Kooperationen Praxisnetze sind im Aufwind
Laut Ärztemonitor 2014 sind bundesweit bereits 32 % der rund 10 000 Befragten in Praxisnetzen organisiert, 5 % mehr als noch 2 Jahre zuvor. Von den übrigen 68 % denkt bereits die Hälfte darüber nach, sich an einem Netz zu beteiligen.
Wozu Arztnetze?
Praxisnetze sind regionale Zusammenschlüsse von Vertragsärzten verschiedener Fachrichtungen sowie Psychotherapeuten zur interdisziplinären, kooperativen, wohnortnahen ambulanten medizinischen Versorgung. Die internen Strukturen können dabei sehr unterschiedlich sein. Die Vielfalt reicht von Qualitätszirkeln bis zu professionell vernetzten Strukturen auf Landes- beziehungsweise Bundesebene. Ziel der Arztnetze ist es, die Qualität und Effizienz der vertragsärztlichen Versorgung durch eine intensivierte fachliche Zusammenarbeit zu steigern.
Vorteile der Vernetzung
Arztnetze bieten einige Vorteile. So kann man sich z. B.
- mit Kollegen fachlich austauschen
- gemeinsame Fort- und Weiterbildungen nutzen
- ein gemeinsames Qualitätsmanagement einrichten
- von Verwaltungstätigkeiten entlasten.
Die Selbstständigkeit in der ärztlichen Tätigkeit bleibt für jede Praxis bestehen, unabhängig davon, wie stark die Ärzte vernetzt sind. Jede Praxis bleibt so auch flexibel in ihrer Arbeitszeitgestaltung.
Die Ausrichtung eines Praxisnetzes ist grundsätzlich wohnortnah, die Ausgestaltung standortübergreifend. Ein Netz kann sich indikationsspezifisch spezialisieren oder indikationsübergreifend tätig sein. Ferner ist die Vernetzung sektorenübergreifend möglich durch eine Kooperation mit Krankenhäusern, aber auch Apotheken oder Angehörigen anderer Heilberufe.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat im Jahr 2013 eine Rahmenvorgabe für die Anerkennung von Arztnetzen erarbeitet. Voraussetzungen für die Anerkennung sind demnach, dass das Netz
- mindestens 20 und höchstens 100 Praxen umfasst,
- seit mindestens 3 Jahren besteht,
- in einer Rechtsform organisiert ist (z. B. als GmbH oder e. V.),
- klar formulierte Ziele und ein professionelles Management hat.
Die vollständigen Strukturvorgaben der KBV findet man unter www.kbv.de/html/praxisnetze.php.
Der Nürnberger Allgemeinarzt und Vorsitzende der Agentur Deutscher Arztnetze (ADA), Dr. Veit Wambach, sieht in den Praxisnetzen ein wichtiges Instrument, um sich mit lokalen Besonderheiten bei der medizinischen Versorgung in einzelnen Regionen auseinanderzusetzen. Denn Deutschland sei eben kein homogenes Gebiet. Die Regionen würden sich oft deutlich z. B. in der Krankheitslast und den Mortalitätsraten unterscheiden, was nicht zuletzt auch mit den sozioökonomischen Bedingungen wie beispielsweise der Kaufkraft zusammenhänge. Wambach prangert solche Unterschiede als inakzeptabel an, das KV-System könne das Problem aber alleine nicht lösen. Arztnetze könnten hier aber die Lösung sein, denn sie sehen ihre Aufgabe genau darin, solche Unterschiede auszugleichen, so Wambach.
Tipps für Arztnetze
von Dr. Veit Wambach
Ärztenetze sind prinzipiell für alle Ärzte sinnvoll. Jeder Niedergelassene kann hier an der Gruppe partizipieren, ohne seine Selbstständigkeit zu verlieren. Zugleich kann er die Vorteile nutzen, die ein Arztnetz bietet.
Wenn man ein Arztnetz gründen möchte, sollte man sich zunächst bei einem Treffen persönlich kennenlernen und eine vertrauensvolle Basis für die Zusammenarbeit schaffen. Man sollte gemeinsame Zielvorstellungen entwickeln, z. B. wie stellen wir uns die bestmögliche Patientenversorgung in unserer Region in 5 Jahren vor und was können wir gemeinsam dafür tun.
