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Sondereinsatz für Mediziner: Ärzte leisten humanitäre Hilfe weltweit

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

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Erdbeben, Überschwemmungen, Kriege. Überall auf der Welt gibt es Krisengebiete, wo Menschen auf ärztliche Hilfe aus dem Ausland angewiesen sind. Dorthin schicken Hilfsorganisationen Mediziner zum Einsatz.

Eine der großen deutschen Hilfsorganisationen ist der 1979 gegründete Verein Humedica in Kaufbeuren. 471 Ärzte aller Fachrichtungen, darunter 183 Allgemeinmediziner sind hier gelistet. Sie sind bereit, weltweit im Katastrophenfall medizinische Soforthilfe zu leisten. Alle haben eine Trainingswoche hinter sich, bei der über Grundlegendes zu Hilfseinsätzen wie Basic Health Care, die Organisation eines Flüchtlingslagers oder der Ablauf einer Evakuierung informiert wird. Mehr als 600 Mal waren Ärzte im Humedica-Hilfseinsatz, manche Kollegen bis zu zehnmal, einige erhielten dafür das Bundesverdienstkreuz.

Niedergelassene nehmen sich spontan „Urlaub“ Der Ablauf der Notfalleinsätze ist stets gleich, erklärt Humedica-Sprecher Steffen Richter. Etwa anderthalb Stunden nach einer Katastrophe erhalten alle Ehrenamtlichen – Ärzte, aber auch Pfleger, Schwestern, Apotheker, Rettungssanitäter – eine SMS wie diese: „Einsatz in Japan. Medizinisches Personal gesucht. Rückmeldung an ... Abflug sobald als möglich!“ Die Rückmeldung von zehn bis 30 Ärzten kommt prompt, so dass kurzfristig ein Team von vier bis fünf Helfern plus Koordinator zusammengestellt werden kann.

Wer eine eigene Praxis hat, nimmt meist Urlaub. Kliniker werden in der Regel freigestellt. „Die Ärzte rennen bei ihren Arbeitgebern offene Türen ein, es gibt eher Zuspruch als Ablehnung“, weiß Richter. Für das Notfallteam wird ein „Medi-Kit“ bereitgestellt, das auf die Versorgung von 3000 Personen ausgerichtet ist. Je nach Einsatzort sind die Kisten mit den notwendigen Medikamenten und sonstiger medizinischer Ausrüstung bestückt. Kosten entstehen den Freiwilligen nicht, Flug, Transport und Unterkunft organisiert Humedica. 36 bis 48 Stunden nach der Alarmierung sitzt das erste Team meist schon im Flieger.

Was bewegt einen Arzt, sich auf humanitäre Mission in Krisengebiete zu begeben? Medical Tribune befragte Dr. Michael Brinkmann aus Niederkassel-Rheidt bei Bonn. „Ich bin per se ein neugieriger Mensch und an fremden Kulturen interessiert“, sagt der Hausarzt. Nach Abschluss der Facharztausbildung meldete er sich Anfang der 1990er Jahre auf eine Anzeige, in der Ärzte für einen Hilfseinsatz in der Golfkriegs-Region gesucht wurden. Zweieinhalb Monate später arbeitete er im Iran. Seitdem liegen zahlreiche Einsätze hinter ihm, darunter im Kosovo, in Ruanda, Kurdistan, Nepal, Pakistan, Haiti und Äthiopien.

Vorzeitige Rückreise nach Schüssen auf Hilfskonvoi

Für die Entscheidung pro oder kontra Arbeit in kritischen Gebieten hat er sich Regeln aufgestellt. So erklärt er zuerst seiner Familie genau, in welche Region die Reise gehen soll und welche Risiken ihn erwarten. Legt eines der beiden Kinder oder seine Frau ein Veto ein, reist er nicht.

Und er kommt zurück, wenn die Lage zu gefährlich wird – wie kurz nach Weihnachten am Horn von Afrika. Der Arzt war zu einem vierwöchigen Humedica-Hilfseinsatz ins Flüchtlingslager Melkadida in Süd-Äthiopien gereist. Nach drei Wochen flog er heim, nachdem einer der Hilfskonvois auf dem Weg ins Lager von Aufständischen beschossen worden war und die Lage prekär wurde. „Hier muss man eine gewisse Sensibilität entwickeln und entscheiden, wo die eigenen Grenzen liegen.“

Befragt nach den Voraussetzungen für einen Hilfseinsatz, erklärt er, dass zumindest bei Katastrophen zwei bis drei Jahre Berufserfahrung in verschiedenen Fachrichtungen nötig sind. „Gerade in den Akut­teams wird man immer internistisch, pädiatrisch und chirurgisch und teils auch gynäkologisch gefordert.“ Dr. Brinkmann arbeitete früher in der Unfallchirurgie und 20 Jahre als Notarzt bei der Feuerwehr.

Beim Hilfseinsatz haben Ärzte nicht nur mit Behandlungen zu tun, sondern z.B. auch mit dem Aufbau von Registratur, Pharmazie und Behandlungs-/OP-Zelt. Es sei gut zu wissen, wie Patientenströme zu regulieren sind und wie sich die Basishygiene schnell sicherstellen lässt.

Wichtig findet es Dr. Brinkmann, einige Worte der fremden Sprache zu kennen: „Eine Begrüßungsformel oder die Worte ‚Hab keine Angst‘ helfen Barrieren abzubauen.“ Auch falsch Ausgesprochenes habe schon Lachen hervorgerufen. Vor dem Auslandseinsatz sollte sich ein Arzt unbedingt mit der Kultur der dortigen Menschen beschäftigen. In islamischen Ländern ist der Körperkontakt von Männern zu fremden Frauen absolut unerwünscht; Impfen und Infusionen sind im Ramadan ein Problem. Dr. Brinkmann erinnert sich an seinen Einsatz nach dem Erdbeben 2005 in Pakistan. Hier durften selbst schwer verletzte Frauen erst zum Arzt kommen, nachdem der Imam mit viel Verhandlungsgeschick von der Notwendigkeit der Behandlung überzeugt werden konnte.

Kollegin übernimmt die Vertretung

Dr. Brinkmann ist stets für Not­einsätze gerüstet: Der Impfstatus – von europäischen Basisimpfungen über Immunisierungen gegen Gelbfieber, Cholera, Typhus und Meningokokken – ist auf dem neuesten Stand, der Pass gültig. Letztendlich aber macht er eine Entscheidung für einen Einsatz von den Notwendigkeiten in der Praxis abhängig. Probleme gab es hier bisher keine, denn er und seine Kollegin Dr. Inge Bürfent sind mittlerweile ein eingespieltes Team.

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