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Projekt REDEZEIT: Ein offenes Ohr für die Angehörigen von Demenzkranken

Autor: Dr. Anja Braunwarth, Foto: fotolia

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Angehörigengruppen sind für Pflegende von demenzkranken Familienmitgliedern eine große Hilfe – aber leider oft unerreichbar. Leipziger Forscher starten daher nun ein telefonisches Hilfsprogramm.

Angehörige von Demenzkranken stehen unter größerer Belastung als Betreuer von körperlich eingeschränkten Menschen. Vor allem nicht-kognitive Symptome wie psychotische Schübe oder Depressionen des Kranken können an den Nerven zerren. Zudem finden viele nur wenig Entlastung oder gar Anerkennung. Dass Angehörigengruppen Unterstützung bieten können, ist zwar gut belegt, doch weite Anreise, kein Ersatz für die Betreuung oder schlicht Zeitmangel machen vielen die Teilnahme unmöglich.

Das derzeit laufende Modellprojekt REDEZEIT soll in dieser Situation einen Ausweg schaffen. Initiiert von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Leipzig bietet das Projekt pflegenden Angehörigen die Möglichkeit, per Telefonkonferenz einer strukturierten Unterstützungsgruppe beizuwohnen.

Intervention konnte die Belastung stabilisieren

Es wird vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen gefördert und vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e.V. (DZNE), Standort Witten, wissenschaftlich begleitet.

Konzeptionell lehnt sich das Modell an Interventionen aus der REACH*-II-Studie an (s. Kasten). Diese wurde als "Deutsche Adaptation" (D-REACH) bereits evaluiert, berichtet Diplompsychologe Dr. Martin Berwig, Projektleiter von REDEZEIT, im Gespräch mit Medical Tribune.

An D-REACH nahmen 92 pflegende Angehörige teil. 47 von ihnen kamen in die Interventionsgruppe und erhielten innerhalb eines halben Jahres neun Hausbesuche und drei Telefonate, durchgeführt von geschulten Psychologen, Sozialpädagogen, Ergotherapeuten und Pflegekräften. 45 Angehörige bildeten die Kontrollgruppe.

Die Interventionsmaßnahmen führten beim primären Zielkriterium "Belastung" zur Stabilisierung, während es im Vergleichskollektiv zunahm. Bei den betreuten Angehörigen reduzierten sich auch körperliche Beschwerden durch Stress und Stressreaktionen auf herausforderndes Verhalten. In der Kontrollgruppe verschlechterten sich dagegen alle Parameter im Untersuchungszeitraum. In allen Punkten ließen die positiven Effekte der Intervention nach drei Monaten wieder nach.

Rekrutierung noch bis Ende Oktober 2016

REDEZEIT bietet nun isoliert die kostenlose telefonische Unterstützung an, um die Teilnahme zu erleichtern. Im Rahmen einer randomisiert-kontrollierten Studie werden drei Monate lang alle 14 Tage die jeweils 60-minütigen Telefonkonferenzen mit maximal fünf Betroffenen stattfinden. Insgesamt soll das Angebot ca. 100 pflegenden Angehörigen offenstehen, die jeweils in einem gemeinsamen Haushalt mit einem Demenzpatienten leben.

Ein Psychologe führt als Moderator durch die Schaltungen und hält jedes Mal zu Beginn ein etwa 10-minütiges Impulsreferat, das Themen wie "auf sich selbst achten", "wo bekomme ich Hilfe", "wie kommuniziere ich mit dem Gesundheitssystem" behandelt. Die restlichen 45 Minuten dienen nicht der Beratung, sondern rein dem Austausch unter den Angehörigen.

Natürlich ist unter den bekannten Umständen klar, dass auch mitten im Gespräch etwas dazwischenkommen kann oder nicht jeder Termin passt. "Wenn die Teilnehmer zwei Drittel der Zeit am Hörer bleiben können und vier Sitzungen mitmachen, reicht das für die Evaluation", erklärt Dr. Berwig.

Die Rekrutierung läuft bundesweit noch bis Ende Oktober, die Vermittlung läuft u.a. über Publikumsmedien oder bestehende Angehörigengruppen. Aber selbstverständlich freuen sich die Leipziger Mediziner auch, wenn Mediziner diese Information an die Angehörigen ihrer demenzkranken Patienten weitergeben.

Teilnahmeinteressierte können sich unter folgenden Kontaktdaten melden:

Telefon: 0341-97-24465,
E-Mail: redezeit@medizin.uni-leipzig.de


* Resources for Enhancing Alzheimer‘s Caregiver Health

Quelle: Medical-Tribune-Bericht

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