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Neue Methoden zur Verteilung der Arztsitze

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

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Künftige Entscheidungen der Zulassungsgremien basieren auf geänderten Bedarfsplänen. Auf dem Hauptstadtkongress informierten Vertreter von KVen und Aufsicht über den Stand der Planungen und weitere Absichten.

Der Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit war vor Jahren für die Niedergelassenen ein Forum für heftige Diskussionen mit der Politik. Davon ist heute nicht mehr viel zu spüren. Ein Erklärung könnte sein: Bei einer TED-Umfrage unter den Teilnehmern der Eröffnungsveranstaltung mit Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr zeigte sich, dass weniger als 10 % der Anwesenden aus der Niederlassung und anderen ambulanten Teilbereichen stammten.

Bahr: „Passgenaue Lösungen“

Dabei waren die gesundheitspolitischen Themen des Kongresses durchaus für Vertragsärzte aktuell. Vielfach thematisiert wurde etwa die neue Bedarfsplanung, die die Ärzteverteilung in den Ländern verändert.  „Mit dem Versorgungsstrukturgesetz wurde ein entscheidender Schritt zur Verbesserung der medizinischen Versorgung getan“, äußerte sich Minister Bahr zufrieden.


Die Entscheidungsspielräume in den Regionen seien größer geworden, das ermögliche es, „passgenaue Lösungen zu entwickeln“. Bahr lobte die Selbstverwaltung, weil sie „das Gesundheitssystem in Deutschland so stark macht“. Dass immer mehr Entscheidungen vor Schiedsstellen landen und diese zunehmend beklagt werden, sieht er allerdings kritisch. Damit stelle sich die Selbstverwaltung selbst infrage.


Die Umstellung der Bedarfsplanung scheint bislang überwiegend konfliktfrei vonstatten zu gehen. Dr. Monika Schliffke, Vorsitzende der KV Schleswig-Holstein, und Dr. Hans-Joachim Helming, Chef der KV Brandenburg, berichteten am KBV-Stand über ihre Erfahrungen.

Brandenburg: Bürgermeister wünschen sich Fachärzte

„Eigentlich“, so Dr. Helming, „ist die Bedarfsplanungsrichtlinie ein rein planerisches Element mit einer fiktiven Norm als Erfüllungsziel.“ Es gebe aber „Stellschrauben zur Verfeinerung“, wenn die Norm nicht zur Realität passe. So wird z.B. das KV-Projekt RegioMed mit Patientenbus und Bereitschaftsdienstpraxis zur Absicherung versorgungsschwacher Gebiete bei der Bedarfsplanung berücksichtigt. Dies habe „ein bisschen Diplomatie“ gebraucht, sagte Dr. Helming. Ansons­ten sei das Einvernehmen mit den Kassen relativ schnell erfolgt und das Ministerium habe flott zugestimmt.


Unterm Strich stehen in Brandenburg 60 Hausarztstellen weniger zur Verfügung, dafür aber fast genau so viele Sitze mehr für die Fachärzte. „Das ist genau das, was uns die Bürgermeister auch mitteilen“, so der märkische KV-Chef. Neue Sitze bedeuteten aber längst nicht, dass diese auch besetzt würden. Es fehlten Urologen, Augenärzte, Orthopäden.

Versorgungsbedarf nach Alter und Morbidität bestimmen

Für die Zukunft kann sich Dr. Helming vorstellen, dass Altersstruktur und Morbidität der Menschen den Versorgungsbedarf bestimmen. Dann, so seine Idee, wird es möglich, einen Arztsitz gezielt hinsichtlich der Patientenstruktur zu definieren und einen Versorgungsauftrag zum Beispiel nur für zehn Jahre auszuschreiben, falls absehbar ist, dass danach nicht mehr genügend Patienten in der Region leben.


Flexibilität wird auch in Schleswig-Holstein praktiziert. Die Patientenwanderung in Richtung Hamburg erfordert dies. Wie Dr. Schliffke erklärte, hätte eine rein statistische Anwendung der Arztzahlen in den Randgebieten zur Hansestadt eine erhebliche Aufstockung der Sitze mit sich gebracht – ohne wirtschaftliche Basis für eine Niederlassung. Und so wurden unter Berücksichtigung der Versorgung in Hamburg nur sechs zusätzliche Arztsitze beschlossen.

Die Weiterführung großer Versorgerpraxen hat Priorität

In Schleswig-Holstein wird es 69 neue Niederlassungsmöglichkeiten geben: 24 für Hausärzte, 17 für Fachärzte und 28 für  Psychotherapeuten. Für die KV-Vorsitzende ist klar: Diese Sitze müssen besetzt werden. Allerdings gibt es auch große Versorgerpraxen mit über 2000 Patienten, deren Inhaber über 64 Jahre alt sind und die bald in Ruhestand gehen. „Wir konzentrieren uns darauf, erst einmal diese Stellen neu zu besetzen“, so Dr. Schliffke.


Die Bedarfsplanung war auch Thema beim „Forum Landespolitik: Wer macht es besser?“ – eingebettet in die Diskussion um die neuen Landesgremien nach § 90a SGV V, die neben der Bedarfsplanung auch die sektorenübergreifende Versorgung beeinflussen können. In Hamburg heißt dieses Gremium „Landeskonferenz Versorgung“. Mit am Tisch sind KV, Landeskrankenhausgesellschaft und Kassen.


Hamburg gilt zwar als ein gut versorgter Planungsbezirk, aber es gibt innerhalb der Stadt deutliche Unterschiede, erklärte Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD). So kommen in Blankenese 300 Patienten auf einen Arzt, in sozialen Brennpunkten sind es 3000.


Warum das so ist, will das Gremium mit einem Versorgungsatlas klären. Er führt Morbidität, sozio-ökonomische Faktoren und Arztzahlen der KV zusammen und soll nach dem Sommer vorliegen. „Wir wollen keine Ärzte umsiedeln“, so die Senatorin. Es gehe um künftige Entscheidungen.


Quelle: Hauptstadtkongress 2013, Berlin, 2013

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