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Lobbyregister Mit weißem Pass in die Bundespolitik

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

Ein für Lobbyisten interessantes Gebiet: der Deutsche Bundestag und dazugehörige 
Parlamentsgebäude. Ein für Lobbyisten interessantes Gebiet: der Deutsche Bundestag und dazugehörige Parlamentsgebäude. © frank peters – stock.adobe.com
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Bundestagsabgeordnete sind für Lobbyisten ein wichtiges strategisches Ziel, denn über sie lassen sich mit mehr oder weniger Erfolg geplante Gesetze zum eigenen Vorteil beeinflussen. Neue ­Zugangsregeln sollen ab diesem Jahr Transparenz schaffen. Gesundheit und Gesundheitsversorgung sind große Themen.

Wer in Berlin Interessenvertretung betreiben will, kommt um einen Eintrag im Lobbyregister nicht herum. Zwecks Transparenz ist das im März 2021 per Lobbyregistergesetz, kurz LobbyRG, beschlossen worden. Den Zugang erhält man letztlich aber nur mit einem am Bundestagseingang ausgegebenen weißen Tagesausweis. Lobbyisten, die vor Kontaktaufnahme zu Abgeordneten ihren Eintrag in das Register versäumen, droht ein Ordnungsgeld von 50.000 Euro.

Bisher rund 3.500 Anmeldungen registriert

Eintragen können sich Organisationen, Körperschaften, Verbände, Kirchen oder auch Rechtsanwälte, Wissenschaftler sowie Privatpersonen. Alle Daten sind auf der Website öffentlich einsehbar. Gelistet ist z.B. unter der Registernummer R001928 der Verband der Ersatzkassen vdek. Als jährliche finanzielle Aufwendungen im Bereich der Interessenvertretung gibt der Verband 250.001 bis 260.000 Euro (01/20 bis 12/20) an. Als Anzahl der Beschäftigten im Bereich der Interessenvertretung nennt er 11 bis 20. Aufgeführt sind des Weiteren diverse Interessen- und Aufgabenbereiche sowie eine detaillierte Beschreibung des Tätigkeitsbereichs samt Verweisen auf gesetzliche Hintergründe.

Rund 3.500 Einträge ins Register gibt es bisher. 1.114 Fundstellen meldet die Suche nach dem Wort „Gesundheit“. Erstaunlich, dass hier auch der Deutsche Sportwettenverband oder der Bayerische Brauerbund aufgeführt werden. Das liegt am vielfach breiten Spektrum an Interessensgebieten und Vorhabensbereichen. Gesundheit ist aber unter den zahlreichen genannten Themen oft nur ein marginaler Aspekt.

Grenzt man die Suche auf Lobbyisten zum Thema „Arzneimittel“ ein, erhält man 365 Fundstellen. Unter der Auswahl „Gesundheitsversorgung“ sind es 674. Apotheker- und Psychotherapeutenkammern sind unter Gesundheitsversorgung aufgeführt, Krankenkassen-Landesverbände, Verbände von Kliniken, Medizinische Versorgungszentren, Privatärzte, Zahnärzte, Augenärzte. Beim Suchwort „kassenärztliche“, sind Berufsverbände der Frauenärzte und der HNO-Ärzte zu finden, die Freie Allianz der Länder-KVen (FALK) oder auch die Gemeinschaft fachärztlicher Berufsverbände. Unter „Hausärzte“-Suche findet sich u.a. der Deutsche Haus­ärzteverband, der Bundesverband niedergelassener Diabetologen und der Baden-Württembergische Genossenschaftsverband, der neben der Hausarztversorgung auch Europapolitik, Landwirtschaft, Tourismus oder Tierschutz im Blick hat.

340.001 bis 350.000 Euro meldet der Deutsche Hausärzteverband für Interessenvertretung an, bei 1 bis 10 Beschäftigten im Bereich. 441 bis 450 in der Lobbyarbeit Beschäftigte zählt das Deutsche Rote Kreuz. 511 bis 520 sind es beim Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, hier allerdings ohne den Fokus auf Gesundheit.

Die Interessenvertretung im Gesetzgebungsprozess ist aus Sicht der Politik wichtiges Element, um „gute, lebensnahe und passgerechte Regelungen zu erarbeiten“. Das merkte einst die Regierung der Großen Koalition in der Diskussion zum LobbyRG an. Die Notwendigkeit von mehr Transparenz wurde von allen Fraktionen als notwendig erachtet.

Legislativer Fußabdruck soll noch dazukommen

Der legislative Fußabdruck, gefordert von den Fraktionen der Linken sowie der Grünen (damals in der Opposition), vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) und von Transparency International Deutschland, hat es in der letzten Legislatur noch nicht ins Gesetz geschafft. Die Ampel-Regierung will jedoch laut Koalitionsvertrag nachschärfen. Geplant ist, Kontakte zu Ministerien ab Referentenebene ins Register einzubeziehen und den Kreis der eintragungspflichtigen Interessenvertretungen „grundrechtsschonend und differenziert“ zu erweitern. „Für Gesetzentwürfe der Bundesregierung und aus dem Bundestag werden wir Einflüsse Dritter im Rahmen der Vorbereitung von Gesetzesvorhaben und bei der Erstellung von Gesetzentwürfen umfassend offenlegen“, kündigen die Koalitionäre an.

Die „Allianz für Lobbytransparenz“ begrüßt dies, denn das aktuelle Register gebe zwar einen guten Überblick über die Landschaft der Interessenvertretungen, spiegele jedoch die letztendliche Wirkung der Lobbyarbeit nicht wider. Der Lobby­allianz gehören neben der Plattform zur Bekämpfung der Korruption Transparency Deutschland auch Industrie- und Bankenverbände an sowie der Naturschutzbund NABU und der vzbv.

Transparency bewertet für 2021 unter lobbyranking.de auch die Transparenzinitiativen in den Bundesländern. Sowohl im Bund als auch in den Ländern sei unter anderem auf die Lobbyskandale des letzten Jahres – Aserbaidschan-Affäre, Maskenskandal, Aufarbeitung Wirecard und Cum-Ex-Machenschaften – reagiert worden, heißt es. Es sei versucht worden, mit verbesserten Integritätsregeln das beschädigte Vertrauen der Gesellschaft zu reparieren. Allerdings gebe es trotz regulatorischer Verbesserungen noch viel Luft nach oben. Kritisch sieht Transparency u.a. die Höhe des Ordnungsgeldes. 50.000 Euro würden großen Unternehmen nicht weh tun, meint Transparency.

Wie groß ist der Einfluss der IT-Lobby?

Mittels des legislativen Fußabdrucks ließe sich wahrscheinlich schon jetzt eine Frage beantworten, die sich die Freie Ärzteschaft gerade in Bezug auf die Probleme mit elektronischem Rezept und eAU-Bescheinigung stellt: „Wer entscheidet in Berlin? Der Gesundheitsminister oder die IT-Lobby?“

Medical-Tribune-Bericht

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