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Coronapositives Klinikpersonal  Personalmangel spitzt sich zu: Trotz Corona-Infektion zur Arbeit? 

Gesundheitspolitik Autor: Angela Monecke

In Frankfurt und Gießen wurde zeitweise positiv getestetes Klinikpersonal eingesetzt, wenn es sich selbst für arbeitsfähig erklärte. In Frankfurt und Gießen wurde zeitweise positiv getestetes Klinikpersonal eingesetzt, wenn es sich selbst für arbeitsfähig erklärte. © Ирина Щукина – stock.adobe.com
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Während Kanzler Scholz den Ländern weiter Handlungsmöglichkeiten gegen Corona für Herbst und Winter zusichert, hat sich der Personalmangel in den Sommermonaten in Hessens Kliniken durch einen hohen Krankenstand zugespitzt. In Frankfurt und Gießen etwa wurde positiv getestetes Klinikpersonal eingesetzt, wenn es sich selbst für arbeitsfähig erklärte. Not macht erfinderisch, könnte man meinen. Eine dauerhafte Lösung ist das nicht. 

Das durchgängige Tragen einer FFP2-Maske und ein Arbeitsplatz in patientenfernen Bereichen – das reicht in Hessen derzeit als Corona-Schutzmaßnahmen für das Klinikpersonal aus. Denn trotz einer SARS-CoV-2-Infektion darf es zur Arbeit erscheinen, sofern es sich fit genug dafür fühlt. Die Corona-Sommerwelle und ein „Höchststand an Krankheits- und isolationsbedingten Ausfällen bei Mitarbeitenden über alle Dienstarten hinweg“ zwang zu diesen Schritten, so eine Klinik-Sprecherin des Universitätsklinikums Marburg und Gießen (UKGM). Der Marburger Bund (MB) Hessen hält dieses Vorgehen für „unverantwortlich“. Die aktuelle SARS-COV-2-Infektionslage zeige, „wie katastrophal die Personalbesetzung an hessischen Krankenhäusern ist“, so Dr. Christian Schwark, Vorsitzender des MB Hessen. Neben dem Universitätsklinikum Frankfurt hat auch der Gießener Standort des UKGM zu diesen drastischen Mitteln gegriffen. 

Ein Landeserlass, kein Verständnis

Die Verantwortlichen berufen sich auf das Gesetz: den „Erlass zur Aufrechterhaltung der Patientenversorgung in den hessischen Krankenhäusern bei quarantäne-/ bzw. isolationsbedingtem Personalausfall“ der hessischen Landesregierung. Auf Grundlage dieses Erlasses darf positiv auf COVID-19 getestetes Personal, das sich für arbeitsfähig erklärt, eingesetzt werden. In der Vergangenheit sei eine solche Ausnahmeregelung nur über eine entsprechende Sondergenehmigung des zuständigen Gesundheitsamts möglich gewesen, erklärt der Vorsitzende des MB-Bezirksverbands Gießen, Dr. Jörg Focke. „Nun wird die Bürde der Entscheidung auf den einzelnen Mitarbeiter abgewälzt.“

Eine andere Regelung schreibt hingegen die aktuelle Coronabasisschutzmaßnahmenverordnung (CoBaSchuV §4 Abs 3) vom 19. Juli 2022 vor: Beschäftigte in Krankenhäusern müssen frühestens fünf Tage nach einem Infektionsnachweis mindestens einen negativen Antigenschnelltest vorlegen, bevor sie wieder arbeiten. Mitte Juli hat auch das Uniklinikum Frankfurt nach MB-Angaben die Beschäftigung von Corona-Infizierten, aber arbeitsfähigen Mitarbeitenden erlaubt. Die Entscheidung sei inzwischen von der dortigen Geschäftsführung jedoch wieder zurückgenommen worden – nach einer „Welle der Empörung“. Mitarbeitende müssten nun, wenn sie sich mit SARS-CoV2 infiziert hätten, einen negativen Antigen-Schnelltest, aber eben keinen PCR-Test vorlegen.

Die Pandemie allein könne man für diese Missstände wohl kaum verantwortlich machen, so der MB. In der Kritik stehe vielmehr das Land Hessen, das „seit Jahren gesetzlich verpflichtende Investitionszahlungen an die Kliniken schuldig“ bliebe, betont der Verband. Personalabbau und erhöhte Anforderungen an das dort arbeitende Personal seien von den Klinikleitungen kontinuierlich vorangetrieben worden – unter dem Erwartungsdruck von Investoren und den „Fehlanreizen“ des DRG-Systems. Auch kam die sog. Corona-Sommerwelle nicht überraschend: Seit Monaten warnten die Kollegen in den Kliniken vor Ort „vor genau diesem aktuellen Personalengpass“, kritisiert der MB-Landesvorsitzende Dr. Christian Schwark. 

Lage in Hessen entspannt sich

Nach Angaben der Pressestelle des Marburger Bundes Hessen scheint sich die Lage mittlerweile „etwas zu entspannen“, es gebe inzwischen „wohl etwas weniger Krankheitsausfälle durch SARS-CoV-2“.  Das UKGM sei bei seinem Vorhaben ebenfalls „etwas zurückgerudert“. Da sich der Krankenstand laut einer internen Mitteilung an die Mitarbeitenden nun halbiert habe, werde zur Stufe „Grün“ der Verordnung zurückgekehrt und auch „kein Gebrauch mehr“ davon gemacht, positiv getestetes Personal einzusetzen. Dem MB sei bisher auch „kein Fall bekannt, in dem Mitarbeitende SARS-CoV-2 positiv waren und arbeiten gekommen“ seien. Offenbar haben sich die Betroffenen weiter arbeitsunfähig schreiben lassen. 

Eine Änderung der Vorgaben des „Erlasses zur Aufrechterhaltung der Patientenversorgung in den hessischen Krankenhäusern bei quarantäne-/ bzw. isolationsbedingtem Personalausfall“, so dass positiv getestetes, symptomfreies Personal auch künftig nicht eingesetzt wird, müsse dringend erfolgen, fordert der Marburger Bund. Doch die Landesregierung schweigt bisher dazu. Das „System Krankenhaus“ könne schon im Regelbetrieb kaum Personalausfälle verkraften, so der MB weiter, die vermeidbare Ansteckung durch das eigene positiv getestete Personal müsse deshalb vermieden werden. Zudem müssten auch die Patienten darauf vertrauen können, im Krankenhaus keinen vermeidbaren Ansteckungen ausgesetzt zu sein. 

Quelle: Marburger Bund

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