Ein erfolgreiches Arztnetz nutzt die Möglichkeiten zur Anpassung an die Verhältnisse vor Ort, also z. B. an die kulturellen Gegebenheiten und den sozioökonomischen Kontext der Patienten.
Erfolgsfaktoren sind ein fester lokaler Bezug, die Ausbildung eines Wir-Gefühls und immer die Patientenorientierung. Der größte Misserfolgsfaktor sind unverbindliche Strukturen.
Keine Konkurrenz zum Kollektivsystem
Als Konkurrenz zum KV-System sieht Wambach die Arztnetze dabei nicht, sondern vielmehr als eine sinnvolle Ergänzung und Unterstützung. Idealerweise sollten sich Arztnetze an das Kollektivsystem andocken, Arztnetze könnten dann aber regional den Versorgungsauftrag übernehmen und zusammen mit der KV mit allen Krankenkassen – und nicht wie bisher nur mit einzelnen Kassen – die Vergütung aushandeln.
Diese zukünftige Aufgabe der Arztnetze fand zumindest auf dem Symposium auch die Zustimmung aus Teilen der Gesundheitspolitik. So erklärte Michael Hennrich, CDU-Mitglied des Gesundheitsausschusses im Bundestag, dass Arztnetze besser geeignet wären, maßgeschneiderte Lösungen zu finden.
Auch der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. Andreas Gassen, sieht in den Arztnetzen eine mögliche Blaupause für die Versorgung von morgen. Nicht zuletzt deshalb wolle auch das Versorgungsstärkungsgesetz die Arztnetze fördern und weiter ausbauen. Das größte Problem dabei sei allerdings die Finanzierung von Arztnetzen. Vorgesehen seien derzeit keine zusätzlichen Finanzmittel, sondern eine Umverteilung aus der Morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV). Dies aber sei ein Eingriff in die Honorarverteilungskompetenz der regionalen KVen. Eine Förderung von Netzen zulasten jener Ärzte, die nicht an Netzen teilnehmen, werde bei diesen zwangsläufig zu Unmut führen, so Gassen. Die Gefahr einer solchen „Kannibalisierung“ sieht auch ADA-Chef Wambach, man müsse daher einen Kompromiss zwischen Kassen und KBV suchen.
Noch kein Status als Leistungserbringer
Anbieten würde sich hingegen eine Förderung von Netzen über den Innovationsfonds der Bundesregierung, in dem jährlich rund 300 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden sollen. Arztnetze wären geradezu prädestiniert, hier Anträge zu stellen, hätten sie doch zahlreiche Ideen und Ansätze, wie man die Versorgung verbessern könnte, so Wambach. Das Problem dabei: Arztnetze sind derzeit gar nicht antragsberechtigt, da sie keinen Leistungserbringerstatus haben. Und dass einzelne Ärzte aus einem Netz einen Antrag beim Innovationsfonds stellen, sei eher unwahrscheinlich in Anbetracht der damit verbundenen Haftungsrisiken. Wambach wünscht sich daher, dass auch Arztnetze, ähnlich wie schon Medizinische Versorgungszentren (MVZ), einen solchen Leistungserbringerstatus zugesprochen bekommen. Ein wenig Hoffnung macht dabei der CDU-Mann Hennrich, denn in der Politik werde derzeit geprüft, ob man Praxisnetzen den Status eines regionalen Leistungserbringers verleihen könne. Auch Hennrich sieht, dass dies die Arbeit der Netze erheblich erleichtern und ihnen mehr Gestaltungsspielraum einräumen würde.
Arztnetze und ihre Vorteile für die medizinische Versorgung werden von der Gesundheitspolitik jetzt also mehr wahrgenommen. Wie sich die Arztnetze weiterentwickeln werden, hängt aber wie so oft noch vom Geld ab. Man darf gespannt sein, ob sich hier eine Lösung finden lässt, die alle Beteiligten mittragen können.
Dr. Ingolf Dürr
Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (8) Seite 38-40
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.