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Patientenrecht: Dient das Gesetz den Kranken?

Autor: Prof. Dr. Klaus-Dieter Kossow

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Die neue BMG-Initiative wird die Bürokratie fördern, meint MT-Autor Prof. Dr. Klaus-Dieter Kossow.

Auch in diesem Jahr war die erste Sitzungswoche des Deutschen Bundestages durch Neujahrsempfänge geprägt, an denen nahezu die gesamte Regelungselite unseres Gesundheitswesens teilgenommen hat. Minister Daniel Bahr fehlte – wie auch sein Amtsvorgänger Dr. Philipp Rösler – bei den Hausärzten, gab sich aber die Ehre beim prachtvollen Neujahrsempfang der Ärztekammern und KVen. Seine Rede diente dem eigenen Lob und dem des Patientenrechtegesetzes, das er zusammen mit der Justizministerin vorgelegt hat.

Ruf nach einem Gesetz für weniger Bürokratie

Nach kritischer Lektüre dieses Entwurfes sind aber erhebliche Zweifel angebracht, ob er wirklich kranken Menschen dient. Zunächst ist grundsätzlich zu fragen, ob man die Rechte der Patienten ausgerechnet gegenüber den Ärzten durch ein weiteres Gesetzeswerk schützen muss. Schon bisher waren Ärzte in Praxis und Krankenhaus bei ihren Bemühungen um das Wohl der Kranken in einem Maße von Paragrafen umstellt, das sie eher davon abgehalten hat, die erforderlichen Maßnahmen für die Patienten zu treffen. Der bürokratische Aufwand im ärztlichen Arbeitsalltag ist Folge von Gesetzen und kos­tet Zeit und Geld. Der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Frank Ulrich Montgomery, hat deshalb in seiner Antwort auf die Rede des Ministers zu Recht als nächste gesetzgeberische Maßnahme ein Entbürokratisierungsgesetz gefordert.


Inhaltlich ist das beabsichtigte Gesetz so überflüssig wie ein Kropf. Es fasst im Wesentlichen die Ergebnisse der höchstrichterlichen Rechtsprechung zusammen und bringt folglich für die Patienten nichts Neues. Für Ärzte aber kann es noch mehr Bürokratie zur Folge haben.

Mehrkosten ohne Zusatznutzen

In einem gesonderten Paragrafen des Bürgerlichen Gesetzbuchs werden formale Vorschriften für die ärztliche Dokumentation, die Aufklärung und Einwilligung der Patienten und den Einblick in die Krankengeschichte konkretisiert. Dies wird die Bürokratie und möglicherweise auch die Absicherungsdiagnostik bei jedem Behandlungsfall Kosten treibend fördern, ohne dass den Patienten daraus ein Zusatznutzen erwächst. Auch die Regeln für die Beweislast bei Kunstfehlern werden nämlich analog zur Rechtsprechung festgeschrieben. Was aus der Dokumentation nicht absichernd hervorgeht, kann im Kunstfehlerprozess den Arzt belasten.


Im Übrigen verpasst der Gesetzentwurf die Chance, vorhandene Missstände in der Patientenversorgung abzuschaffen. Es wäre im Interesse der schwer kranken Versicherten, wenn die Verantwortung der GKV-Mitglieder für die Finanzierung der Wunschmedizin in eigener Verantwortung präzise geregelt wird. Es ist daher nicht einzusehen, dass die Reparatur mangelhafter Brustprothesen aus Mitteln der GKV bezahlt wird. Dies kostet Geld, das bei der Behandlung schicksalhafter Erkrankungen fehlt.

Saktionen für bremsende Kassenvorstände

Patientenrechte werden heute ganz wesentlich durch den Wettbewerb zwischen gesunden und kranken Versicherten innerhalb der Krankenkassen gefährdet. Solange Versicherte gesund sind, steht das Interesse an einem möglichst niedrigen Krankenkassenbeitrag im Vordergrund. Im Krankheitsfall soll dann aber geholfen werden – koste es, was es wolle. Im Wettbewerb der Krankenkassen tendieren deren Vorstände dazu, sich an der Mehrheit der gesunden Versicherten und deren Interessen zu orientieren. Zum Schutz der Patienten wäre es wichtig,  dass der Gesetzgeber diesen Konflikt so regelt, dass der Solidarausgleich nicht mehr gefährdet wird.


Ferner wäre es notwendig, Maßnahmen vorzusehen, die die Krankenkassen daran hindern, den Patienten Rechte zu versagen, die der Gesetzgeber ihnen gewährt hat. Beispielsweise hat der Gesetzgeber vor vielen Jahren den GKV-Patienten einen Anspruch auf das Angebot einer hausarztzentrierten Versorgung durch ihre Krankenkasse eingeräumt. Gegen geltendes Recht haben etliche Krankenkassen, z.B. die Barmer und die DAK, diesen gesetzlichen Imperativ nicht zeitnah umgesetzt. Wer Patientenrechte schützen will, sollte als Gesundheitsminister oder Abgeordneter den Vorstand einer gesetzlichen Krankenkasse bei Strafe daran hindern, sich über Recht und Gesetz zu erheben.

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