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Medizin für Datensammler – welche Rolle spielt der Hausarzt?

Gesundheitspolitik Autor: Ruth Bahners

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Damit Sie als Hausarzt auch künftig der erste Ansprechpartner bleiben, müssen Sie investieren: in die IT-Infrastruktur Ihrer Praxis. Sonst sind Sie in zehn Jahren abgehängt. Diesen Rat geben Zukunftsforscher Hausärzten.

Wie heute schon beim Auto, bringt „der Gesundheitskunde“ 2025 seine Daten mittels elektronischer Assis­tenzsysteme mit. Er erwartet einen Manager für seine umfangreichen Gesundheitsdaten und ein Netzwerk für die Lösung seiner Probleme – möglichst bevor sie entstehen.

Im Auftrag der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank) haben Forscher des Leipziger Thinktanks 2beahead per Delphi-Methode (Experteninterviews) den Megatrend auf dem Gesundheitsmarkt für die nächsten zehn Jahre ermittelt. Die Bank will diese Erkenntnisse für Beratungs- und Investitionsentscheidungen nutzen.

Hoffen auf bessere Betreuung – und gute Geschäfte

Personalisierte Medizin heißt das Zauberwort. Doch nicht im Sinne des heute gebräuchlichen Verständnisses in der Onkologie, sondern als „datenzentrierte Medizin“. Es gehe darum, die Masse an Gesundheitsdaten, die heute schon von Apps oder Apple-Watch erfasst werden, „zu Profilen zu verdichten, die Dia­gnostik und Therapie noch erfolgreicher machen“, meint apoBank-Vorstand Ulrich Sommer, „in der Hoffnung auf eine verbesserte Betreuung, aber auch auf ein großes Geschäft“.

Sommer skizzierte als wichtigste Aspekte dieser neuen Welt: „Die Gesundheitsdaten übernehmen die Lead-Funktion; Spezialisten arbeiten in übergreifenden Teams; die Grenzen zwischen Gesundheit und Krankheit verschwimmen, und der Gesundheitsmarkt tritt in die digitale Welt ein.“

„Aus Patienten werden Gesundheitskunden“

Das heißt: Künftig werden sich in den Arztpraxen nicht nur kranke, sondern auch gesunde Menschen einfinden, die sich medizinischen und gesundheitlichen Rat einholen wollen. „Aus Patienten werden Gesundheitskunden“, besagt die Studie.

Diese Kunden erwarten maßgeschneiderte Konzepte auf der Basis ihrer individuellen Profile, schon bevor eine Krankheit entsteht.

Zugleich werde die Fülle und Komplexität der erfassten Daten dazu führen, dass der einzelne Patient überfordert sein wird, diese auszuwerten. „Doch die Auswertung der Daten wird nicht selbstverständlich beim Hausarzt liegen“, sagt der Leiter der Trendstudie Michael Carl.

Die Konkurrenz um die Rolle des „Coachs und Lebensberaters“ sei groß, vor allem durch virtuelle Berater. Gefragt seien Berater, die ihr Wissen situationsabhängig weitergeben könnten und dabei individuelle Hindernisse und Motivationen einbeziehen.

„Der einzelne Hausarzt kann seine Bedeutung steigern, wenn er diese Chance ergreift“, so Carl. Die Bedeutung in der Akutversorgung werde von diesem Trend ohnehin nicht tangiert.

Neben der Interpretation von Daten sei die Koordination eine zentrale Aufgabe. Aber: „Alleine kriegt man das nicht hin!“ Daher rät der Zukunftsforscher Heilberuflern zur Vernetzung und folglich auch zu Investitionen in die Praxis-IT: „Machen Sie sich anschlussfähig.“

Der Umgang mit dem „Gesundheitskunden“ werde nicht unbedingt leichter, meint Carl. „Sie werden erleben, dass Patienten sich auch über Ihren Rat hinwegsetzen, nicht nur aufgrund rationaler Erwägungen.“ Als negatives Beispiel nannte er den Masernausbruch in Berlin. Da hätten sich diese selbstbewussten Kunden durch andere Informationen zur Entscheidung gegen das Impfen verleiten lassen.

Forscher: Bürger wollen ihre Daten freigeben

Der Datenschutz erfahre einen Paradigmenwechsel. Datenschutz im neuen Sinne heiße, „dass der Bürger mit einem Klick die über ihn gespeicherten Daten ansehen, verändern und löschen will“. Kurz: Die Nutzer „wollen ihre Daten nicht verheimlichen, sondern freigeben“.

Sollten sich die Rahmenbedingungen allerdings nicht ändern, „wird personalisierte Medizin nur finanziell gut situierten Patienten zugute kommen, die sich Leistungen außerhalb der gesetzlichen Erstattung und außerhalb Deutschlands einkaufen werden“, prophezeien die Leipziger Zukunftsforscher.

Doch apoBank-Vorstandsmitglied Sommer ist sich sicher, dass der „Veränderungsdruck, dem sich die Politik stellen muss, für die notwendigen Anpassungen an die Digitalisierung sorgen wird“.

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