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Ökonomen: Organspenden mit Bonus und Malus verknüpfen

Gesundheitspolitik Autor: Michael Reischmann

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Die von der Politik präferierte Entscheidungslösung ist ein erster Schritt, aber nicht ausreichend, um mehr Organspender zu gewinnen, meinen Gesundheitsökonomen. Sie schlagen ein ergänzendes Bonus-Malus-System vor.

Viele potenzielle Spender ohne Organspendeausweis und ein mangelndes Interesse der Krankenhäuser an der Spender-Identifikation tragen dazu bei, dass hierzulande jährlich nur etwa 1200 gespendete Organe transplantiert werden, während rund 12 000 Menschen auf ein Spenderorgan warten.

Jeder Bürger soll seinen Willen kund tun

Die von Regierung, Abgeordneten und Bundesländern verfolgte Idee lautet deshalb: „Jeder Bürger soll sich einmal im Leben erklären, ob er nach seinem Tod seine Organe spendet oder nicht.“ Denn wenn jeder seinen Willen schriftlich dokumentiert hat, müssen Angehörige nicht in belastendene Gespräche über eine mögliche Organentnahme bei dem Verstorbenen verwickelt werden.

Doch die Deutsche Gesellschaft für Gesundheitsökonomie (dggö) hält das für zu wenig. Denn niemand könne de facto zu einer Ja- oder Nein-Erklärung gezwungen werden. Viele Menschen werden wohl  „ich will mich später entscheiden“ wählen, weil sie sich nicht mit dem eigenen Tod beschäftigen wollen.

Die Wirtschaftswissenschaftler schlagen deshalb in einer Stellungnahme, die federführend von dem Konstanzer Ökonomie-Professor Dr. Friedrich Breyer (dggö-Vorsitzender 2012/13), verantwortet wird, zwei ergänzende Maßnahmen vor.

Ein Register für Abfragen von Krankenhäusern

Zum einen soll ein bundesweites Register für die individuellen Angaben zu Spendenbereitschaft oder -widerspruch eingerichtet werden. Daraus würde eine Klinik binnen Minuten erfahren, ob ein hirntoter Patient Organspender ist oder nicht (der dokumentierte Abfragezeitpunkt muss nach der Feststellung des Hirntods liegen). Angehörige müssten dann nicht nach der Spendenbereitschaft des Sterbenden gefragt, sondern nur informiert werden.

Zum andern sollte es bei der Zuteilung von Spenderorganen einen Bonus für Spendenbereite und einen Malus für Widersprechende geben („Reziprozitätslösung“). Damit entstünde ein Anreiz zur Erklärung der Spendenbereitschaft.

"Hirntod als Lebensende" teilt die Gruppen

Die Bonus-Malus-Lösung erspare auch Debatten über das Kriterium Hirntod. Denn mit seiner Zustimmung zur eigenen Spendenbereitschaft erkennt ein Spendenwilliger seinen Hirntod als Lebensende an, „weil ich will, dass andere dies für sich auch tun und mir ihre Organe spenden“. Umgekehrt könnten diejenigen, die den Hirntod nicht als Lebensende akzeptieren, das auch nicht von anderen verlangen.

Bleibt noch zu klären: Wie hoch sollen Bonus und Malus für Organspendebedürftige ausfallen? Und wie lang soll die Wartezeit beim Übertritt zur Spendenbereitschaft bemessen werden (damit diese Erklärung nicht gezielt erst zum Zeitpunkt des eigenen Organversagens erfolgt)? Diese politischen Entscheidungen müsse „der Gesetzgeber nach Abwägung von Gerechtigkeitsgründen treffen“, meint die dggö.

Die Ende 2008 gegründete Gesellschaft (550 Mitglieder) hat sich zum Ziel gesetzt, „die Gesundheitsökonomie in den Wirtschaftswissenschaften und in der Medizin stärker zu verankern sowie in der Öffentlichkeit und gegenüber Parlamenten und Politikern zu vertreten“. Sie hat ihre Geschäftsstelle an der Uni Duis­burg-Essen, wo ihrer Vorstandsvize Prof. Dr. Jürgen Wasem lehrt.

Krankenkassen können ihre Versicherte ansprechen

Anlässlich des 40. Jahrestages des Organspende-Ausweises (3.11.1971) machte sich Jürgen Graalmann vom AOK-Bundesverband für die Entscheidungslösung stark. Die Hürde zwischen einer grundsätzlichen Bereitschaft von Bürgern zur Organspende und der Dokumentation müsse überwunden werden. Das könne mit einer aktiven Einbindung der Krankenkassen und deren vielfältiger Kommunikation mit Versicherten gelingen. 

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