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Korruption: Strafrechtliche Regelung für Heilberufler

Gesundheitspolitik Autor: Michael Reischmann

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Der Entwurf vom Bundesjustizministerium für einen Strafrechtsparagrafen zu Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen wird in ersten Reaktionen positiv kommentiert. Gesundheitsminis­ter Hermann Gröhe wie auch KBV-Chef Dr. Andreas Gassen sehen darin eine wirksame Maßnahme gegen „schwarze Schafe“.

Dieses Gesetz schützt das Vertrauensverhältnis von Arzt und Patient, erklärte CDU-Minister Gröhe beim Neujahrsempfang von Bundesärztekammer, KBV, KV und Ärztekammer Berlin. Schwarze Schafe dürften nicht den Ruf der gesamten Ärzteschaft schädigen. Der Entwurf des Justizministers unterscheide genau zwischen zulässigen Kooperationsformen und „fragwürdigen Kollaborationen“, so Gröhe. Auch KBV-Chef Dr. Gassen erwartet von der beabsichtigten Regelung „klare Verhältnisse für alle Beteiligten“. Das verhindere einen Generalverdacht.

Gesetzgeber reagiert auf Urteil des Bundesgerichtshofs

Der Entwurf für einen § 299a StGB entspricht dem, was Beobachter seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs 2012 und den seitdem diskutierten Vorschlägen erwartet haben. Eine Gesetzeslücke beim Personenkreis wird geschlossen, sagt der Kölner Fachanwalt für Strafrecht Christoph Klein. Das beendet die strafrechtliche Ungleichbehandlung von niedergelassenen und Klinik­ärzten.

An den möglichen Korruptionsvorwürfen, wie sie sich auch durch Berufs- und Sozialrecht sowie Selbstverpflichtungen (Kodizes) ergeben, ändert sich nichts.

Dass der geplante Paragraf auch nicht verkammerte Berufe (etwa Krankenpfleger und Physiotherapeuten) einschließt, findet Rechtsanwalt Klein nachvollziehbar. Schließlich soll sich der Patient in der gesamten Gesundheitsversorgung darauf verlassen können, dass die bei ihm erbrachten Leistungen allein aus medizinischen Gründen erfolgen.

Kammerchef: Neue Gesetze sind nicht notwendig

Wichtig sei vor allem die von dem Gesetz ausgehende „Abschreckungswirkung“, meldete sich die SPD-Bundestagsfraktion zu Wort. Sie erwartet, dass der Entwurf bald vom Bundeskabinett beschlossen wird und noch 2015 das parlamentarische Verfahren durchlaufen wird.

Auf Ablehnung stößt der Gesetzentwurf beim hessischen Ärztekammerpräsidenten Dr. Gottfried von Knoblauch zu Hatzbach. Der Straftatbestand der Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen sei „überzogen und ­realitätsfern“. „Um die schwarzen Schafe unter den Kollegen aufzudecken, brauchen wir keine neuen Gesetze, sondern eine konsequente Anwendung der bestehenden Regulierungen“, so Internist Dr. von Knoblauch zu Hatzbach.

Die Landesärztekammer verfüge auf der Grundlage des Heilberufsgesetzes über wirksame Mittel zur Ermittlung und Ahndung ärztlicher Korruption. Auch wenn kein strafrechtlicher Tatbestand vorliege, werde sie aktiv, beispielsweise bei Zuweisungen gegen Entgelt oder falschen GOÄ-Abrechnungen. Der Kammerpräsident lobt die gute Zusammenarbeit mit der (bundesweit einzigen) Zentralstelle zur Bekämpfung von Vermögensstraftaten und Korruption im Gesundheitswesen bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt/Main.

Der Leiter dieser Zentralstelle, Oberstaatsanwalt Alexander Badle, dämpft in einem Beitrag für die erste Ausgabe der neuen Zeitschrift für Medizinstrafrecht („medstra“; C.F. Müller-Verlag) vor „übertriebenen Erwartungen“ an einen Straftatbestand der Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen. Ein „Übermaß an Strafrecht“ berge die Gefahr neuer Umgehungsstrategien. Dabei stünden die knapper werdenden Ressourcen der Strafverfolgungsbehörden in diamentralem Gegensatz zu den immer komplexeren Ermittlungsverfahren.

