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Längeres Leben dank integrierter Versorgung

Autor: Prof. Dr. Klaus Dieter Kossow

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Das Versorgungsmodell „Gesundes Kinzigtal“ überzeugt auch

MT-Kolumnist Prof. Kossow.

Die AOK Baden-Württemberg ist besonders experimentierfreudig. Nachdem sie in den letzten Jahren erhebliche Gewinne erzielen konnte, weil sie Ausschreibungs- und Rabattsysteme zur Senkung der Arzneikosten am Markt und vor Gericht durchsetzte, kann sie nun auch die Früchte des von ihr vor etwa sieben Jahren gestarteten Vertragswettbewerbs ernten.


Baden-Württemberg wurde zum Experimentierfeld für neue Versorgungsformen. Gegen erheblichen Widerstand der KBV wurde ein Vertrag mit den Organisationen der Hausärzte etabliert, der wegen seiner Anfangserfolge bis 2015 verlängert wurde. Mit den Fachärzten von Medi wurde eine Anschlussversorgung von eingeschriebenen Hausarztpatienten bei Spezialisten vereinbart.


Unter dem Management der Opti­Medis AG Hamburg wurde für die Bevölkerung im Kinzigtal zwischen einer Arbeitsgemeinschaft von Krankenhäusern und Ärzten, AOK und anderen Kassen ein Vertrag zur Integrationsversorgung vereinbart.

»Signifikant weniger Tote im 'Gesunden Kinzigtal'«

Nach sechs Jahren Vertragslaufzeit ist nun ein überzeugender Nachweis verbesserter Effizienz der Patientenversorgung gelungen. Dies geht aus einem Bericht hervor, den die Opti­Medis AG Ende Oktober 2012 der Öffentlichkeit vorgelegt hat. Aus den Teilnehmern des Programms wurden Vergleichspopulationen mit einer Patientengruppe gebildet, die nicht am Programm teilnahm und die, die gleichen statistischen Kriterien erfüllte. In einem Beobachtungszeitraum von zehn Quartalen starben in der Gruppe der Integra­tionsversorgten 78 (= 1,76 %) und in der Gruppe der Standardversorgten 172 (= 3,74 %) Patienten.


Dieses Ergebnis ist statistisch signifikant. Die verlängerte Lebenszeit gilt bei Vergleichsstudien in der Arzneimittelanwendung und bei Versorgungskonzepten als harter Endpunkt. Hinzu kommt, dass das Projekt „Gesundes Kinzigtal“ extern durch das Medizinsoziologische Institut der Universität Freiburg evaluiert wurde. Bemerkenswert ist, dass es sechs Jahre gedauert hat, bis das Projekt an einem harten Endpunkt einen Nutzenzuwachs bei etwas geringerem Kostenaufwand nachweisen konnte.

»Wissenschaftliche Ergebnisse als Grundlage der Gesetzgebung«

Dies sollte sich besonders der ehemalige Bundesgesundheitsminister Dr. Philipp Rösler merken. Er hatte im September 2010 eine Änderung des § 73b zur hausarztzentrierten Versorgung in das SGB V schreiben lassen, der zufolge die Direktverträge zwischen Organisationen der Haus­ärzte und Krankenkassen schon zu Vertragsbeginn mit einem Effizienzvergleich mit der Regelversorgung durch die Kassenärztliche Versorgung belastet werden. Dies muss nach den Ergebnissen der Versorgungsforschung im Kinzigtal schlicht und einfach für unzulässig erklärt werden.


Das Sozialrecht verlangt von behandelnden Ärzten eine Orientierung am allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse (§ 70 SGB V). Die gleiche Norm sollten die Gesundheitspolitiker gegen sich gelten lassen. Sie sollten die wissenschaftlichen Ergebnisse zur Grundlage ihrer Gesetzgebung machen.


Wenn es sechs Jahre dauert, bis das Managementkonzept eines Vertrags zur Integrationsversorgung im Bezug auf die Effizienz mit der Regelversorgung durch die Kassenärztlichen Vereinigungen nachgewiesen werden kann, dann müssen die Verträge eine Mindestlaufzeit von acht Jahren haben. Selbst die drei Jahre, die die Bundesregierung den Verträgen zur Hausarztzentrierten Versorgung für deren Evaluation gegeben hat, sind viel zu kurz bemessen.

»Lobbypolitik von Dr. Rösler schadet den Patienten«

Das Ergebnis der Versorgungsforschung im Kinzigtal ist daher als wichtige Mahnung an die Gesundheitspolitiker aufzufassen. Sie sollten endlich damit aufhören, wichtige Paragrafen des Sozialrechts mit Auswirkungen auf das Versorgungsgeschehen alle ein bis zwei Jahre zu ändern. Dies führt nämlich die viel zu spärliche und obendrein noch teure Versorgungsforschung ad absurdum.


Im Übrigen stützen die Resultate der Evaluation im Kinzigtal die Forderungen des Hausärzteverbandes, den § 73b SGB V in der Fassung der Großen Koalition wieder herzustellen, damit die Patienten nicht Schaden nehmen an der fahrlässigen Lobbypolitik von Dr. Rösler, der auf Aktivitäten einiger Krankenkassen hereingefallen war. Diese hatten für 2011 ein GKV-Defizit von zehn Milliarden Euro prognostiziert. Mittlerweile wird per 2013 mit 25 Milliarden Überschuss gerechnet. Ursächlich dafür sind trotz der Behinderungen durch Dr. Rösler und Konsorten auch die Fortschritte bei Direktverträgen und bei der Integrationsversorgung.

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