Korruption Kein Spezialgesetz für Ärzte
Ihren Anfang hatte die Diskussion um die mögliche Bestechlichkeit von niedergelassenen Ärzten bereits im Juni des vergangenen Jahres genommen. Damals hatte der Bundesgerichtshof (BGH) in einem aufsehenerregenden Urteil entschieden, dass niedergelassene Ärzte rechtlich nicht wegen Bestechlichkeit belangt werden können. Die Begründung: Freiberufliche Kassenärzte sind weder Amtsträger noch Beauftragte einer öffentlichen Behörde oder der Krankenkassen.
Berufsrecht sieht Sanktionen vor
Unterschwellig schwelte danach in der Öffentlichkeit der Verdacht, im niedergelassenen Bereich wäre Bestechung gang und gäbe. Von Kassenseite erscholl lautstark die Forderung an den Gesetzgeber, die sichtbar gewordenen Lücken im Strafrecht zu schließen. Übersehen wurde dabei gerne, dass das BGH-Urteil keinesfalls einen Freibrief für etwaiges korruptes Verhalten darstellte. Schließlich ist das gesamte berufs- und sozialrechtliche Regelwerk zur Ahndung von Fehlverhalten davon nicht berührt und gilt weiterhin uneingeschränkt. So verbietet z. B. der § 73 SGB V Vertragsärzten ausdrücklich, sich für die Zuweisung von Versicherten ein Entgelt oder sonstige wirtschaftliche Vorteile versprechen oder gewähren zu lassen. Als Sanktionsmöglichkeiten sieht das Berufsrecht bisher eine Verwarnung, einen Verweis, eine Geldbuße oder die Aberkennung der Approbation wegen Unwürdigkeit vor.
Im Zusammenhang mit dem sogenannten Organspende-Skandal schwappte die Diskussion dann zum Jahreswechsel erneut hoch. Während Vertreter der gesetzlichen Krankenkassen auf eine Verschärfung des Strafrechts speziell für Ärzte und andere Leistungserbringer im Gesundheitswesen mit Haftstrafen bis zu drei Jahren pochten, wandte sich der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. Andreas Köhler, gegen eine Diffamierung der gesamten Ärzteschaft. Es dürfe keine Regelung im Strafrecht geben, die sich ausschließlich gegen Ärzte wende.
Ärztekammer will mehr Kompetenzen
Dr. Frank-Ulrich Montgomery, der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), wünschte sich aber eine Verschärfung ihres Ermittlungs- und Sanktionsinstrumentariums, um selbst gegen schwarze Schafe vorgehen und relevante Dokumente und Beweise sicherstellen zu können. In Korruptionsfällen sollte die Aberkennung der Kassenzulassung schneller möglich sein.
Eine Art „Kammerpolizei“ sei aber nicht das Ziel, so Montgomery. Vielmehr gehe es ihm darum, den Gegensatz aufzuheben, dass entweder der Staat oder die Kammern zweifelhafte Geschäftsbeziehungen von Ärzten mit anderen Akteuren im Gesundheitswesen verfolgen sollten. Auch Montgomery sprach sich gegen eine spezielle Regelung für Ärzte im Strafrecht oder im SGB V aus.
In der Tat könnte ein solches Gesetz wohl den Frust unter den Ärzten weiter erhöhen und den Beruf noch unattraktiver machen. Da das Bundesjustizministerium allerdings eine Erweiterung des Strafrechts ausgeschlossen hat, will die schwarz-gelbe Regierungskoalition nun mit einem neuen Gesetz die Sanktionsmöglichkeiten gegen Ärzte im Sozialrecht verschärfen. So soll die datenschutzrechtliche Basis dafür geschaffen werden, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen künftig approbationsrechtlich oder berufsrechtlich relevante Daten ihrer Mitglieder den Regierungspräsidien und den Landesärztekammern übermitteln können, um Fehlverhalten aufzudecken. Bislang war das nur in der umgekehrten Richtung möglich. Konkret wird auch über eine Verschärfung des § 128 im SGB V „Unzulässige Zusammenarbeit zwischen Leistungserbringern und Vertragsärzten“ nachgedacht.
Ärztevertreter zeigten sich damit zufrieden und bezeichneten die Pläne als eine „Stärkung des ärztlichen Standes- und Berufsrechts im Kampf gegen Korruption“. Bleibt abzuwarten, ob sich die Diskussion um korrupte Ärzte damit beruhigen lassen wird. Zu hoffen wäre es.
Dr. Ingolf Dürr
Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2013; 35 (3) Seite 61
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.