Misstrauen in die Selbstkontrolle der Akteure

Bei der Bestimmung von Wertmaßstäben und Abgrenzungskriterien seien die Marktteilnehmer und die berufsständischen Kammern angemessen zu beteiligen, „damit praxis­taugliche Instrumentarien geschaffen werden, die eine reale Chance haben, im Markt akzeptiert zu werden“. Dem Strafrecht komme keine Definitionshoheit über den Gesundheitsmarkt zu. In ihrer Bedeutung für unterschätzt hält Badle z.B. die Verhaltenskodizes der Pharmaindus­trie und Medizinproduktehersteller.

„In dem Maße, in dem man der Selbstkontrolle der Branche mit Misstrauen begegnet, sieht man eine Kontrolle durch das Strafrecht uneingeschränkt positiv“, schreibt der Oberstaatsanwalt. Bedenklich sei die insbesondere unter GKV-Vertretern verbreitete Haltung, auf strafrechtliche Sanktion abzustellen und andere Optionen erst gar nicht in Betracht zu ziehen.

Gegen Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitwesen


Der von Justiziminister Heiko Maas (SPD) vorgeschlagene § 299a StGB besagt, dass

  • Heilberufler mit einer staatlich geregelten Ausbildung,
  • die im Zusammenhang mit der Ausübung ihres Berufs
  • einen Vorteil für sich oder Dritte fordern, versprechen lassen oder annehmen
  • als Gegenleistung für den Bezug, die Verordnung oder die Abgabe von Medizinprodukten, Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln oder
  • für die Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial
  • und die dadurch einen anderen im Wettbewerb unlauter bevorzugen oder in sonstiger Weise Berufsausübungspflichten verletzen,
  • mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe sanktioniert werden.

Dasselbe gilt für diejenigen, die dem Heilberufler dementsprechend  Vorteile anbieten oder gewähren.

In besonders schweren Fällen der Bestechlichkeit und Bestechung soll die Freiheitsstrafe drei Monate bis fünf Jahre betragen (§ 300 StGB). Die Strafverfolgungsbehörden werden auf Antrag oder wegen besonderen öffentlichen Interesses tätig.
Die Gesetzesbegründung gibt erläuternde Hinweise. Kritisch ist demnach ein Vorteil, der als nicht mehr „sozialadäquat“ gilt, also den Eindruck erweckt, dass er die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung beeinflussen wird. Es kommt allerdings auch darauf an, dass dieser Vorteil eine Gegenleis­tung für eine zumindest intendierte unlautere Bevorzugung im Wettbewerb oder die sonstige Verletzung von Berufsausübungspflichten ist (sog. Unrechtsvereinbarung).
Beispielsweise stelle die Annahme eines für die Teilnahme an einer wissenschaftlichen Fortbildungsveranstaltung gewährten Vorteils, der über die notwendigen Reisekosten und Tagungsgebühren hinausgeht, einen Verstoß gegen berufsrechtliche Pflichten (§ 32 Abs. 2 Muster-Berufsordnung Ärzte) dar. Strafbar sei das aber nur dann, wenn damit eine Unrechtsvereinbarung verknüpft ist, schreibt das Justizministerium.

Für die Anwendung des § 299a reiche es nicht aus, wenn mit der Zuwendung nur das allgemeine Wohlwollen des Nehmers erkauft werden soll oder diese als Belohnung für eine bereits erfolgte Handlung gedacht sei.
Auch eine vergütete Anwendungsbeobachtung erfüllt den Tatbestand des § 299a nicht, solange keine Unrechtsvereinbarung (Vergütung nicht nach Studienaufwand, sondern für Präparatebevorzugung) vorliegt.
Eine strafbare Verknüpfung zwischen einer Geschäftsbeteiligung und medizinischen Entscheidungen kann bestehen, wenn ein Arzt einem Unternehmen, an dem er selbst beteiligt ist, Patienten zuführt und er dafür z.B. eine Gewinnbeteiligung erhält. Dagegen dienen Bonuszahlungen an Vertragsärzte auf sozialrechtlicher Basis für die Verordnung preisgünstiger Präparate (z.B. § 84 Abs. 4 SGB V) der wirtschaftlichen Mittelallokation und sind sakrosankt.

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