Vergütung Krankenkassen sind keine Sparkassen!

Gesundheitspolitik Autor: H. Glatzl

© SG- design - Fotolia

Schon länger beschweren sich die Ärzte, dass der Gesetzgeber die Morbiditätsrisiken einseitig auf ihren Schultern ablädt. In allen KV-Regionen arbeiten die Ärzte mehr, als sie vergütet bekommen. Nach Ansicht der Wissenschaftler des Zentralinstituts für die Kassenärztliche Versorgung (Zi) enthält der Regierungsentwurf für das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz für die geplante regionale Weiterentwicklung der vertragsärztlichen Vergütung nur eine unzureichende Lösung. Mit einem detaillierten Vorschlag wird jetzt seitens der Körperschaft gegengehalten.

3 Kriterien

Das Zi will zur Bewertung des regionalen Versorgungsbedarfs konkret 3 Kriterien heranziehen:

  1. Die regionale Versichertenstruktur (die Alters-, Geschlechts-, Morbiditäts- und Sozialstruktur bestimmt das Niveau der Inanspruchnahme).
  2. Die regionale Versorgungsstruktur (sie bestimmt bei gegebener Versichertenstruktur und unterschiedlicher Arbeitsteilung zwischen der ambulanten und stationären Versorgung die Intensität der Behandlung durch die Niedergelassenen vor Ort).
  3. Die regionalen Versorgungsziele (sie bestimmen, welche Leistungsbereiche zur Weiterentwicklung der ambulanten Versorgung vor Ort gefördert werden sollen).

Der Aufschlag kommt spät, aber gerade noch vor der Verabschiedung des Versorgungsstärkungsgesetzes (VSG). Das Gesetz versucht zwar die Klagen der Ärzte mittels § 87a SGB V insofern zu berücksichtigen, dass Regionen mit einer bundesweit unterdurchschnittlichen morbiditätsorientierten Gesamtvergütung (MGV) für das Jahr 2016 einen Vergütungsaufschlag bis zur Höhe des Durchschnittswertes verhandeln können. In der Realität kommt dieses Verhandlungsmandat allerdings nur 5 der 15 KVen zugute. Nur diese dürften demnach über eine grundsätzliche Honoraranpassung verhandeln. Doch tatsächlich fehle überall ausreichend Geld für die ambulante Versorgung. Denn in jeder KV-Region übersteige die tatsächliche Inanspruchnahme der Versicherten die zuvor als notwendig erachtete Leistungsmenge, so das Zi.

Kassen sollen Patientenversorgung komplett finanzieren

Anlässlich der Vorstellung der neuesten Zi-Studie zum Thema fordert der KBV-Chef deshalb: „Im Interesse der Patienten, aber auch der niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten erwarten wir, dass der Gesetzgeber jetzt endlich den Grundsatz umsetzt, dass die Krankenkassen den notwendigen Versorgungsumfang der Patienten auch komplett finanzieren.“ Der Regierungsentwurf müsse dringend überarbeitet werden.

Mit der Untersuchung untermauert das Zi die Forderung der KBV nach einem größeren Verhandlungsspielraum für die regionalen Vergütungsvereinbarungen zwischen Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) und den Verbänden der Krankenkassen. Grundlage dieser Vereinbarungen sollten nach Auffassung des Instituts die im Gesetz aufgeführten Kriterien zur Bestimmung der notwendigen Leistungsmenge sowie eines angemessenen Preises je Leistung sein. Das Gesetz verpflichtet die KVen und die Krankenkassen dazu, die notwendige Leistungsmenge für die Versicherten für ein Jahr im Voraus festzulegen. Hierbei müssten regionale Besonderheiten der Patienten- und Versorgungsstruktur Berücksichtigung finden und spezifische Versorgungsziele einbezogen werden, so die Experten des Zi. Dies sei bisher nur unzureichend erfolgt.

Versorgungsbedarf regional bewerten

„Entscheidend ist“, so Gassen, „dass der vereinbarte Behandlungsbedarf der Versicherten in den Regionen schrittweise angepasst werden kann. Er sollte zumindest perspektivisch dem tatsächlich notwendigen Versorgungsumfang der Patienten entsprechen.“ Die Bewertung des Versorgungsbedarfs müsse in jeder Region vor Ort vorgenommen werden.

