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KV: Substitutionstherapie hat sich bewährt

Gesundheitspolitik Autor: Antje Thiel

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Die Zahl der Drogentoten in Hamburg erreichte 2012 mit 49 den niedrigsten Stand seit 1986. Auch die Beschaffungskriminalität ist deutlich zurückgegangen. Diesen Erfolg führt die KV Hamburg auf die Substitutionsbehandlung von Opiatabhängigen zurück.

Die Substitionstherapie Opiatabhängiger in Hamburg hat ein Imageproblem. Zuletzt geriet sie in Verruf, als im Januar 2012 ein elfjähriges Mädchen in der Obhut seiner Pflegeeltern an einer Überdosis Methadon starb. Beide Pflegeeltern waren in Substitutionsbehandlung.

Auch die Statistik zur Methadonnachweisrate im Jahr 2011 ließ so manchen am Hamburger Konzept zweifeln: Bei etwa der Hälfte der Drogentoten wurde Methadon nachgewiesen – ein deutlich höherer Wert als in allen anderen Bundesländern. Verfolgt Hamburg mit seinem niedrigschwelligen Zugang zur Drogensubstitu­tion also einen Irrweg?

Das Gegenteil ist der Fall, sagt die KV mit Blick auf eine aktuelle Sonderprüfung zur Qualitätssicherung, deren Ergebnisse bei einem Symposium an der Universität Hamburg vorgestellt wurden. Von den etwa 100 Hamburger Ärzten, die in der Substitutionsbehandlung arbeiten, wurden 50 zufällig ausgewählt und die Daten von 255 Patienten geprüft. Demnach erhielten 84 % der Patienten eine „Take-home-Vergabe“. Sie mussten also ihr Substitutionsmedikament nicht unter Aufsicht in der Arztpraxis oder Ambulanz einnehmen, sondern erhielten ein Rezept für bis zu sieben Tage.

Methadon-Mitgabe hilft bei der Resozialisierung

Dr. Rainer Ullmann, Allgemeinarzt und Vorsitzender der Qualitätssicherungskommission Substitution, rechtfertigt dieses Vorgehen: „Diese Mitgabe bedeutet nicht, dass der Patient etwas zum Vergnügen mitbekommt, sondern trägt erheblich zur Resozialisierung bei.“ Schließlich sei ein täglicher Termin in einer Arztpraxis oder Ambulanz zur beaufsichtigten Methadoneinnahme nur schwer mit Erwerbstätigkeit vereinbar.

In 83 % der Fälle habe die Kommission diese Mitgabe auch für gerechtfertigt gehalten, bei 17 % der untersuchten Fälle sei man zu dem Schluss gekommen, dass sie „angepasst, kritisch überdacht und ggf. beendet“ werden müsse.

Drogentote und Substitutionstherapie in Hamburg

Schätzungen zufolge leben in Hamburg rund 10 000 Menschen, die von Opiaten abhängig sind. Etwa 4500 von ihnen erhalten eine Substitutionstherapie mit den Substanzen Methadon, Levomethadon oder Buprenophin. 2012 gab es in Hamburg 49 Drogentote. Bei 31 dieser Todesfälle wurde ein Konsum von Substitutionsmitteln nachgewiesen, bei 25 vorliegenden Mischintoxikationen wurden Substitutionsmittel als Haupttodesursache aufgeführt. Allerdings hatten nur sechs dieser Methadontoten zu Lebzeiten an einem Substitutionsprogramm teilgenommen, die übrigen hatten die Medikamente offenbar auf dem Schwarzmarkt beschafft. Die Mortalitätsrate Substituierter ist mit 1 % dennoch nur halb so hoch wie bei nicht substituierten Opiatabhängigen.


Problematischer als das Verschreibungsverhalten der Suchtmediziner sind andere Dinge, etwa die psych­iatrische Unterversorgung Opiatabhängiger, meint Herbert Görne, Allge­meinarzt und Vorsitzender des Arbeitskreises Suchtmedizin der KV und der Ärztekammer Hamburg. „Abhängigkeit ist kein schlechtes Benehmen, sondern ein psychiatrisches Krankheitsbild. Doch auch in einer weltoffenen Stadt wie Hamburg ist es kaum möglich, diese Patienten einer psychiatrischen Behandlung zuzuführen“, kritisiert Görne.

Viele Opiatabhängige seien zusätzlich alkoholabhängig oder litten unter Depressionen oder Angststörungen. Zentrale Anlaufstelle auch für psychiatrische Probleme sei deshalb meist der Suchtmediziner. „Wir koordinieren das gesamte sozial­medizinische Setting des Patienten. Dazu gehören Drogenberatung, Suchtklinik, stationäre Behandlung von Begleiterkrankungen, Apotheker, Haftanstalten, Rehabilitationseinrichtungen, Jugend- und Arbeitsämter sowie andere Fachärzte“, berichtet Görne und wirbt für sein Spezialgebiet: „Suchtmedizin umfasst weit mehr als die Frage, wie man Methadon regelkonform rezeptiert. Sie ist eine spannende interdisziplinäre Herausforderung und als solche sehr befriedigend.“

Substitutionstherapie mit Zusatz-Weiterbildung

Die Substitutionstherapie wird in Hamburg von 100 Ärzten – überwiegend Allgemeinmedizinern – angeboten. Die Mehrheit von ihnen ist älter als 62 Jahre, der ärztliche Nachwuchs ist nur schwer zu begeistern. Voraussetzung für die Teilnahme an der Substitutionsbehandlung Opiatabhängiger ist die Zusatz-Weiterbildung „Suchtmedizinische Grundversorgung“, die nach einem 50-Stunden-Kurs bei den Landesärztekammern erworben werden kann. Die wichtigsten Informationen hierzu hat der bundesweit tätige Initiativkreis Substitutionstherapie auf der Website www.bitte-substituieren-sie.de zusammengestellt.



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