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Hämotherapie-Richtlinie Pause für Blutspendewillige nach riskantem Sex

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

Die Aidshilfe äußert Kritik an der neuen Hämotherapie-Richtlinie. Die Aidshilfe äußert Kritik an der neuen Hämotherapie-Richtlinie. © ctvvelve – stock.adobe.com
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Wer Blut spenden möchte, wird sich womöglich über den neuen Fragebogen zur Überprüfung der Spendefähigkeit wundern. Hintergrund ist die Novelle der Hämotherapie-Richtlinie der Bundesärztekammer. 

Wie sah das Sexualverhalten einer blutspendewilligen Person innerhalb der letzten vier Monate aus? Wenn dieses auf ein deutlich erhöhtes Übertragungsrisiko für durch Blut übertragbare schwere Infektionskrankheiten hinweist, ist eine Spende für vier Monate zurückzustellen, teilt Prof. Dr. Johannes Oldenburg vom Arbeitskreis „Richtlinien Hämotherapie“ des wissenschaftlichen Beirats der BÄK mit. Zum risikobehafteten Sexualverhalten zählen u.a.: 

  • Sexualverkehr mit mehr als zwei Personen
  • Sexualverkehr mit einer neuen Person, wenn dabei Analverkehr praktiziert wurde
  • Sexarbeit und deren Inanspruchnahme
  • Sexualverkehr mit einer Person, die mit Hepatitis B, Hepatitis C oder HIV infiziert ist oder die in einem Endemiegebiet/Hochprävalenzland für diese Viren lebt bzw. von dort eingereist ist

Die Frist gilt zudem auch im Fall einer Haftstrafe bzw. wenn diese nicht länger als vier Monate zurückliegt.

Bei Sexualverkehr ausschließlich innerhalb einer auf Dauer angelegten Paarbeziehung könne per se von keinem erhöhten Risiko für durch Blut übertragbare Infektionskrankheiten ausgegangen werden, stellt Prof. Oldenburg klar. Ein erhöhtes Risiko ergebe sich erst aus einem aktuellen Sexualkontakt mit Personen, deren Verhalten ein hohes Risiko für die Übertragung von Infektionskrankheiten sein könne. Ausgeschlossen ist die Spende damit nicht, sie ist aber zurückzustellen. Der Fragebogen muss von Spendenwilligen wahrheitsgemäß ausgefüllt werden. Wer nicht alles beantworten will, darf nicht spenden.

Spender-Aufklärung kann telemedizinisch erfolgen

Geändert wurden auch die Altershöchstgrenzen von Spendewilligen. Diese lagen bisher für Erstspender bei über 60 Jahren und für Wiederholungsspender bei über 68 Jahren, wobei die Zulassung älterer Spendenwilliger nach individueller ärztlicher Entscheidung auch möglich war. „Jetzt gibt es keine Altersgrenze für Spender, doch die Eignung muss bei über 60-Jährigen mindestens im Abstand von fünf Jahren überprüft werden“, so Prof. Oldenburg. Neu ist auch: Bei der Aufklärung zur Blutspende kann Telemedizin eingesetzt werden, sodass nur noch ein Arzt vor Ort sein muss. 

Ob sich mancher Blutspende­interessent von der Direktheit der Fragen abschrecken lässt? Erfahrungen aus dem Ausland zeigen durchaus Akzeptanz. In Kanada sehen weniger als 1 % der Spendewilligen aufgrund der Fragen von einer Spende ab. Die BÄK setzt auf Überzeugungsarbeit durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. 

Dass mit einer Weiterentwicklung der Bluttestung künftig auf den Fragebogen verzichtet werden kann, schließen die Autoren der Richtlinie übrigens aus. Es werde stets eine diagnostische Lücke geben, denn selbst bei einem zuerst negativen Test könne es mit Verzögerung doch zur Infektion kommen. Die vier Monate der Rückstellung seien aber ein Zeitraum, bei dem man sehr sicher sein könne, dass damit alle möglichen diagnostischen Fenster erreicht werden, so Prof. Oldenburg.

Kritik kommt von der Deutschen Aidshilfe, dem Dachverband von rund 120 Organisationen und Einrichtungen. „Die neuen Regeln sind weder wissenschaftlich evident noch beenden sie die Diskriminierung“, bemerkt der Vorstand Steffen Warminsky. Die Bundes­ärztekammer habe es geschafft, die meisten schwulen Männer weiterhin auszuschließen, ohne dies klar zu benennen. Warminsky kritisiert, die Frist von vier Monaten sei weder nachvollziehbar noch werde sie erläutert. Analverkehr an sich sei auch kein Risiko, Schutzmaßnahmen wie Kondome und die HIV-Prophylaxe PrEP, zu denen die Prävention ermutige, würden in der neuen Analverkehr-Klausel nicht berücksichtigt. „Erhalten bleibt ein Irrtum: Angebliche Monogamie ist keine verlässliche Schutzmethode.“ Dies biete nur eine Scheinsicherheit.

Quelle: BÄK-Pressegespräch

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