Am Regierungsentwurf kritisiert Gassen, dass die Vertragspartner in den Regionen nur ein einziges Mal und das viel zu spät – nämlich erst für das Jahr 2017 – über die Höhe des notwendigen Versorgungsumfangs verhandeln dürften. Zudem sei die Bezugsgröße falsch gewählt.

Der Regierungsentwurf sieht vor, dass Verhandlungen nur in Regionen zulässig sind, deren Gesamtvergütung unter dem Bundesdurchschnitt liegt; eine Anpassung der Vergütung ist auch nur bis zum Bundesdurchschnitt möglich. „Eine nur einmalige Verhandlungsmöglichkeit widerspricht dem Ziel, kontinuierlich eine bedarfsgerechte Vergütung zu vereinbaren. Die Beschränkung auf den Bundesdurchschnitt stellt zudem einen erheblichen Rückschritt dar, denn damit fehlt der Bezug zum tatsächlichen Versorgungsbedarf der Versicherten vor Ort,“ sagte Gassen. Regionen mit einer älteren bzw. kränkeren Bevölkerung hätten einen überdurchschnittlichen Versorgungsbedarf.

Das Gleiche gelte für Regionen mit einem besonders hohen Anteil an Leistungen, die ambulant erbracht werden, da dort bekanntlich viele Behandlungen in Krankenhäusern gar nicht mehr angeboten würden. „Diese Regionen sind mit dem Bundesdurchschnitt nicht sachgerecht bewertet“, sagte Gassen.

Ziel sind feste Preise für ärztliche Leistungen

Nach Ansicht der KBV sollten die Kriterien zur Bewertung des notwendigen Versorgungsbedarfs daher von den KVen und Krankenkassen vor Ort regelhaft angewendet werden. Dabei dürften die aus Zeiten der Honorarbudgetierung stammenden Vergütungsabschläge für erbrachte Leistungen nicht fortgeschrieben werden. Diese orientierten sich nämlich nicht an dem tatsächlichen Versorgungsbedarf. In den von KBV und Zi geforderten Maßnahmen sieht Gassen einen wichtigen Schritt in Richtung fester Preise für ärztliche Leistungen. „Um die Zukunft der ambulanten Versorgung insgesamt und insbesondere auch in ländlichen Regionen zu sichern, benötigen die Vertragsärzte jetzt dieses seit langem erwartete Signal der Politik“, bekräftigte Gassen.

Die Grundlagen zur Untermauerung soll die Zi-Studie liefern. „Wir können mit den Ergebnissen aus der Versorgungsforschung die Besonderheiten der einzelnen Regionen gut abbilden. Wenn der Gesetzgeber jetzt die Versorgungsforschung mit Millionen fördert, ist es sinnlos, dass die Vertragspartner diese Ergebnisse aufgrund gesetzlicher Vorgaben praktisch ignorieren müssen“, so Dr. Dominik von Stillfried, Geschäftsführer des Zi. Der Datensatz zur bedarfsgerechten Weiterentwicklung der regionalen Gesamtvergütungen krankt allerdings daran, dass infolge von Selektivverträgen keine belastbaren Zahlen aus Bayern und Baden-Württemberg vorliegen, so der Zi-Leiter auf Nachfrage.

Wie kaum anders zu erwarten, löst die KBV-Argumentation heftigen Widerspruch beim GKV-Spitzenverband aus. Denn sollten auf Wunsch der KBV alle Leistungen einbezogen werden, so heißt es von dort, müsste aus Sicht der Krankenkassen im Gegenzug der Orientierungswert abgesenkt werden. Wie das Signal der Politik aussehen wird, bleibt nun abzuwarten.


Hans Glatzl

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (5) Seite 28-32
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.

Abb. 1: Nur 5 der 15 betrachteten KVen liegen unter dem Durchschnitt der gezahlten MGV und können gemäß des Regierungsentwurfs in Verhandlungen eintreten Abb. 1: Nur 5 der 15 betrachteten KVen liegen unter dem Durchschnitt der gezahlten MGV und können gemäß des Regierungsentwurfs in Verhandlungen eintreten
Abb. 2: Die Auszahlungsquote in der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung liegt überall unter 100 % Abb. 2: Die Auszahlungsquote in der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung liegt überall unter 100 %