann mehr oder weniger freudig im unvertrauten Umfeld tätig wird? Es wird Zeit, endlich diejenigen an den Regelungen der Versorgung zu beteiligen, die diese täglich (und nächtlich) erbringen, und die Ideen nicht mehr ausschließlich am Grünen Tisch zu ersinnen.
Autor:
93152 Nittendorf/Oberpfalz
Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2014; 35 (14) Seite 28
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.