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Totschlag und Körperverletzung Saarländischer Ärztekammerchef angeklagt

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

Laut dem Ärztekammerchef steht die Anklage rechtlich auf tönernen Füßen. Laut dem Ärztekammerchef steht die Anklage rechtlich auf tönernen Füßen. © Animaflora PicsStock – stock.adobe.com
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Muss oder wann muss ein Ärztekammerpräsident die Approbationsbehörde über vermeintliches Fehlverhalten von Kollegen informieren? Vor dieser Frage steht derzeit die Ärztekammer im Saarland, konkret ihr Präsident. Er wurde von der Staatsanwaltschaft angeklagt, weil er brisantes Wissen zu einen Pathologen nicht weitergegeben haben soll.

Seit 2010 ist Sanitätsrat Dr. Josef Mischo Präsident der Ärztekammer des Saarlandes. Von der Staatsanwaltschaft Saarbrücken wurde beim Landgericht Saarbrücken jetzt Anklage gegen ihn erhoben. Der Tatvorwurf lautet auf versuchten Totschlag in zwei Fällen in Tateinheit mit Körperverletzung in sechs Fällen. Die Anklage steht in Zusammenhang mit Fehlbehandlungen, die dem ab März gesondert vor Gericht stehenden Pathologen Dr. H. zur Last gelegt werden. Hätte die Approbationsbehörde bei Kenntnis des Sachverhalts Dr. H. die Approbation entzogen, wäre es nicht zu Fehlbehandlungen gekommen, vermutet die Staatsanwaltschaft.

Der Kammerchef hatte 2013 bis 2018 in dienstlicher Eigenschaft regelmäßig detaillierte Informationen zu schweren Erkrankungen des Pathologen erhalten. 2015 soll er zudem selbst die Berufsunfähigkeit desselben festgestellt haben. Dennoch soll der Pathologe bis 2019 in großem Umfang mit der Befundung von Biopsien befasst gewesen sein und eine zentrale Rolle im Rahmen der Krebsdiagnostik eingenommen haben. Laut Staatsanwaltschaft hat Dr. Mischo es – entgegen einer aus § 3 Abs. 3 des Saarländischen Heilberufekammergesetzes resultierenden Pflicht – versäumt, die Approbationsbehörde über die Erkrankung des Dr. H. in Kenntnis zu setzen.

Damit habe er, so der Vorwurf, falsch befundete Gewebeproben billigend in Kauf genommen, „wodurch Patienten lebensnotwendige Behandlungen entweder nicht oder zu spät erhielten oder sich ohne entsprechende Indikation einer in der Regel physisch und psychisch stark beeinträchtigenden onkologischen Behandlung unterziehen mussten“. Dr. Mischo wird unterstellt, er habe billigend in Kauf genommen, dass Patienten aufgrund unterlassener oder nicht-indizierter Behandlungen zu Tode kommen konnten. Laut Anklage soll der Pathologe Dr. H. von September 2015 bis November 2018 bei fünf Patientinnen und einem Patienten im Alter von 25 bis 55 Jahren sieben Fehldiagnosen gestellt haben. Er soll unzutreffend Krebsdiagnosen teilweise verneint oder bejaht haben. Nicht-indizierte Eingriffe wie Darm- und Gesichts­operationen sowie Chemo- und Antikörpertherapien seien durchgeführt worden, eine notwendige Brustoperation war laut Diagnose durch Dr. H. vermeidbar gewesen. Ein Patient soll nach einer OP an einer Sepsis verstorben sein.

Vorstand und Vertreterversammlung zeigen sich irritiert über das Vorgehen der Staatsanwaltschaft. Nach Auffassung namhafter Juristen sei höchst umstritten, ob überhaupt eine Informationspflicht bestehe, bemerkt die Kammer in einem Statement. Sie verweist auf eine entsprechende Feststellungsklage beim Verwaltungsgericht des Saarlandes. Dr. Mischo wurde einstimmig gebeten, im Amt zu bleiben.

In einer Erklärung weist der Präsident alle Anschuldigungen von sich. Er sei bestürzt darüber, dass ihm die Staatsanwaltschaft eine vorsätzliche Verletzung von Patienten und versuchten Totschlag vorwerfe. Die Anklage stehe tatsächlich und rechtlich auf tönernen Füßen, so Dr. Mischo. Er vertraut auf die Objektivität und Unabhängigkeit der rechtsstaatlichen Institutionen.

Medical-Tribune-Bericht

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