Hausärzte-Hearing in Bayern München 21: Man will wieder verhandeln

Gesundheitspolitik Autor: I. Dürr

Der Ausstieg aus dem KV-System ist gescheitert. Die Krankenkassen haben die meisten Verträge zur Hausarztzentrierten Versorgung (HzV) gekündigt. Verbrannte Erde in Bayern. Anlass genug - und vielleicht auch höchste Zeit - für Bayerns Gesundheitsminister Dr. Markus Söder, zu einer Anhörung in den Landtag nach München einzuladen und die Kontrahenten wieder zusammenzubringen. Die Erwartungen waren nicht allzu groß, aber die Politik hat zumindest ihr Minimalziel erreicht. Man redet wieder miteinander.

Noch war die Zeit wohl nicht reif, um sich wieder gemeinsam an einen Tisch zu setzen. Viele Meter trennten die Vertreter der Hausärzte von denen der Krankenkassen. Den Puffer bildeten Gesundheitsminister Söder und die Präsidentin des Bayerischen Landtags Barbara Stamm. Von vorne weg übernahm Söder das Heft fest in die Hand und stellte klar, worum es ihm geht: Kooperation statt Konfrontation müsse das Motto lauten. „Wir wollen den Dialog über die Zukunft der hausärztlichen Versorgung wieder in Gang bringen. Die Bayerische Staatsregierung steht zu den Hausarztverträgen und zum § 73b. Aber außerhalb des Rechts gibt es keine Verhandlungen.“

Absage an den Ausstieg

Zum Einstieg in das Hearing forderte Söder deshalb von den Vertretern des Bayerischen Hausärzteverbands (BHÄV) eine klare und dauerhafte Absage an weitere Ausstiegsdrohungen, Streiks oder andere Kampfmaßnahmen. Dr. med. Wolfgang Krombholz, der kommissarische Vorsitzende des BHÄV, versicherte: „Wir werden den Ausstieg nicht weiterverfolgen. Wir erwarten aber von der Politik, dass sie die Kassen dazu bringt, sich ebenfalls an das Gesetz zu halten.“

Jetzt war die Reihe an den Krankenkassen. Während sich der Vorstandsvorsitzende der AOK Bayern, Dr. Helmut Platzer, ein klares Bekenntnis zu den Hausarztverträgen entlocken ließ und auch Sigrid König vom BKK-Landesverband erklärte, man habe die Verhandlungen nie abgebrochen, legte Dr. Ralf Langejürgen, der Leiter der vdek-Landesvertretung, noch einmal nach. Ihm genügte die Zusage Krombholz´ wohl noch nicht. Um mit einem Neuanfang beginnen zu können, sei es für die Krankenkassen wichtig, dass sich der BHÄV eindeutig von der Nürnberger Ausstiegsaktion distanziere. Vom Publikum, das sich mehrheitlich aus Hausärzten zusammensetzte, wurde diese Forderung mit empörten Zwischenrufen quittiert. Die Stimmung unter den Hausärzten ist eben nach wie vor mehr als gereizt.

Hausärzteverband bleibt Verhandlungspartner

Da wirkte es auch wenig beruhigend, dass Frau König die Datenschutzregelungen in den HzV-Verträgen bemängelte, die Rückkehr zu politikfreien Arztpraxen anmahnte und recht direkt den Rücktritt von Dr. Krombholz und Dr. med. Dieter Geis, dem stellvertretenden BHÄV-Vorsitzenden, forderte, da beide sich aktiv am Ausstiegsszenario beteiligt hätten. Das ging dann auch Minister Söder zu weit. „Die Hausärzte müssen sich ihre Spitzenvertreter schon selbst wählen“, wies er die Kassenvertreterin zurecht. Und auch die Rechtslage sei eindeutig: „Partner für die Hausarztverträge ist der Hausärzteverband.“

Dr. med. Max Kaplan, Präsident der Bayerischen Landesärztekammer (BLÄK), versuchte die Diskussion wieder ins richtige Gleis zu bringen. „Wir müssen die momentanen Gehaltseinbußen der Hausärzte und die Unsicherheit so schnell wie möglich beseitigen und rasch zu neuen Verträgen kommen.“ Kaplan ist selbst Hausarzt und kennt die Probleme, die durch die Kündigung der Verträge in den Praxen entstanden sind.

„Wir halten die Kündigung der HzV für nicht rechtens“, nahm BHÄV-Chef Krombholz diese Vorlage auf, und in Richtung der Kassenrepräsentanten rief er: „Nehmen Sie die Kündigung zurück! Am besten noch heute!“ Das Angebot des BHÄV von vor Nürnberg von 10 % weniger Honorar und dem Wunsch auf Verlässlichkeit bis 2014 oder 2015 liege immer noch auf dem Tisch.

Söder ist zufrieden

Dieser Aufforderung wollte zwar keine der Kassen nachkommen, alle erklärten aber ihre grundsätzliche Bereitschaft zu Gesprächen mit dem BHÄV. Staatsminister Söder verwies darauf, dass nun zunächst einmal das Sozialgericht München eine Entscheidung darüber treffen müsse, ob die fristlose Kündigung der Verträge rechtswirksam war. Söder hielt fest, dass jetzt wieder alle zu Verhandlungen bereit sind und diese schon Ende Januar in einem guten und vertrauensvollen Stil beginnen sollten. Dagegen regte sich kein Widerspruch.

Söder zeigte sich am Ende nicht unzufrieden mit dem Resultat. Und das musste er auch nicht sein. Sein Plan war aufgegangen. Ganz im Stil von Stuttgart 21 sollten die Kontrahenten ihre Argumente vor aller Öffentlichkeit austauschen. Noch wichtiger aber: Auch die Zugeständnisse sollten für alle publik gemacht werden, damit später keiner mehr hinter seine Versprechen zurückgehen kann, ohne sein Gesicht zu verlieren oder sich als Saboteur der Verhandlungen zu outen.Einigermaßen zufrieden äußerte sich im Nachgang auch Dr. Petra Reis-Berkowicz, Vorstandsmitglied des BHÄV. Das Hearing habe zumindest dafür gesorgt, dass das Problem nun einer breiteren Öffentlichkeit transparent gemacht wurde und auf eine höhere Ebene getragen worden sei. Ihrer Meinung nach hätte solch eine Anhörung schon viel früher stattfinden sollen. Der BHÄV habe das mehrfach vor dem Ausstiegsversuch angeregt, allerdings ohne Erfolg.

Dr. Ingolf Dürr

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2011; 33 (2) Seite 20-21
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.