Anzeige

Streikposten und Notdienst: Das muss der Arzt tun, wenn es zum Streik kommt

Gesundheitspolitik Autor: Jost Küpper

Anzeige

Mittlerweile hat jede Ärztegruppierung eine Polit-Strategie für den Umgang mit Knauser-Kassen in petto. Unterbelichtet bleibt jedoch der Punkt, was ein Niedergelassener tun muss, wenn er streiken will. Medical Tribune schließt diese Info-Lücke.

  • Die Praxisschließung: Computer aus, Tür zu, Streikschild raus – das war’s. Von wegen! In eine Praxis kommen neben Kassenpatienten auch Privatpatienten, HzV-Patienten und IGeL-Kunden. Das Kalkül, dass ein Streik alle trifft, mag ehrenwert sein, doch nicht jeder Praxischef wird diese Strategie fahren wollen. Dann wird’s kompliziert: Dürfen nur die Privaten rein oder auch noch die HzV-Teilnehmer – und die anderen Versicherten von AOK, DAK und BKK nicht? Also ein Teil-Streik?

    Man kann diese Idee nicht pauschal verwerfen, muss aber ein wenig davor warnen. Streikprofile der speziellen Art gehen nur, wenn sich die lokale Ärzteschaft auf eine gemeinsame Version verständigt. In jeder Praxis eine andere Variante schafft im Sprengel nur Frust bei Patienten und Kollegen.

  • Das Praxisteam: Ein Ärztestreik hebt keine Arbeitsverträge auf. Der Lohn fließt also weiter. Natürlich können Sie kündigen, aber dafür gibt es erstens Fristen und zweitens muss ein Ärztestreik ja nicht gleichbedeutend mit einem betriebswirtschaftlichen Harakiri sein. Passabel ist es, Überstunden abzufeiern. Wer sein Praxisteam auf Augenhöhe führt, wird erleben, wie viel Verständnis die Mitarbeiter für eine durchdachte Aktion gegen das langsame Praxissterben haben.

  • Der Arzt als Streikposten: Der Streik hat eine politische und damit eine mediale Dimension. Haus- oder Fachärzte als Streikposten vor der Praxis wird sich kein Lokaljournalist entgehen lassen. Wer dann noch die Ärztebotschaft hinter dem Streik geschickt an die Medien weiter­reicht, lässt die Kassenvertreter bei der journalistischen Gegenrecherche alt aussehen. Auch hier gilt: Lokale Abstimmung und Koordination sind Trumpf. Beim Sammelauftritt der Damen und Herren Doktores vor einem größeren Ärztehaus rückt wahrscheinlich sogar das Lokalfernsehen an.

    Der direkte Personenkontakt ist genauso wichtig. Sie haben Ihre Praxis in einer Fußgängerzone, im Ortskern, an einer großen Haltestelle des öffentlichen Nahverkehrs? Sie stehen dort ein paar Stunden auf Streikpos­ten und werden von vielen gesehen? Die Patienten, die Sie sowieso schon schätzen, werden Ihren Schneid bewundern. Eine bessere PR für die Ärztesache ist kaum denkbar.

  • Der Notdienst: Der Marburger Bund (MB) macht’s vor. Rufen Rudolf Henke oder weiland Dr. Frank Ulrich Montgomery die MB-Kollegen zum Ausstand, läuft in den Kliniken die Medizin im Schneckentempo. Aber eins ist sicher: Die Notfallversorgung und die Betreuung von Akutkranken funktionieren. Denn die Patienten dürfen den Streik ruhig merken, sie müssen aber nicht darunter leiden.

    Beim Streik der Niedergelassenen sollten die Ärzte genauso verfahren, also eine belastbare Notfall- und Akutversorgung in einer voll funktionsfähigen Praxis, einem Ärzte­haus oder MVZ sicherstellen – auch mit wechselnden Anlauf-Adressen, falls der Streik länger dauert. Wieder ist wichtig: Es muss einen Koordinator oder ein Organisationsbüro geben.

  • Die Streikleitung: Soll ein Ärztestreik lokal mehr sein als ein kurzlebiges Medienereignis, braucht man dazu Planung. Natürlich kann das jede Praxis in Eigenregie stricken. Viel geschickter ist ein gemeinsames Vorgehen. Das geht schon in der Vorbereitung los: Infomaterial mit Ortsbezug kreieren. Die Verbände werden Sie natürlich mit politischen Papieren ausrüs­ten.

    Die große Politik interessiert die Bürger beim Streik aber weniger. Sie wollen wissen: Was passiert aktuell mit unserer Versorgung durch Vertragsärzte? Hier können nur die Ärzte vor Ort kompetent einsteigen. Wer koordiniert in der „Streiklei­tung“? Wer redet mit verunsicherten Patienten und mit Journalisten? Wer sorgt dafür, dass der Notdienst klappt? Das muss nicht der in Ehren ergraute Senior der lokalen Ärzteschaft sein. Die Frau oder der Mann muss gesellschaftlich vernetzt sein und führen können (z.B. Stadtrat, Elternsprecher, Sportvereinsvorsitzender). Im Idealfall ist sie bzw. er Mediziner, der Manager eines Praxisnetzes ist aber auch keine zweite Wahl. Er hat zumindest ein funk­tionierendes Büro. Und das braucht jede Streikleitung.
Anzeige