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Türkei: Terrorverdacht gegen Mediziner, der Verwundete versorgte

Gesundheitspolitik Autor: Klaus Amdes

Nach über einem Jahr in Untersuchungshaft verurteilte man den Arzt zu vier Jahren und zwei Monaten Haft. Nach über einem Jahr in Untersuchungshaft verurteilte man den Arzt zu vier Jahren und zwei Monaten Haft. © iStock/Hirkophoto
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Ärzte haben die Pflicht, Menschen unterschiedslos zu behandeln. Weil er genau das tat, steht Dr. Serdar Küni, Mediziner, Menschenrechtler und ehemaliger Präsident der türkischen Ärztekammer, in der Türkei vor Gericht. Der Vorwurf: Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Eine deutsche Hausärztin beobachtet den Fall.

Die Straßen der südostanatolischen Stadt Cizre, der Heimatstadt des Arztes Dr. Serdar Küni, waren 2016 umkämpft. Anhänger der vom türkischen Staat als terroristisch eingestuften kurdischen Partei PKK lieferten sich Gefechte mit Sicherheitskräften. Auch Zivilisten wurden dabei verletzt. Dr. Küni fühlte sich aus seinem Berufsethos heraus verpflichtet, die Verwundeten im kommunalen Krankenhaus zu behandeln. Später wurde ihm vorgeworfen, er habe Informationen über diese Patienten nicht an die Strafverfolgungsbehörden weitergegeben.

Nach über einem Jahr in Untersuchungshaft verurteilte das Bezirksgericht Shirnak ihn zu vier Jahren und zwei Monaten Haft. Dr. Küni habe wissentlich eine terroristische Bewegung unterstützt. Die nächsthöhere Instanz hob das Urteil jedoch wieder auf – die Zeugen gaben an, gefoltert worden zu sein. Sie würden den Arzt nicht einmal kennen. „Ein mutiger Schritt des Gerichts“, meint Dr. Gisela Penteker, eine Hausärztin und Menschenrechtsaktivistin, die schon mehreren Prozessen gegen Ärztinnen und Ärzte in der Türkei als internationale Beobachterin beiwohnte. Sie habe den Eindruck, dass viele Richter in der Türkei eingeschüchtert seien und Angst davor hätten, in politischen Prozessen gegen die Interessen der Regierung zu entscheiden.

Kaum Aufmerksamkeit für den Fall

Ab Anfang Juni steht Dr. Küni erneut vor Gericht. Wieder wirft ihm der Staatsanwalt die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vor und fordert eine Haftstrafe zwischen 7,5 und 15 Jahren. Dr. Penteker befürchtet, dass das Gericht dem folgen könnte. Sie wünscht sich international mehr Druck und Aufmerksamkeit. Der Arzt habe lediglich seine Pflicht getan und nach ärztlichem Ethos gehandelt, betont sie. Trotzdem finde der Fall Innerhalb des Landes kaum Öffentlichkeit, lediglich einige Nichtregierungsorganisationen (NGOs) würden die Geschehnisse verfolgen.

Der Prozess gegen den Mediziner könnte eine weitere politische Dimension haben: Dr. Penteker vermutet, dass Dr. Küni der türkischen Regierung aufgrund seines Engagements in der „Menschenrechtsstiftung der Türkei“ (Türkiye İnsan Hakları Vakfı, auch TİHV) ein Dorn im Auge ist. Die Organisation dokumentiert Menschenrechtsverletzungen und bietet Folteropfern kostenlose Behandlungen an. Sie wird international unterstützt. Laut Dr. Penteker ist es kein Einzelfall, dass gegen einen Arzt, der sich für die Achtung der Menschenrechte in der Türkei einsetzt, Terrorvorwürfe erhoben werden.

Medical-Tribune-Bericht

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