
Kommentar Musik auf Rezept

„Musik ist die sanfteste Sprache, um die Schwächsten, aber auch die Stärksten zu erreichen“, sagte der Jazztrompeter
Till Brönner auf einer Pressekonferenz im Vorfeld des 13. Europäischen Musiktherapiekongresses. Genau diese Sprache wird auch therapeutisch erfolgreich eingesetzt.
Im Rahmen der Musiktherapie spielen Patientinnen und Patienten auf diversen Instrumenten oder hören einfach nur zu, wenn ein bestimmtes Lied oder eine Melodie erklingt. Aktive und rezeptive Form nennt man das. So kann Klavierspielen nach einem Schlaganfall zu einer Verbesserung der Feinmotorik führen. Singen verhilft Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittener Demenz zur Aktivierung von tief verwurzelten Erinnerungen an ein ihnen bekanntes Lied und fördert bspw. die Kommunikation.
Zahlreiche Studien belegen die Wirksamkeit der Musiktherapie. Frühchen, Kinder mit Entwicklungsverzögerungen, sozialen Auffälligkeiten oder mit Autismus-Spektrumstörung finden durch sie Zugänge zum Leben. Depression und Angst können etwa bei Krebspatientinnen und -patienten verringert, die Lebensqualität kann gesteigert werden. Menschen mit chronischen Schmerzen profitieren ebenfalls – die Effektstärken reichen bis an die Wirkung von Opioiden heran. In 29 S3-Leitlinien wird die Musiktherapie inzwischen als Behandlungsoption aufgeführt.
Doch trotz der belegten Wirksamkeit ist diese Behandlungsmethode in Deutschland kaum reguliert. Der Beruf ist nicht gesetzlich geschützt, jede Person darf sich Musiktherapeutin oder -therapeut nennen. Die GKV übernimmt die Kosten in der ambulanten Versorgung nicht. „Gemeinsam haben die WHO und die EU Kunst zu einem starken Thema entwickelt, da muss Deutschland aufpassen, dass es den Zug nicht verpasst“, so Dr. Sabine Koch, Direktorin des Forschungsinstituts für Künstlerische Therapien an der Alanus Hochschule Bonn. Immerhin im Klinikumfeld oder in Rehabilitationseinrichtungen wird die Musiktherapie finanziert.
In Großbritannien ist die Musiktherapie eine staatlich regulierte Behandlungsmethode, in Lettland wird sie als eine Form der Gesundheitsversorgung definiert. Warum gibt es hierzulande keine gesetzlichen Grundlagen? Und warum fristet die Musiktherapie eher ein Nischendasein, statt Teil der Regelversorgung zu sein? Die „sanfte Sprache“ kann schließlich viel bewirken.
Quelle: Kommentar