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Studie zu MVZ-Investoren Private-Equity-Ketten in Bayern oft in Steueroasen wie den Cayman Islands angesiedelt

Gesundheitspolitik Autor: Isabel Aulehla, Anouschka Wasner

Arzt-Ketten in Private-Equity-Besitz: Was als Steuerzahlung beim bayerischen Fiskus landen sollte, fließt mehrheitlich in Steueroasen. Arzt-Ketten in Private-Equity-Besitz: Was als Steuerzahlung beim bayerischen Fiskus landen sollte, fließt mehrheitlich in Steueroasen. © iStock/Dmitry Kovalchuk
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Zunehmend kaufen Private-Equity-Gesellschaften deutsche Arztpraxen und MVZ. Man sagt den Investoren nach, sie würden Profitmaximierung bei geringer Steuerlast anstreben. Wissenschaftler konnten nun für den Versorgungsbereich Bayern nachweisen, wie sie das mittels intransparenter, globaler Strukturen erreichen.

Für Investoren ist das deutsche Gesundheitssystem schon seit einigen Jahren interessant. Einige von ihnen folgen der Private-Equity-Logik: Sie kaufen MVZ und Arztpraxen und verkaufen sie nach 5 bis 10 Jahren gewinnbringend weiter. Vor einigen Wochen geriet diese Entwicklung bundesweit in die Schlagzeilen – denn die Qualität einer strikt auf Investorenprofite getrimmten Versorgung gilt vielen als fraglich.

Dabei ist es oft schwer zurückzuverfolgen, welche Private-Equity-Gesellschaft hinter einer lokal agierenden Einrichtung steht und in welchem Land Fonds lokalisiert sind, die sie kontrolliert. Zwei Wissenschaftler haben die komplexen Strukturen nun am Beispiel Bayerns analysiert (Dr. Christoph Scheuplein, Sozialwissenschaftler am Institut für Arbeit und Technik der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen, und Richard Bůžek, Wirtschaftsgeograph an der Universität Münster).

17 bayerische Arzt-Ketten in Private-Equity-Besitz, 14 davon mit Sitz in Steueroasen

Insgesamt konnten die Wissenschaftler im Freistaat 17 Arzt-Ketten identifizieren, die sich im Besitz von Private Equity befinden. Sie stellten fest, dass die Ketten eine Doppelstruktur nutzen: Eine sichert den Zugang zum Markt, die andere dient dem globalen Finanzfluss und der Steuervermeidung. Die „Zugangsstruktur“ setzt sich aus drei Komponenten zusammen: Aus einem oder mehreren MVZ, die Leistungen erbringen, aus einem Krankenhaus, das MVZ kaufen darf und aus einer weiteren Erwerbsgesellschaft, die die MVZ operativ kontrolliert und zentrale Services für sie übernimmt.

Mittels der „Finanzstruktur“ wird Investitionskapital nach Deutschland transferiert. Später fließen die Gewinne zurück an die Kapitaleigner. Dr. Scheuplein und Bůžek fanden heraus, dass die Fonds in 14 der 17 Fälle in Steueroasen lokalisiert sind. In ihrem Papier schreiben sie daher, die finanzielle Struktur verbinde die Cayman-Inseln mit Bayern. In vielen Fällen würden sogar Tochtergesellschaften an mehreren Offshore-Finanzzentren errichtet, um verschiedene steuerliche Vorteile miteinander zu kombinieren.

Wenn die Praxis-Ketten der Private-Equity nach einigen Jahren wieder verkauft werden – möglicherweise sogar wieder an Private Equitiy – hätten die Finanzstrukturen dann ihren Zweck erfüllt und würden ausgetauscht. Die konzernartigen Arzt-Ketten mit ihren Zugangsstrukturen aber blieben erhalten und würden die ambulante Patientenversorgung in Deutschland dauerhaft prägen.

Finanzstrukturen für Politik und Selbstverwaltung kaum zu durchschauen

Besonders problematisch dabei: Die Finanzstrukturen der neuen Praxis-Ketten seien für die Gesundheitspolitik und die Kassenärztliche Selbstverwaltung kaum transparent, so die Autoren. Dennoch würden die Private-Equity-Gesellschaften aber mit ihr die „Korporatisierung“ der ambulanten Patientenversorgung in Deutschland mit hohen Tempo vorantreiben. Die Autoren plädieren dafür, das Thema schnell auf die wissenschaftliche und politische Agenda zu setzen.

Quelle: Richard Bůžek, Christoph Scheuplein: The Global Wealth Chains of Private-Equity-Run Physician Practices. Tijdschrift voor Economische en Sociale Geografie. Online first, 2022, 1-17, https://doi.org/10.1111/tesg.12519

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