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Kliniknetzwerk hilft Menschen mit pädophilen Neigungen

Autor: Michael Reischmann, Abb.: www.kein-taeter-werden.de

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Mit der Universitätsmedizin Mainz gibt es nun bundesweit elf Einrichtungen, wohin sich Männer wenden können, die sich zu Kindern sexuell hingezogen fühlen und die eine (weitere) Straftat vermeiden wollen. Sie erhalten dort kostenfrei therapeutische Hilfe.

Barbara Schäfer-Wiegand, Vorsitzende der Kinderschutzstiftung Hänsel + Gretel, freut sich, dass das Präventionsprojekt Dunkelfeld („Kein Täter werden“) zunehmende Verbreitung findet: „Vorbeugende Maßnahmen sind der beste Kinderschutz.“ Die ehemalige baden-württembergische Sozialministerin beklagt, dass das Gesundheitssystem keine geeigneten Therapieangebote für Menschen mit pädophilen Neigungen hat. Sie mahnt auch für die Einrichtungen des Präventionsnetzwerks eine dauerhafte Finanzierung an, da „ständig Pädophile nachwachsen“.

Geld von Landesregierung und katholischer Kirche

Mit einer Anschubfinanzierung von 50 000 Euro für die Pilotphase bis Ende 2016 hat das rheinland-pfälzische Gesundheitsministerium die Präventionsambulanz der Klinik für Psychotherapie und Psychosomatik der Universitätsmedizin Mainz ausgestattet. Auch das Bischöfliche Ordinariat Mainz hat laut Ministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) eine finanzielle Zuwendung zugesagt.

Mehr Standorte senken Hürde der Anreise

Das Präventionsprojekt begann 2005 mit der Berliner Charié. Innerhalb von nur sechs Monaten hatten sich dort 300 Menschen gemeldet, erzählt Jens Wagner. Die Interessenten kamen aus dem ganzen Bundesgebiet, Österreich und der Schweiz. Da dies jedoch für viele Personen abschreckend lange Anreisen bedeutete, war es hilfreich, dass 2011 das Präventionsnetzwerk gegründet wurde. Das umfasst nun elf Kliniken mit gleichen Qualitätsstandards. Als dessen Pressesprecher konnte Wagner in Mainz einige „berlinlastige“ Daten nennen.

Demnach haben sich bis Ende März gut 5200 Menschen bei dem Projekt per Anruf oder E-Mail gemeldet. Zu einer Diagnose kam es bei 1700 Menschen. 950 erhielten ein konkretes Therapieangebot, das 430 annahmen. 180 haben die Therapie abgeschlossen, 150 sind noch dabei, 100 haben sie abgebrochen.

Privatdozentin Dr. Claudia Subic-Wrana, Leitende Psychotherapeutin der Mainzer Klinik, vertraut vor allem auf die stärkende Wirkung der Gruppentherapie (einmal pro Woche). Es besteht auch die Möglichkeit zu Einzelgesprächen sowie des Einsatzes triebhemmender Mittel, was laut Wagner bei etwa 15 bis 20 % der Betroffenen der Fall ist. Ziel der ein bis zwei Jahre dauernden Therapie ist es, dass die Männer ihre sexuellen Wünsche angemessen wahrnehmen, gefährliche Entwicklungen erkennen und Strategien zur Verhinderung sexueller Übergriffe erlernen.

Vier von zehn Männern sind partnerschaftlich gebunden

Wichtig ist, dass sie auf die Schweigepflicht der Therapeuten vertrauen können. Denn die Angst vor Stigmatisierung hält viele Betroffene bislang davon ab, ihre Bedürfnisse und Befürchtungen kundzutun. Es gibt Schätzungen, wonach sich hierzulande etwa 250 000 Männer sexuell zu Kindern hingezogen fühlen. Die Daten des Präventionsprojekts (Werte aus Berlin, rd. 2000 Befragte) besagen, dass ca. 40 % der Menschen mit pädophilen Neigungen partnerschaftlich gebunden sind.

Vertrauensbildung durch ärztliche Schweigepflicht

Gut jeder Dritte ist Bezugsperson für ein oder mehrere Kinder. Die Männer sind in allen Gesellschaftsschichten und Berufen zu finden. Das Durchschnittsalter beträgt laut Wagner 37 Jahre. Unter den über 2000 Menschen, die sich in Berlin meldeten, waren 17 Frauen; bei einer wurde Pädophilie diagnostiziert.

Die kostenfreie Teilnahme an dem Projekt setzt neben einer entsprechenden Diagnose, Problembewusstsein und Therapiemotivation des Betroffenen voraus, dass aktuell nicht wegen möglicher Straftaten gegen ihn ermittelt wird oder er eine Strafe noch nicht vollständig verbüßt hat. In dem Projekt hat es laut Wagner bislang nicht einen Fall gegeben, bei dem die Schweigepflicht wegen „Gefahr in Verzug“ hätte aufgehoben werden müssen.

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