Öffentlichkeitsarbeit? Gute Idee, aber doch nicht so!
Hurra, wir haben mal wieder ein neues Gesetz, das sog. Versorgungsstärkungsgesetz. Dieses Gesetz tritt voraussichtlich im August 2015 in Kraft. Auch ohne Detailwissen ist allen Kolleginnen und Kollegen klar, dass damit nicht die Versorgung gestärkt wird, sondern mal wieder viel neuer Ärger auf uns zukommt, übrigens auch auf Hausärzte.
Doch darauf will ich heute nicht näher eingehen, sondern die Frage stellen: Warum lassen wir das immer wieder kampflos mit uns geschehen? In immer kürzeren Abständen werden uns neue Regeln, Prüfungen, Ge- und Verbote übergestülpt. Wir lassen uns vertrösten mit Besänftigungen wie damals von Herrn Seehofer, der die Budgetierung nur mal wenige Jahre erproben wollte.
Allen ist klar dass mit dem Versorgungsstärkungsgesetz nichts gestärkt wird, sondern viel neuer Ärger droht
Und, es kommt noch besser: Wir setzen brav alles in unseren Praxen um und werden, weil es mit den Einsparungen nicht klappt (klappen kann), für das Misslingen verantwortlich gemacht. So wird uns beispielsweise alljährlich der Schwarze Peter zugeschoben für Mehrausgaben bei den Arzneimitteln. Politik als auch Krankenkassen schaffen es dabei immer wieder, die Medien davon zu überzeugen, dass wir die „Beutelschneider und Raffkes“ der Nation sind.
Gerade Gesundheitspolitiker und Kassen wissen dabei sehr wohl, wie die Mehrausgaben zustande kommen. Dazu gehört z.B. eine Halbierung des Zwangsrabattes, den die Pharmaindustrie zu leisten hat. Dass wir unsere Patienten auch mit teuren Innovationen gut versorgen wollen, das wird tunlichst verschwiegen. Es ist eben einfacher zu sagen: „Die sind schuld!“
An Stammtischen ärgern wir uns lautstark, machen aber Rückzieher wenn es drauf ankommt
Dabei könnten wir uns gegen solche und ähnliche Verunglimpfungen mit guten Argumenten wehren. An Stammtischen ärgert sich die Ärzteschaft lautstark. Im entscheidenden Moment macht sie aber einen Rückzieher und beteuert, dass man sowieso nichts machen kann. Das unterscheidet uns ganz wesentlich von anderen Berufsgruppen, die sich öffentlichkeitswirksam zu wehren wissen. Denken Sie nur an die Lokführer, die Flugkapitäne oder die Kita-Erzieherinnen.
Jetzt kommen Sie mir bitte nicht mit dem Argument, wir dürften ja nicht streiken. Glauben Sie wirklich, wir täten es, wenn die Ärzteschaft nicht im Mai 1955 nach der Verabschiedung des Gesetzes über das Kassenarztrecht die Kröte „Verzicht auf das Streikrecht“ hätte schlucken müssen? Es gibt andere Möglichkeiten, die wir nicht nutzen oder nicht genutzt haben.
Erinnern Sie sich noch an das wahnsinnige Engagement des Kollegen Dr. Wolfgang Hoppenthaller?
Erinnern Sie sich noch an das Korbmodell und das wahnsinnige Engagement des Kollegen Dr. Wolfgang Hoppenthaller, der im Dezember 2010 „die kollektive Rückgabe der Kassenzulassung“ gefordert hat, „bevor dieses Gesundheitssystem unsere Existenzgrundlage zerstört“? Das Projekt ist gescheitert, weil die Mehrheit der Hausärzteschaft nicht bereit war, mitzumachen. Die berühmt-berüchtigte Solidarität bekam einen weiteren Dämpfer, als mehr als 2/3 der 7000 Verbandsmitglieder in Bayern nicht bereit waren, die durch die teuren Kampagnen leeren Kassen des Hausärzteverbandes mit einem Solidaritätsbeitrag von 150 Euro aufzufüllen.
Aber wir haben, was die Öffentlichkeitsarbeit betrifft, einen Anfang gemacht, der hoffen lässt. Die KBV hat mit der Aktion „Wir arbeiten für Ihr Leben gern“ einen hohen Aufmerksamkeitsgrad (fast jeder fünfte Bürger kennt die Kampagne) in der Bevölkerung erreicht. Jetzt wurde mit dem Patientenmagazin nachgelegt, das einen bunten Mix an Informationen rund um die Gesundheit enthält und (leider zu wenige) Themen, die uns und oft auch den Patienten auf der Seele brennen. Das Bild auf dem Titelblatt mit dem die Zunge raus streckenden „Tutti Frutti“-Moderator Hugo Egon Balder fällt in die Rubrik Geschmacksache. Das Interview mit ihm nimmt viel Platz ein, den die Redaktion besser dem Thema „Warum warten?“ gewidmet hätte – ein Superthema, das Patienten und Ärzte täglich gleichermaßen bewegt.
Wir haben in der Öffentlichkeitsarbeit einen Anfang gemacht - aber bitte nicht so!
Aber dann bitte ganz anders! Denn beim Lesen der ersten Wörter wird gleich weiter geblättert; die Chance, ein gutes Thema fesselnd rüberzubringen, wurde vertan. Die Patientenzeitschrift „g´sund“ der KV Baden-Württemberg ist dünner, aber mit ihren Beiträgen nah dran. So wird der Leser mit dem Slogan „Bock auf doc“ neugierig gemacht auf das Thema „Mehr Ärzte braucht das Land“.
Ich weiß schon, dass die Mischung es macht, ob so eine Zeitschrift gelesen wird. Aber es dürfen die Themen, die man auch woanders platzieren könnte, nicht überwiegen. Die Macher des Heftes müssen sich viel mehr Gedanken darüber machen, Beiträge vorzustellen, die uns und die Patienten tangieren und interessieren. Warum sollte es nicht möglich sein, eine gemeinsame Patientenzeitschrift (evtl. mit regionaler Beilage) aller KVen und der KBV zu produzieren? Das würde Geld sparen und die Kreativität (mehr Köpfe – mehr Ideen) erhöhen. Aber ich weiß schon, da gibt es die FALK-KVen und die LAVA-KVen …