Anzeige

TK-Modell zum EBM erntet Zuspruch und Skepsis

Gesundheitspolitik Autor: Ruth Bahners

Anzeige

Liegt das Heil der ärztlichen Vergütung in der Rückkehr zur Einzelleistung? Während die Techniker Krankenkasse (TK) diesen Weg zumindest ausprobieren möchte, ist der Gesundheitsökonom Professor Dr. Jürgen Wasem skeptisch.

Im Auftrag der TK hat das Berliner IGES-Institut einen Vorschlag für eine Reform der ärztlichen Vergütung erarbeitet. Herausgekommen ist die Rückkehr zur Einzelleistungsvergütung mit einer Abstaffelung. Auf der diesjährigen Medica stellte die TK ihr Modell zur Diskussion.

Danach erhalten alle ärztlichen Leistungen einen festen Preis, der sich zu einem Drittel aus durchschnittlichen Fixkosten und zu zwei Dritteln aus variablen Kosten zusammensetzt.

Die Fixkosten werden so lange vergütet bis sie gedeckt sind, die variablen Kosten mit dem Arztlohn als Bestandteil werden voll vergütet. Aber: Wenn die Praxis die durchschnittliche Leistungsmenge überschreitet, wird abgestaffelt.

Arzt kann Einkommen nur durch Mehrarbeit steigern

 "Vorteil für den Arzt: Er kennt den Preis seiner Leistung und weiß am Anfang des Jahres, was er am Ende verdient hat", so IGES-Geschäftsführer Dr. Karsten Neumann.

Vorteil für die Patienten: Sie erhalten die Leistungen, die sie brauchen, was unter dem Regelleistungsvolumen-Regime nicht immer gegeben sei.

Simulationsrechnungen hätten Kritiker, die dieses Vergütungssystem aufgrund seines Leistungsanreizes für unbezahlbar hielten, widerlegt, sagte Dr. Neumann.

Denn bei diesem System könne der Arzt sein Einkommen nur steigern, wenn er mehr arbeite. Dafür sei aber nur ein realistisches Potenzial von zusätzlich fünf Stunden in der Woche vorhanden.

Weniger Interesse an der Wiederkehr der Gesunden

Das würde Ausgabensteigerungen für die Krankenkassen auf Basis des derzeitigen EBM von 5,5 bis 6 % ausmachen, "nur geringfügig mehr als die durchschnittlichen Steigerungen von 4 % in den letzten Jahren",  so Dr. Neumann.

"Das ist eine effizientere Lösung der Terminprobleme als durch die Servicestellen der KVen", war sich Thomas Ballast, stellvertretender Vorsitzender der TK sicher.

Denn dann sei nicht mehr der gesunde Patient der "attraktive Patient", der als Verdünnerfall auch noch ins nächste Quartal einbestellt werde. Die Quartalsferien wegen der Erreichung der Budgetgrenze fielen weg.

"Der Arzt erhält wieder einen Anreiz, Zeit in die Versorgung zu investieren", ist der TK-Vize überzeugt.

Bei Hausärzten treffen Argumente zu, bei Fachärzten nicht

"Die Wirklichkeit ist komplizierter", entgegnete Prof. Wasem, Gesundheitsökonom und Schlichter bei Honorarstreitigkeiten zwischen KBV und GKV-Spitzenverband. Bei den Fachärzten bestehe das Honorar bereits zu 61 % aus Einzelleistungsvergütungen.

Für den hausärztlichen Bereich träfen die Argumente allerdings zu. Da müsse das "Mischungsverhältnis" geändert werden. Doch eine reine Einzelleistungsvergütung sei "nicht vorstellbar". Dann gehe der Streit darum, was variable und was fixe Kosten seien; es müsste auch regelmäßige Aktualisierungen geben.

Prof. Wasem gestand aber zu, dass "das heutige System so ein Maß an Komplexität erreicht hat, dass es kaum zu verstehen ist".

KV-Chef: Ein Modellversuch könnte sich lohnen

Der TK-Vorschlag sei "schon ganz gut", befand Dr. Wolfgang Dryden, KV-Vorsitzender aus Westfalen-Lippe.

Es müsse allerdings sichergestellt werden, dass Praxen auf dem Land oder in sozialen Brennpunkten die Kosten erwirtschaften könnten und dass der Arztlohn vergleichbare Verdienstmöglichkeiten wie für Fachärzte am Krankenhaus biete, also ein Oberarztgehalt bei durchschnittlicher Arbeitszeit.

Unter diesen Bedingungen könne diese Systematik zufriedenere Ärzte schaffen und Strukturprobleme lösen. Der Anreiz, eine Praxis in lukrativen Gegenden mit Privatpatienten zu eröffnen, entfiele. Ein Modellversuch könne sich lohnen, aber nur wenn alle Krankenkassen einer Region mitmachen würden.

Anzeige